Schönenborn: ,WDR, wie man ihn nicht kennt‘

Nächste Woche zündet der WDR ein regelrechtes Feuerwerk an neuen TV-Formaten. Was Tom Buhrow und Jörg Schönenborn zur Offensive sagen und für welche Sendung sie besonders schwärmen…

„Eine Frage, mit der ich gerechnet habe, wurde noch gar nicht gestellt“, wirft Jörg Schönenborn in die Runde versammelter Journalisten ein. Ein Schmunzeln geht durch den Raum. Und Schönenborn stellt sich einfach selbst die Frage, auf die noch keiner der Anwesenden gekommen ist. Warum es denn so viel an Unterhaltungsprogramm sei, das der WDR vorstelle? „Ganz einfach, in der Informations-Kompetenz sehen wir uns gut abgesichert“, kann er sich ein wenig Selbstlob nicht verkneifen.

Es ist Freitagmorgen, kurz nach zehn Uhr morgens. Für den WDR stehen die zwei interessantesten Programmwochen seit langem bevor. Rund 20 neue Sendungen werden ab nächster Woche innerhalb kürzester Zeit an den Start gehen. Die kommenden Tage, ausgerufen anlässlich des 50. Geburtstags der Sendeanstalt, sind für den WDR sogar derart wichtig, dass man eigens zu einem Pressefrühstück geladen hat. Mit an Bord: Niemand Geringeres als WDR-Intendant Tom Buhrow und Fernsehdirektor Jörg Schönenborn. In vielen kleinen Trailern gibt der WDR an diesem Morgen einen Vorausblick auf das, was die Zuschauer ab Montag erwartet. Und Schönenborn und Buhrow scheuen nicht davor zurück, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. „Besonders schön ist, dass sich die einzelnen Bereiche gegenseitig befruchtet haben – der Funke ist übergesprungen“, sagt beispielsweise Buhrow zur Offensive.

Aber welche Absicht steckt hinter der Strategie, mehr als 20 neue Sendungen in nur 14 Tagen zu starten? Wäre eine ständige Innovationsbereitschaft nicht viel nachhaltiger als eine kurzfristige, möchte zum Beispiel einer der anwesenden Journalisten wissen. „Wir haben auch sehr diskutiert, ob das richtig ist“, gibt Schönenborn preis. Aber der WDR wolle in diesen Tagen nun mal ganz viel Aufmerksamkeit.

Man wolle zeigen, dass man zum 50. nicht in der Midlife-Crisis stecke. Zum Geburtstag einfach nur in die Vergangenheit zu blicken, wäre Schönenborn zu wenig gewesen. „Dieser WDR ist ein Powerhause“, ruft er stattdessen freudig aus. Auf einen festen Programmplatz für Innovationen wolle man im Übrigen verzichten, weil dieser oft sehr spät liege. „Stattdessen testen wir die lieber in der Mitte des Programms aus“, so Schönenborn. Innovationen könne man nicht anordnen – insofern ist Schönenborn über das Resultat der Offensive „nicht nur glücklich, sondern berührt.“

Finanziert wurden die Projekte aus einem sogenannten Verjüngungstopf mit einem Volumen von drei Millionen Euro. „Zweck des Topfes ist es, jungen Kollegen die Möglichkeit zu geben, eine Sendung an den Hierarchien vorbei nach oben zu schießen“, so Schönenborn. Der Topf sei eine dauerhafte Einrichtung, die zeige, dass sich der WDR verschlanken könne ohne dabei gänzlich den Blick in die Zukunft zu verlieren. Auch stünden Gelder bereit, um den erfolgreichen Projekten der Offensive im Jahr 2016 eine Fortsetzung zu gewähren.

Und was sagen Buhrow und Schönenborn zu den einzelnen Sendungen? Authentisch und potenziell interessant wirkt schon einmal der Trailer zu «Das Lachen der Anderen» – die Sendung, in der Micky Beisenherz und Oliver Polak besondere und interessante Menschen kennenlernen, um für und über diese Menschen ein Stand-up-Comedy-Programm zu schreiben. „Wir bewegen uns da tatsächlich in einem Grenzbereich. Vielleicht wird die Sendung grandios, vielleicht kommt sie aber auch nicht an“, meint Buhrow dazu. Große Hoffnungen legt der WDR auch in «Meuchelbeck» – eine sechsteilige Serie von Zieglerfilm, die aus Sicht von Schönenborn durchaus mit Parallelen zu «Mord mit Aussicht» daherkommt.

