Nach zehn Jahren in der ARD, unter anderem beim «ARD-Buffet» wagte Ernst-Marcus Thomas den Wechsel zum «ZDF-Fernsehgarten». Danach war seine TV-Karriere zu Ende. Jetzt hat er ein Buch für Newcomer im Business geschrieben. Mit uns sprach er über Risiken, Flatulenzen und Laiendarsteller.
Zur Person: Ernst-Marcus Thomas
Der Moderator wurde 1973 in Delmenhorst geboren. Nach seinem Abitur volontierte er bei der Augsburger Allgemeinen. Er arbeitete beim Radio, bis ihn sein Weg zum SWF führte. 1998 war «Philipps Tierstunde» die erste Sendung, die Thomas für die ARD machte. In den zehn Jahren danach folgten etliche weitere - darunter fünf Jahre lang das «ARD-Buffet», Gast-Moderationen von «DAS!» im NDR, «Olis Wilde Welt» im Ki.Ka und sogar vereinzelte Einsätze in der «NDR Talkshow». 2008 übernahm er für eine Saison den «ZDF-Fernsehgarten» für Andrea Kiewel und hatte mit deutlich rückläufigen Zuschauerzahlen zu kämpfen. 2012 versuchte er sich an einem TV-Comeback mit der 12-Uhr-Scripted-Talkshow «Ernst Marcus Thomas». Diese wurde nach einem zehnteiligen Testlauf aber nicht fortgesetzt. Inzwischen kümmert Thomas sich als Coach um den Moderatoren-Nachwuchs. Im Sommer 2015 erschien sein Buch "Traumberuf Moderator. Hinter den Kulissen der TV-Welt" im Tectum Verlag (ISBN 978-3-8288-3532-0)Herr Thomas, seit über drei Jahren hatten Sie nun keine Fernsehsendung mehr. Ihre Zeit beim «Fernsehgarten» ist sieben Jahre her. Sind Sie auf Fernseh-Entzug?
Es gibt schon so etwas wie einen „Rotlicht-Entzug“ – und zwar einen kalten. Das Rotlicht an der Kamera kann man schon ein bisschen mit einer Droge vergleichen. Den Entzug habe ich heute nicht mehr, allerdings war das direkt nach dem «Fernsehgarten» nicht einfach für mich.
Sie haben 2008 eine Saison lang den «Fernsehgarten» moderiert – damals sanken die Zuschauerzahlen. Viele haben das einzig an Ihnen und nicht an den Inhalten der Show ausgemacht. Andrea Kiewel wurde zurückgeholt – und Sie waren weg von der Bildfläche.
Ich hatte vor dem «Fernsehgarten» zehn Jahre für die ARD gearbeitet, dort unter anderem das «ARD-Buffet» moderiert. Man darf nicht vergessen, dass Andrea Kiewel sich ihre Fan-Base auch über acht Jahre erarbeitet hat. Wenn ein Moderator eine Sendung so viele Jahre am Stück moderiert hat, dann hat es ein neuer Moderator danach in seinem ersten Jahr schwer. Ich habe es nach dem «Fernsehgarten» so erlebt, dass man mir gesagt hat, mein Name sei nun verbrannt. Da wusste ich, dass es schwer wird, wieder irgendwo einzusteigen.
Würden Sie das Angebot «Fernsehgarten» dann heute noch einmal annehmen?
Das ist eine echt gute Frage. Das eine Jahr war wirklich toll und hat mir viel Spaß gemacht. Deshalb würde ich in diesem Punkt „Ja“ sagen. Wenn ich aber an die Konsequenzen denke, die darauffolgten, wäre meine Antwort logischerweise „Nein“. Auch, wenn ich vorher gewusst hätte, dass mein Engagement von vornherein nur für eine Saison sein sollte. Und es halten sich ja bis heute viele Stimmen – auch und gerade aus internen ZDF-Kreisen, die sagen, dass von Anfang an klar war, dass Andrea Kiewel nach einem Jahr Pause zurückkommen würde. Insofern konnte ich nur verlieren. Aber grundsätzlich ist man sich des Risikos ja immer bewusst, wenn man ein Format moderiert. Es kann immer passieren, dass du ganz schnell weg vom Fenster bist. Ich habe in meinen zehn Jahren bei der ARD einige Kollegen gehen sehen. Die mussten von einem Tag auf den anderen ihre Tankkarte und den Schlüssel abgeben. Man glaubt dann immer, dass das sehr weit von einem selbst weg ist und man persönlich nicht betroffen sein wird. Und dann wird einem wieder klar, dass der Job des Moderators in diesem Punkt schon ein gefährlicher ist.
