Regisseur Michael David Pate («Gefällt mir») beaufsichtigt mit «Kartoffelsalat» den ersten YouTuber-Kinofilm. Mit Quotenmeter.de sprach er über das Projekt, über die Kunst, Zielgruppenfilme zu machen, ohne die Kritiker vergraulen zu wollen und über den Wandel der Entertainmentbranche.
Zur Person:
Schon im Kindesalter begeisterte sich Michael David Pate für den Film. Er schrieb zahlreiche Drehbücher und unterstützte diverse Filmproduktionen in etlichen Departments, bis er 2013 mit «Gefällt mir» sein Kinodebüt landete. Mit «Kartoffelsalat» führt er die erfolgreiche Zusammenarbeit mit FreshTorge fort: die zwei kennen sich seit mehreren Jahren und produzierten gemeinsam den mit 6,4 Millionen Views erfolgreichsten YouTube-Zweiteiler «Süßes oder Sandra».Bei der Pressevorführung in Hamburg haben Sie bewusst erwähnt, dass es sich bei «Kartoffelsalat» um einen Zielgruppenfilm handelt und nicht um einen Kritikerfilm. Ich kenne ja die Kollegen: Wie sehr wird es Sie schmerzen, wenn Sie vielleicht doch die Zeitung aufschlagen und die eine oder andere schlechte Kritik zu dem Film lesen müssen, weil die Journalisten nicht verstanden haben, worum es Ihnen beim Dreh ging?
Ich finde Kritiken ja grundsätzlich immer erstmal interessant. Ich finde es spannend, zu lesen, wie Leute einen Film aus einer analytischen Sichtweise her betrachten. Über gute Kritiken freut man sich, schlechte Kritiken können eine Schule für mich sein. «Kartoffelsalat» ist natürlich in erster Linie ein Unterhaltungsfilm für junge Leute, wobei wir auch viel intelligenten Subtext für die etwas erfahreneren Zuschauer reingepackt haben. Darüber hinaus glaube ich nicht daran, dass unser Film tatsächlich unter schlechten Kritiken „leiden“ kann. Wir stehen zu dem Stumpfsinn, den wir präsentieren, spielen aber auch damit. Ich glaube, unser Film ist intelligenter, als es ihm viele zutrauen wollen. (lacht) Das wird nichts daran ändern, dass es immer Leute geben wird, die an unserer Arbeit keinen Gefallen finden.
Das ist ein gutes Stichwort: Nachdem der Teaser bei den Video Days in Berlin seine Premiere hatte, hat er sich in den kommenden Stunden über die sozialen Medien verbreitet. Die Meinungen waren gespalten. Die einen haben ihn abgefeiert, die anderen verteufelt. War der Trailer mit den negativen Zitaten eine Antwort darauf, oder war das von Anfang an so geplant?
Haters Gonna Hate! Das war schon immer so. Mit den Zitaten, die wir so tatsächlich alle im Internet, ob bei Twitter oder YouTube, gefunden haben, möchten wir zum einen Selbstironie beweisen, zum anderen aber auch zeigen, dass wir genau wissen, dass wir es nicht jedem Recht machen können.
Torge Oelrich ist vor einem Jahr mit der Idee zu «Kartoffelsalat» an Dich herangetreten. Mit welcher Intention hat er Dir damals das Drehbuch gezeigt?
Er kam zu mir, als ein großer, deutscher Filmverleih an ihn herangetreten war, um mit ihm einen Kinofilm zu machen. Für ihn stand allerdings fest, dass er ein solches Projekt nur mit mir durchziehen würde. So war ich quasi schon direkt verpflichtet (lacht). Es folgten schließlich Wochen und Monate des Brainstormings, bis wir nach und nach ein Konzept hatten. Wie groß das alles schließlich werden würde, das wussten wir zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht.
Warum das Zombie-Thema? Es gibt zwar einen Horrortrend im Sinne dessen, dass zum Beispiel «The Walking Dead» zu einem weltweiten Phänomen aufgestiegen ist. Aber das ist ja dann doch nochmal ne andere Zielgruppe.
Ganz einfach, weil wir das lustig fanden! Natürlich wird das Thema in allen möglichen Facetten breit getreten und Vergleiche mit «Shaun of the Dead» oder «Zombieland» liegen mit Sicherheit auch nah. Aber gerade weil in dieser Zombiethematik auch immer ein Fünkchen Gesellschaftskritik steckt, bot es sich für unseren Film einfach an. Ohne zu viel verraten zu wollen, erkennt man ja spätestens am Schluss, dass es in Wirklichkeit gar nicht um eine Zombie-Epidemie im eigentlichen Sinne geht.
