Und wieso auch die neuen Mittwochsformate «The 100» und «The Strain» nicht die besten Startbedingungen haben.
‚Why?‘ – das war die ungläubige Frage des ProSieben-Twitterteams, als vergangene Woche die Quoten des «Empire»-Staffelfinals bekannt wurden und diese nochmal niedriger als zuvor ausfielen. Jene Serie, der ProSieben-Chef Wolfgang Link eigentlich eine rosige Zukunft vorhergesagt hatte, endete quasi auf dem Tiefpunkt – auch inhaltlich. Wobei man zumindest darüber streiten könnte. Dass ProSieben es schier gar nicht glauben konnte, dass «Empire» hierzulande kein ähnlich großer Hit geworden ist, wie im Mutterland, überrascht. Denn trotz einiger Vorschusslorbeeren bestand die Gefahr, dass das deutsche Publikum anders reagiert als das amerikanische durchaus.
Es gibt nicht nur ein Beispiel für eine Serie, die „zu amerikanisch“ ist, als dass sie in Deutschland viele Freunde findet. Das passierte beim von Kritikern geliebten «West Wing» ähnlich wie bei der CBS-Serie «The Unit», eigentlich auch bei «Glee» und «24». Jede dieser Serien ist ganz individuell, aber doch ziemlich exakt auf die Seherwartungen von US-Bürgern zugeschnitten. «The West Wing» für die, die sich im Detail für amerikanische Politik interessieren, «The Unit» für die Militär-Nerds – und «Empire» eben vor allem für afro-amerikanische Hip-Hop-Liebhaber.
«Empire» spielt wie kaum eine andere US-Serie in den vergangenen Jahren mit dem in Amerika immer noch schwelenden Rassenkonflikt. ‚Den Weißen wolle man die Firma nicht überlassen‘ ist da nur einer der Sätze, der klar macht, welche Botschaft an das in Amerika überwiegend von Schwarzen geschaute Format, vermittelt. Man dreht den Spieß einfach um. In «Empire» sind die Weißen die Dienstmädchen und die Afroamerikaner die, die das Sagen haben. In Deutschland interessiert dieser Kniff kaum jemanden, weil es die Lebenswirklichkeit des normalen 14 bis 49 Jahre alten Bundesbürgers eben nicht betrifft. In den USA dürfte genau das aber ein nicht unwesentlicher Teil der «Empire»-Faszination gewesen sein.
Hinzu kommt, dass Hip Hop an sich in Amerika derzeit einen höheren Stellenwert genießt als hierzulande. Während in Deutschland vor allem die elektronische Musik und somit Solo-Künstler wie Robin Schulz oder Avicii die Charts stürmen, ist der Rap bei den Amerikanern tiefer verwurzelt. So war es in Deutschland letztlich einzig die Geschichte, die das Publikum in seinen Bann hätte ziehen müssen – doch die ist ähnlich vorhersehbar und platt wie in anderen US-Soaps.
Dabei war die Ausgangslage durchaus interessant: Plattenboss Lucious ist an ALS erkrankt und hat nur noch wenige Monate zu leben. Er muss sein Imperium weitergeben – an einen seiner drei Söhne. Nur an welchen? An Jamal, den er nicht mag, weil der homosexuell ist? An Hakeem, der zwar ein guter Musiker ist, genauso aber auch ein Dummkopf? Oder an Andre, der zwar ein guter Geschäftsmann zu sein scheint, allerdings an einer bipolaren Störung leidet. Dann taucht auch noch seine Ex-Frau Cookie auf, die frisch aus dem Knast entlassen ist und in ihrem «Empire» wieder mitsprechen mag. Und so schlängelt sich die Handlung durch die ersten zwölf Folgen, jeder darf mit jedem mal ins Bettchen hüpfen, Lucious mordet (wie es sich für einen Soap-Fiesling nun einmal gehört) – und ständig hängt der anstehende Börsengang des Unternehmens wie ein Damokles-Schwert über dem «Empire».
Am Ende stellt sich heraus, dass Lucious eigentlich eine andere Krankheit hat, die nicht todbringend ist – was ihm den Verbleib in der Serie über die nächsten Jahre sichern dürfte. Trotzdem vermacht er die Firma nun an seinen homosexuellen Sohn – während hinter den Kulissen schon die nächsten Intrigen gesponnen werden. Und zwar von denen, die leer ausgingen. Auch das klingt noch halbwegs interessant, wären da nicht Sequenzen, in denen Lucious den Mord und seine „Wunderheilung“ im (vermeintlichen) Halbschlaf vor sich hin plappert und seine Ex-Gattin somit zufällig alles brühwarm serviert bekommt. Kurzum: Die gleiche klebrige Soap-Masse, die schon bei «Dallas» (einst versucht bei RTL) nicht funktioniert hat, hätte es also bei «Empire» richten sollen. Umso weniger überrascht es also, dass allein das nicht gereicht hat, um ProSieben in fabelhafte Quotensphären zu führen. Das soll nun übrigens mit «The 100» einer Serie mit komplett anderer Ausrichtung gelingen. Einer Art Endzeit-Drama, in dem rund 100 jugendliche Straftäter als Versuchskaninchen auf der verseuchten Erde landen – 97 Jahre nach einem Atomkrieg. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Kass Morgan. Erst nach Produktionsbeginn für die erste Staffel baute die US-Autorin den Stoff zur Trilogie aus.
Der Sender geht somit komplett neue Wege – auch dann, wenn kommende Woche am späteren Mittwochabend mit «The Strain» eine neue Horror-Serie startet. Nach Krankenhaus-Dramedy und Hip-Hop-Soap wird ein noch einmal anderes Publikum angesprochen. Und so reift auch die Erkenntnis, dass der ProSieben-Mittwoch inzwischen ein schöner Gemischtwarenladen geworden ist. Das schmeckt eben nur nicht allen Zuschauern.