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Ich habe es nach dem «Fernsehgarten» so erlebt, dass man mir gesagt hat, mein Name sei nun verbrannt. Da wusste ich, dass es schwer wird, wieder irgendwo einzusteigen.
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Ernst-Marcus Thomas
Das Bild des großen öffentlich-rechtlichen Schoßes, der für alle Moderatoren irgendwo – und sei es im Regionalprogramm – noch ein Plätzchen findet, ist also nicht mehr aktuell?
Öffentlich-rechtliche und private Sender haben sich in diesem Punkt schon ziemlich angenähert. Als Moderator hast du keine sichere Stelle.
Sie haben jetzt ein Buch geschrieben, das „Traumberuf Moderator“ heißt und erzählen darin einige witzige Storys aus Ihrer Zeit vor der Kamera – unter anderem aus den zehn Jahren bei der ARD.
Da gibt es wirklich einen ganzen Haufen von Geschichten, die man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann. Ich erinnere mich noch daran, wie wir mittendrin waren in einem neuen Projekt – wir waren fleißig in der Produktion eines neuen Formats, als plötzlich der Unterhaltungschef anrief und alles komplett abgeblasen hat. „Ihr könnt jetzt heimgehen“, war seine Botschaft. Der Hintergrund waren aufgetretene Verwerfungen zwischen Sender und Produktion – und wir als Team hatten sehr überraschend einige Wochen frei. Dann erinnere ich mich noch an einen anderen Unterhaltungschef mit einem echten Furz-Problem. Der saß stets in Konferenzen und hat alle Teilnehmer durch sein Furz-Verhalten beeindruckt. Er war auch der festen Überzeugung, er dürfte das als Unterhaltungschef. Das ist wohl auch etwas, das es sonst in kaum einer Branche gibt.
Da sind wir thematisch schon ziemlich richtig: Ich möchte mit Ihnen jetzt über Ihre Sat.1-Talkshow sprechen, die im Jahr 2012 getestet wurde. Die trug Ihren Namen, lief mittags und war gescriptet und mit den Laien-Darstellern besetzt. Wie erwartet waren die Kritiken richtig mies, leider auch die Quoten. Denken Sie daran gerne zurück?
Naja, ich war hin und hergerissen, als Sat.1 mir dieses Angebot gemacht hat. Ich habe dann Hape Kerkeling angerufen und um Rat gefragt, weil ich sehr unsicher war. Und er hatte eine klare Meinung: Erstens hat er mir geraten, dass ich Sat.1 sagen soll, dass es wichtig ist, dass der Sender offen kommuniziert, dass es ein gescriptetes Format ist. Und zweitens hat er mir geraten, dass ich das Angebot annehmen soll, allein schon deshalb, weil ich seit 2008 nicht mehr On Air war und den TV-Managern zeigen muss, dass es mich noch gibt. Letztlich war der Testlauf, der auch immer als solcher angekündigt war, sicherlich keine Glanzzeit, aber schon eine spannende Erfahrung.
Aber war es doch Fremdschäm-Fernsehen pur?
Ach Gott, in manchen Folgen vielleicht. Andere hingegen hatten mit Fremdschämen nichts zu tun. Im Gegenteil: Manche Darsteller haben ihre Sache wirklich besser gemacht als ich es zuvor befürchtet hatte.
Sie haben ein Buch geschrieben, das junge Moderatoren nicht darauf hinweist, wie man in die Kamera schauen soll, wohin mit den Händen beim Ansagen der Wetter-Vorhersage, sondern das auf andere Dinge Wert legt…
Meine Intention war nicht, über Flatulenzen von Unterhaltungschefs zu schreiben – das ist richtig, auch wenn es kurz in dem Buch vorkommt. Ich bin seit vielen Jahren Medien-Trainer, coache also den Moderatoren-Nachwuchs. Und mir fällt auf, dass die Teilnehmer meiner Seminare mitunter vogelwilde Vorstellungen davon haben, wie es in der Medienwelt zugeht. Ein Beispiel: Ein junger Sparkassen-Mitarbeiter mit Festanstellung sitzt am Montag bei mir im Seminar. Als ich frage, welche Erwartungen die Teilnehmer haben, erklärt er, dass seine Kündigung schon geschrieben ist und er am Freitag von mir gerne wüsste, ob er sie endlich abschicken kann. Dem habe ich dann erklärt, dass ich ihm schon jetzt sagen kann, dass die Kündigung in der Schublade bleiben muss.