Ein Großteil der Haupt- und Nebenrollen wird von YouTubern gespielt. Die haben zwar eine gewisse Kameraerfahrung, sind aber keine professionell ausgebildeten Schauspieler, abgesehen von Joyce Ilg zum Beispiel. Wie unterscheidet sich der Dreh da von einem solchen, wo man es nur mit ausgebildeten Akteuren zu tun hat?
Der Dreh selbst unterscheidet sich gar nicht so sehr von einem „normalen“ Dreh. Vor der Kamera sind die Darsteller alle sehr professionell und setzen um, was man ihnen sagt. Die Unterschiede finden sich eher dann, wenn die Kamera aus ist beziehungsweise im Vorfeld des Drehs. Als Schauspieler ist man vor den Dreharbeiten ja ständig am telefonieren mit dem Regisseur um vorab Dinge abzuklären oder Absprachen zu treffen. Das ist für die YouTuber tatsächlich anfangs ein Problem gewesen, weil die ungern ihre Telefonnummern rausgeben wollen, in der Angst, dass diese in falsche Hände geraten. Am Set war es spannend, wenn es in eine Drehpause ging. Dann haben die YouTuber nämlich ihre eigenen Kameras rausgeholt, um hinter den Kulissen zu filmen, das Catering aufzunehmen oder Vlogs zu produzieren.
Gibt es YouTuber, denen Du nach diesem Film zutrauen würdest, in der Schauspielerei Fuß zu fassen?
Das kann ich tatsächlich über so ziemlich jeden YouTuber sagen. Zumal man sich ja auch bewusst machen muss: Das sind alles absolut keine untalentierten Leute. Das, was die machen, ist nicht nur mit viel Aufwand verbunden, sondern setzt ja auch voraus, dass man ein telegener Typ ist. Zwar setzen sich die einen eher mit Comedy auseinander, dafür behandeln andere wiederum eher Beauty-Themen, aber gerade die Comedians haben echt Talent. Torge hat zum Beispiel einen richtig guten Humor, ist authentisch, spritzig und absolut vielfältig. Es würde mich daher nicht wundern, wenn man den einen oder anderen zukünftig in ähnlichen Projekten wiederfinden würde.
Du konntest Leute wie Otto Waalkes, Wolfgang Bahro oder Katy Karrenbauer für das Projekt gewinnen. Wie hast Du das gemacht?
Die Aufteilung bei der Suche nach den Darstellern lief geteilt ab. Um die etablierten Schauspieler haben ich beziehungsweise mein Bruder Miguel (Anm. der Redaktion: Miguel Pate gehört zu den Produzenten von «Kartoffelsalat») sich gekümmert. Schließlich hat man auch hier Kontakte zur Branche. Torge hat sich durch sein Netzwerk mit den infrage kommenden YouTubern zusammengesetzt. Natürlich gab es bei den Schauspielern auch Skeptiker, die gesagt haben, dass an so einem Projekt keinerlei Interesse besteht. Da war durchaus auch A-Prominenz bei. Aber im Grunde haben die YouTuber in der Branche überhaupt keinen schlechten Ruf. Gerade Otto Waalkes war Feuer und Flamme für das Projekt und hatte, genauso wie seine Kollegen auch, einfach Bock auf ein so spezielles und durchaus verrücktes Projekt. So große Überredungskünste brauchte es dafür gar nicht.
Der Humor in «Kartoffelsalat» ist ja tatsächlich recht gemischt. Man hat einmal die diversen Anspielungen auf die YouTuber-Szene, viel Selbstironie ist auch dabei, aber selbst wenn man nicht wüsste, dass Otto Waalkes den Film mitproduziert hat, kommt man nicht um den Eindruck herum, Filme wie «Otto – Der Katastrophenfilm» oder frühere Sketche von ihm hätten hier direkten Einfluss auf den Film und seinen Humor gehabt. Immerhin hat sogar Harry Hirsch eine Gastrolle. Ist das so?
Torge und ich sind beide mit Otto groß geworden. Kein Wunder, er ist eine Comedylegende! Da war es für uns natürlich umso toller, dass er sich angeboten hat, uns im Dreh- und Produktionsprozess zu unterstützen, ohne sich aufzudrängen. Wir waren froh über Ottos Interesse und es wäre blöd gewesen, nicht auf seine Ratschläge zu hören (lacht). Gleichzeitig weiß Otto aber ganz genau darum, dass der Film für eine andere Generation gemacht ist. Er ist sehr interessiert an der YouTube-Branche. Nachdem Torge einmal etwas über Otto gepostet hat, ist er sogar direkt mit Torge in Kontakt getreten, wodurch sich der Kontakt überhaupt erst entwickelt hat. Ihn interessiert die Internetwelt sehr und kann sich dadurch auf die Augenhöhe mit der Zielgruppe begeben. Seine Ideen haben den Film um ein Vielfaches bereichert.
