Die erste Folge nach der Sommerpause bildete die Freuden und Enttäuschungen der vergangenen Jahre ziemlich gut ab. Raab drohte zunächst wieder, in der lähmenden Routine zu versinken - bis er plötzlich dank eines überraschenden Telefonats merkte, dass er auch Spaß an seiner Show haben kann.
Stefan Raab wird bekanntlich Ende dieses Jahres seine TV-Karriere beenden, womit aller Wahrscheinlichkeit nach auch unter seinem Kult-Format
«TV total» ein Schlussstrich gezogen werden dürfte. Ob man dies bedauern muss, kann in Anbetracht der rapide gesunkenen Innovationsbereitschaft in den vergangenen Jahren durchaus in Frage gestellt werden. Auf der anderen Seite präsentierte sich das Format immer dann stark, wenn der Moderator plötzlich Interesse an einem Thema, einer Aktion oder einem Gast entwickelte und aus seinem viermal wöchentlich abgefilmten Dornröschenschlaf vor laufender Kamera temporär erwachte. Das Bemerkenswerte an der Auftaktfolge in die neueste Staffel war das direkte Aufeinandertreffen beider Extrema: Der Entertainer legte zunächst eine beinahe aufreizende Lustlosigkeit an den Tag - und lief im zweiten Teil der Sendung dann doch noch fast zur Höchstform auf. Hauptverantwortlich hierfür: Ralf Möller. Und Arnold Schwarzenegger.
Kommen wir zunächst zum eher traurigen Teil: Als Raab-Fan dürfte man gewiss keine Wunderdinge erwartet haben, auch die Hoffnungen auf ein neues oder zumindest aufgefrischtes Studio hat man längst als illusorisch ad acta gelegt. Doch was Raab in seinem etwa 20 Minuten langen Stand-Up-Teil ablieferte, lässt sich überspitzt beinahe schon als Arbeitsverweigerung deklarieren. Bis auf einen Einspieler, der zumindest oberflächlich einige Themen der Sommerpause nochmal zur Erwähnung bringt, wird hier die gleiche fade Soße abgeliefert wie an jedem beliebigen Tag inmitten einer Staffel. Ein paar Kuriositäten aus der Tierwelt, ein paar Schlagzeilen aus den Medien, ein paar schale Gags zu Engländern, Kim Jong-Un und Frauenfußball - so kann man sich die Aufbereitung der vergangenen Monate in etwa vorstellen. Garniert wird diese Hausmannskost noch mit der altbekannten Rubrik "Kalenderblatt" und einem Promo-Clip zum anstehenden «Bundesvision Song Contest».
Sollte hier bereits aus lauter Enttäuschung darüber, dass sich Raab und das Team hinter ihm kaum darum bemüht haben, zumindest zu Beginn der letzten Staffel mal den einen oder anderen Überraschungsmoment einfließen zu lassen, den Sender gewechselt haben - man könnte es dem- oder derjenigen kaum verübeln. Ein Fehler wäre es dennoch gewesen, denn mit Ralf Möller betritt etwa zur Show-Mitte ein Gast das Studio, der offenkundig gut mit Stefan Raab harmoniert. Vorrangig möchte Möller sein neues Online-Fitness-Programm promoten, weshalb die ersten Minuten des Talks noch ein wenig schwerfällig geraten. Dann aber erklärt sich der Schauspieler bereit, Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger über sein Smartphone anzurufen - und Raab ist auf einmal wie ausgewechselt. Dabei mag die Grußbotschaft Arnies noch so banal sein, dem Showmaster reicht bereits der Umstand aus, ihn kurz live in seiner Sendung gehabt zu haben, um völlig aus dem Häuschen zu sein.
«TV total» im Jahr 2015 - ein Verlust für Fernseh-Deutschland?
Was in diesem Zuge immer wieder verblüfft: Sobald es jemandem gelingt, Raab aus seiner routinierten Gleichgültigkeit gegenüber Format, Zuschauer und Gast zu reißen, ist der weitere Gesprächsverlauf quasi ein Selbstläufer. Statt abweisender "ja... ja... okay... hmmm"-Antworten schenkt er Möllers Promo-Gerede zu seinem Fitness-Programm nun ernsthaftes Interesse, beginnt eine kurze Diskussion, albert mit ihm herum, brüllt ihn im Scherz an, als dieser ihn auf seine vor Jahren getätigte Aussage, er wolle an «Hai-Alarm auf Mallorca 2» partizipieren, verweist und beendet seine Sendung schließlich am Saxophon musizierend. Das alles mag kein Meilenstein der TV-Unterhaltung sein, doch es vermittelt dem Rezipienten das Gefühl von Kurzweil und Spaß. Und ein spaßiger Stefan Raab hat auch im Jahr 2015 noch immer die Gabe, die Massen vor den heimischen Fernsehgeräten mitzureißen.
Insofern kann man sicher von einem alles in allem recht gelungenen Saison-Debüt von «TV total» sprechen, der allerdings mehr dem Glück zuzuschreiben ist, mit Ralf Möller einen sehr guten und im TV-Business erfahrenen Gast gehabt zu haben, der für starke Show-Momente auch bereit ist, das ungeliebte Promo-Gerede in den Hintergrund zu rücken. Rückt man den Fokus hingegen auf die Performance von Produktion und Moderator, ist zu konstatieren, dass hier offenbar auch auf der Zielgeraden wenig Bereitschaft herrscht, aus dem Stillstand auszubrechen und sich noch einmal für ein paar Monate gezielt um große Show-Momente zu kümmern. Insofern wird man wohl weiter vorrangig auf starke Gäste hoffen müssen, möchte man mehr als 0815-Witzchen, 0815-Einspieler und 0815-Aktionen erleben. Mit dieser Taktik fährt das Format seit Jahren aus Quotensicht durchaus respektabel, zuletzt sogar mit aufsteigender Tendenz. Und die wenigsten angehenden Pensionäre sind dazu bereit, kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben noch einmal verkrustete Strukturen aufzubrechen - wieso sollte es da «TV total» anders gehen?