Zuerst braucht man ein Angebot, dann einen Vertrag. RTL winkt nicht so schnell mit einem Angebot auf Anstellung für zehn Jahre (lacht) Zudem erkläre ich in meinem Buch, wie man zu Castings kommt, was eine Agentur für einen erledigt und worauf man achten muss, wenn man als Moderator zum Gespräch mit seinem Unterhaltungschef geht. Da ich ja durchaus etwas größenwahnsinnig bin, war es mein Ziel, eine Art Standard-Werk zu diesem Thema zu schreiben. Und ich kann stolz sagen, dass es wirklich das beste Buch auf diesem Gebiet ist – auch weil es das aktuell einzige ist (schmunzelt).
Seit Jahren ist in der Branche immer wieder zu hören, es fehle an jungen Moderations-Talenten. Gehen Sie mit dieser Aussage mit?
Das würde ich nicht sagen. Die Talente sind schon da. Sie kommen halt nur nicht fertig aus einer Fabrik, sodass man sie einfach ohne Mühe vor die Kamera stellen kann. Die Sender müssen schon Aufbauarbeit leisten. Und genau das passiert einfach weniger als noch vor einigen Jahren. Auch hier ein Beispiel von mir: Als ich mit Anfang 20 den Sprung ins Fernsehen wagte, ging ich zu einem Casting des damaligen SWF. Ich habe das Casting wirklich schlecht gemacht, also die Kamera immer nicht gefunden und so weiter. Aber irgendein Talent scheinen die Verantwortlichen entdeckt zu haben. Also bin ich eine ganze Zeit lang Wochenende für Wochenende nach Baden-Baden gefahren – auf Senderkosten – um nur die jeweiligen Proben zur Sendung zu absolvieren. Das eigentliche Format hat dann der normale Moderator übernommen. Irgendwann erst war es dann soweit, dass ich selbst On Air gehen durfte. Sowas gibt es heute nicht mehr.
Eine häufige Frage, gerade in diesen Wochen, ist, ob wir auch in Zukunft noch Ausnahmetalente wie Jauch, Gottschalk oder Raab im Fernsehen erleben werden.
Das ist eine gute Frage. Ich denke schon. Joko und Klaas sind letztlich auf Augenhöhe mit den Genannten. Allerdings splittet sich das Fernsehen immer mehr. Früher hattest Du drei Programme – heute sind es über hundert. Da ist es schwerer, neue Gesichter zu finden.
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Das Radio ist nach wie vor eine tolle Schmiede, weil vieles live und ohne doppelten Boden stattfindet. Man muss schnelle und intelligente Entscheidungen treffen. Aber auch da gilt. Jemand, der im Radio einen tollen Job macht, muss Zeit bekommen, wenn man ihn fürs Fernsehen anheuert – vor allem, wenn er das erste Mal dann vor einer Kamera steht.
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Ernst-Marcus Thomas
Ist Radio aus Ihrer Sicht noch die gleiche Talentschmiede wie vor zehn Jahren oder gibt es dort hauptsächlich nur noch Claim-Aufsager?
Das ist nach wie vor eine tolle Schmiede, weil vieles live und ohne doppelten Boden stattfindet. Man muss schnelle und intelligente Entscheidungen treffen. Aber auch da gilt. Jemand, der im Radio einen tollen Job macht, muss Zeit bekommen, wenn man ihn fürs Fernsehen anheuert – vor allem, wenn er das erste Mal dann vor einer Kamera steht.
Zum Abschluss noch persönlich an Sie: Bleibt es beim Moderations-Coaching oder denken Sie, die „Rotlicht-Sucht“ wird Sie noch einmal befallen?
Wenn es ein gutes Angebot gibt, dann sage ich nicht „Nein“. Wenn dieses Angebot nicht kommt, weine ich allerdings auch nicht ins Kopfkissen.
Danke für das Interview.