Popcorn und Rollenwechsel: Internationaler «Kartoffelsalat»
Wenn ab Donnerstag in «Kartoffelsalat» die deutsche YouTuber-Elite über die Kinoleinwände stolpert, wird eine bislang kleine Reihe an Langfilmen über Webpromis fortgesetzt.
Ganz gleich, wie sehr oder wie wenig man es Freshtorge, Dagi Bee und Co. gönnen mag: Mit «Kartoffelsalat – Nicht fragen!» bescheren sie der hiesigen Filmlandschaft ein Novum. Und zwar den ersten deutschen Kinofilm, der sich hauptsächlich um Internetprominenz dreht. Darüber, wie hoch die zu erwartenden Einnahmen der Zombiekomödie ausfallen, wird fürstlich gestritten (mehr dazu), aber eins ist schon jetzt klar: Um sich im internationalen Vergleich behaupten zu können, brauchen Joyce Ilg, LifeWithMelina und die restliche «Kartoffelsalat»-Crew wahrlich nicht viel. Sei es aus qualitativer Sicht oder aus finanzieller. Denn große Publikumsrenner waren Filme von und mit Internetstars bislang nicht.
Den wohl direktesten Vergleich kann man mit der französischen Komödie «N'importe qui» ziehen, die hierzulande ab dem 29. Juli unter dem Titel «What the Fuck?» fürs Heimkino erhältlich ist. Hauptdarsteller der Komödie ist Rémi Gaillard, der im Web mit solchen Videos wie seinem «Mario Kart»-Streich für Furore sorgte und der seinen markanten Humor auch in «What the Fuck?» zur Geltung brachte. Dennoch ging die Produktion mit dem unzählige Klicks auf seinem Buckel habenden Comedian an den Kinokassen unserer blau-weiß-roten Nachbarn baden. Zum Start war nicht einmal ein Rang in den Top Ten drin, insgesamt wurden in Frankreich Einnahmen von weniger als einer Millionen Euro generiert.
Etwas komplizierter verhält es sich derweil mit «Fred: The Movie». Der Langfilm rund um Fred Figglehorn, einen fiktiven jungen Buben der für den YouTube-Kanal von Lucas Cruikshank erdacht wurde, war ursprünglich als US-Kinoprojekt angedacht. Dann aber wurde doch nur eine TV-Premiere bei Nickelodeon anberaumt, die katastrophale Kritiken erntete – aber mit 7,6 Millionen Zuschauern einen Erfolg darstellte. Daraufhin erhielt die Komödie eine Kinoauswertung im Vereinigten Königreich, die aber zum Start nur auf Rang acht klettern konnte. Dessen ungeachtet sprangen zwei Fortsetzungen heraus, die herbe Zuschauerverluste zu verkraften hatten – und noch miesere Kritiken.
Und selbst «Angry Video Game Nerd: The Movie» wurde zu keinem Phänomen – und dabei ist James Rolfes vulgärer, leicht genervter Gamer eine der ganz großen Internet-Kultfiguren. Aber selbst viele treue Fans gaben dem Crowdfunding-Film einen Daumen nach unten. Zu bemüht, zu sehr auf den Trashfaktor zielend ohne wirklichen Charme zu besitzen – dies waren einige der häufigsten Kritikpunkte. Einzig die Musik von Bear McCreary («The Walking Dead», «Da Vinci's Demons») erhielt mehrheitlich positive Reaktionen.
Ganz gleich wie es kommt, ob «Kartoffelsalat» im Kino ignoriert oder gierig verschlungen wird: Im Dezember folgen bereits die Lochis mit «Bruder vor Luder» und einer weiteren Kinokomödie. Dann darf man sich erneut fragen: Wenn Internetstars sich so viel darauf einbilden, dass sie im Netz ein gigantisches Publikum erreichen und die Promis aus alten Medien weit hinter sich gelassen haben – wieso drängt es sie dennoch in alte Modelle wie ins Kino? Die naheliegendste Antwort: Das Kino ist wohl doch nicht so passé, wie die Netzheroen (und insbesondere der Vermarkter) es zeitweise darstellen wollen …