Die Entertainmentbranche ist ständig im Wandel. YouTube ersetzt das klassische Fernsehen, Serien ersetzen immer mehr das Kino. Wie nimmt man diesen Wandel als Regisseur wahr?
Das ist richtig und als Regisseur muss ich mich natürlich damit beschäftigen. Andererseits bedeutet die Arbeit als Filmemacher ja nicht automatisch, dass ich mich nur mit Langfilmprojekten auseinandersetzen muss. Ich persönlich mag den Langfilm am liebsten, aber spätestens seit ich «Breaking Bad» kenne, ist mir bewusst, dass Serien etwas können, was Langfilme nicht vermögen. Ein Kinofilm von 90 Minuten hat ein sehr eng gestecktes Zeitfenster. In diesem Rahmen habe ich überhaupt nicht die Möglichkeit, Charaktere so zu etablieren und so langsam, dadurch aber so intensiv zu erzählen, wie es
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Die Teens von heute wollen selbst bestimmen, was sie wann gucken. Mit «Kartoffelsalat» hoffen wir, die junge Generation mal vom Smartphone wegzuholen und sie an die frische Luft zu locken. Vielleicht gelingt uns das, denn im Grunde sieht so die Zukunft der Unterhaltung aus.
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«Kartoffelsalat»-Regisseur Michael David Pate
Serien nun mal können, weil wir hier von viel längeren Zeiträumen sprechen, in denen sich die Handlung abspielt. Für mich als Regisseur ist es aber schwierig, Serien zu machen. Da spielt auch Geld eine große Rolle. Das reicht meist nur dafür, um eine Pilotfolge zu inszenieren und die muss dann eben so gut sein, dass eine Staffel in Auftrag gegeben wird, die dann von anderen finanziert wird.
Was absolut richtig ist, ist, dass YouTube die jungen Leute immer mehr vom Kino oder Fernsehen weglockt. Die Teens von heute wollen selbst bestimmen, was sie wann gucken. Mit «Kartoffelsalat» hoffen wir, die junge Generation mal vom Smartphone wegzuholen und sie an die frische Luft zu locken. Vielleicht gelingt uns das, denn im Grunde sieht so die Zukunft der Unterhaltung aus.
Der Teaser zu «Kartoffelsalat» hatte nach nur 48 Stunden 1,3 Millionen Aufrufe. Das ist mehr, als sämtliche Teaser von «Fack ju Göhte» zusammen – und «Fack ju Göhte» war in seinem Erscheinungsjahr der erfolgreichste Film in Deutschland. Mal angenommen, die Aufrufzahlen spiegeln wieder, wie der Kinostart für Euch verlaufen wird, wie kann man sich dann die Zukunft vorstellen für ein Projekt wie «Kartoffelsalat»? Denkt man dann schon an Fortsetzungen oder andere, ähnliche Projekte?
Zunächst einmal muss man sagen, dass solche Zahlen immer nur mit Berechnungen und Kalkulationen zu tun haben. Ich bin ein sehr bodenständiger Mensch. Wir haben keinerlei Garantie, dass die YouTube-Fans, die sich diesen Teaser so häufig angesehen haben, letztlich auch ins Kino gehen; geschweige denn in der ersten Woche ins Kino gehen. Sollte die Startwoche für «Kartoffelsalat» mies laufen, dann ist der Film ganz schnell raus aus den Kinos. Zumal man weiß, dass die Filmtrailer, die vor den Vorstellungen im Kino laufen, zur effektivsten Werbung für ein Projekt gehören. Wir hatten kein großes Budget, wir konnten weder viele Trailer im Kino, noch im Fernsehen schalten. Viele Klicks bei YouTube sind also keine Gewährleistung dafür, dass der Film schlussendlich genauso viele Zuschauer zieht. Ich hoffe einfach nur, dass das Ding gut geht. Ich freue mich über jeden Zuschauer, genauso wie über jede positive Besprechung. Zur Frage bezüglich der Folgeprojekte muss ich sagen, dass ich ein Fan des Genrefilms bin und meine Fühler vermutlich wieder mehr in diese Richtung ausstrecken werde. Aber sollte «Kartoffelsalat» tatsächlich durch die Decke gehen, wäre natürlich eine Fortsetzung ein Thema. Genauso haben schon mehrere YouTuber für ein Kinoprojekt angefragt, auch Otto hätte Interesse, etwas zu machen. Man muss einfach sehen, was kommt und jetzt erstmal schauen, wie der Film bei der Zielgruppe ankommt.
Wir bedanken uns bei Michael David Pate für das angenehme Gespräch und wünschen für den Kinostart von «Kartoffelsalat» alles Gute!