Das vielleicht größte Lob seitens Buhrow und Schönenborn erntet aber die Sendung «Kurvenklänge». In ihr interpretiert das WDR Funkhausorchester in den Kurven der fünf NRW-Bundesligastadien die jeweilige Fanhymne auf eine unbekannte Art und Weise. Für Tom Buhrow ist die Sendung ein klassisches Cross-Mediales Format, das seiner Meinung nach vor allem über das Internet Verbreitung finden wird. Jörg Schönenborn gesteht sich ein, das Material der Sendung schon mehrfach angeschaut zu haben und immer wieder gerührt gewesen zu sein. „Das ist der WDR, wie man ihn nicht kennt und wir werden damit viele Menschen erreichen, die uns nicht kennen. Insofern eine geniale Idee“, erklärt Schönenborn.

Das ist der WDR, wie man ihn nicht kennt und wir werden damit viele Menschen erreichen, die uns nicht kennen. Insofern eine geniale Idee
Jörg Schönenborn
Unkonventionell wirkt das Spät-Format «Begehren», das bis jetzt weniger Aufmerksamkeit gefunden hat und sich am späteren Abend mit Liebe und Sex beschäftigen soll. Neben den vielen neuen Sendungen soll aber auch das reguläre Programm mit Überraschungen aufwarten. So wird am Montag im Rahmen von «markt» die «Politiker-WG» laufen – sicherlich auch eines der Highlights der nächsten Tage.

Aber was möchte der WDR mit den neuen Sendungen erreichen? Was muss geschehen, damit die Programmoffensive als Erfolg eingeht? Schönenborn: „Es geht nicht um den Gesamtmarktanteil, sondern darum, wie viele Menschen mit den Formaten in Kontakt kommen.“ Wichtig sei in dem Zusammenhang auch das Erreichen von Menschen, die sonst nichts mit dem WDR zu tun haben.
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Genau aus diesem Grund möchte man in den kommenden Tagen Werbung über die eigenen Radiostationen und soziale Netzwerke machen. Sowohl durch den Slogan der Offensive „WDR – Macht den Westen an“ und den Hashtag „#machtan“ erhofft sich der öffentlich-rechtliche Kanal Aufmerksamkeit – gerade von den Menschen im Alter zwischen 30 und 55 Jahren. Bei alledem nehme man in Kauf, dass der eine oder andere WDR-Stammzuschauer in den nächsten Tagen überrascht sein könnte.

Am Rande der Programmpräsentation äußert sich Jorg Schönenborn auf Nachfrage der anwesenden Journalisten auch zur Einstellung von «Hier und heute». Seine Begründung: Die Grundidee der Sendung passe nicht mehr in die heutige Zeit. „Das ist keine Spar-, sondern eine programmliche Wertentscheidung. Diese 15 Minuten waren über viele Jahre exzellentes Programm, aber heute ist Vertiefung etwas anderes“, erklärt Schönenborn. Das dem so ist, zeigten nicht zuletzt die gesunkenen Quoten. Zudem bekräftigt er, dass die Sendung nicht tot sei. In all den Jahren habe das Format viele verschiedene Formen gehabt. "Die jetzige Form ist 17 Jahre alt. Es wird «Hier und heute» weiter im Programm geben als 30 Minuten Landesreportage am Montagabend auf einem Super-Sendeplatz“, so der Fernsehdirektor.

Quotenmeter.de wird die Programmoffensive des WDR in den nächsten Tagen ausführlich begleiten. Schon am Donnerstag lesen Sie bei uns ein Interview mit Kathrin Vogler (Die Linke), Mitbewohnerin der "Politiker-WG". Am Sonntag haben wir für Sie ein Interview mit Micky Beisenherz («Das Lachen der Anderen»).
18.08.2015 11:15 Uhr  •  David Grzeschik Kurz-URL: qmde.de/80171