«Unser Tag», «Mila», «Frauenherzen»: Abgesetzt. Hätten diese Flops verhindert werden können? In wie weit muss Nicolas Paalzow die Flops auf seine Kappe nehmen? Und welche Lösungsansätze gibt es nun für den Sat.1-Vorabend? Ein Scheitern in fünf Akten.
Für Sat.1 und von dem Bällchensender abhängige Produktionsfirmen kommt es jetzt wieder ganz dicke. Mit dem Magazin
«Unser Tag» und der täglichen Serie
«Mila» sind die nächsten zwei Vorabend-Neustarts gefloppt. Sat.1 bewies hier – wegen wirklich katastrophaler Quoten – auch kein langes Durchhaltevermögen, zog nach nur zwei Wochen den Schlussstrich. Das im Februar gestartete Skandal-Format
«Newtopia» hielt immerhin fünf Monate durch. Und dennoch stehen die Programmmanager von Sat.1 am Vorabend wieder genauso blank da wie vergangenen Herbst. Übrig geblieben ist einzig das oftmals unterschätzte «In Gefahr», das zwischen 18.00 und 19.55 Uhr nun im Alleingang für heitere Quoten sorgen soll.
1. Neuer Chef, gleicher Ansatz, ähnliches Ergebnis.
Dabei wären zumindest die letzten beiden Flops vermeidbar gewesen; indem man sie gar nicht bestellt oder zumindest anders platziert hätte. Dass die immer wieder wechselnden Sat.1-Chefs in gewissen zeitlichen Abständen dieselben Ideen für die Bestückung des Programms haben, ist verständlich. Verwunderlich aber ist, dass sie immer wieder die gleichen Fehler machen, ohne etwa zurück zu schauen. So war schon vor zwei Wochen das Risiko eines «Mila»-Flops überall außerhalb der Senderzentrale als außerordentlich hoch eingeschätzt worden. Das Beispiel «Anna und die Liebe» hatte vor sieben Jahren bereits gezeigt, dass sich dieser Sendeplatz wegen der Konkurrenz von «Alles was zählt» für eine neue Soap nicht eignet. Inzwischen ist die Konkurrenz durch das bei den ganz Jungen beliebten «Berlin – Tag & Nacht» sogar noch größer geworden.
2. It's all about Character
Inhaltlich hat «Mila» zudem auf all das gesetzt, was Vorgänger eher schwach gemacht hatte. Der Kuschelfaktor, der in den Hallen von Sat.1 immer ganz hoch eingeschätzt wird, wurde erneut viel zu groß geschrieben. Alle hatten sich irgendwie lieb, blieben entsprechend aber farblos und hatten eine zu niedrige Fallhöhe. Die Geschichten und Probleme (das #HeartMagazine etwa, das dringend auf 250.000 Klicks kommen müsse, um Investoren zu befriedigen) waren mitunter massiv konstruiert – und in manchen Folgen passierte auch gerne mal gar nichts. Da war das Highlight schon, dass Jochen Schropp als flirtwilliger Boy unter falschem Namen seine Nase in die Kamera hielt. Ein Blick zurück macht deutlich, dass schon andere Soaps unter derartiger Harmlosigkeit litten, etwa «Schmetterlinge im Bauch», die Flughafen-Telenovela, in der sich der Bösewicht doch tatsächlich erlaubte als Fiesheit der Woche einige Blatt Papier zu verstecken, um die Hauptfigur in Misskredit zu bringen. Bei RTL wird betrogen, gemordet und intrigiert - nur in Sat.1 kuscheln sogar die Bösen.
3. Wie weit geht der Blick über den Tellerrand hinaus?
Der Flop «Mila» hätte von der Geschäftsführung also verhindert werden können – dass sie es nicht getan hat, zeugt von einer gewissen Beratungsresistenz. Welche Ergebnisse die Marktforschung auch immer gebracht haben mag, allein ein Blick auf die Quotenhistorie von Romantic Comedys in der Primetime zeigt eigentlich, dass die Münchner dieses Genre in den zurückliegenden Jahren massiv überstrapaziert haben und eher die weniger heiteren Formate zuletzt punkteten. All das hat man in Unterföhring aber außer Acht gelassen und inhaltlich die vielleicht schwächste Sat.1-Daily aller Zeiten umgesetzt.
4. Nutze, was du hast!
Erstaunlich, wie oft sich «Mila» im Nichts und im puren Non-Sense verlor. Erzählt wurde behäbig und fast aus einer Schock-Starre heraus. Die Möglichkeiten, dass nicht im Studio, sondern in einem echten Berliner Haus gedreht wurde, wurden kaum eingesetzt, um dem Zuschauer diese Nähe zur Realität zu vermitteln. Wohl überschätzt hat man auch die Zugkraft von Ex-«GZSZ»-Star Susan Sideropoulos, deren TV-Pause vielleicht einige Monate zu lang ausfiel.
5. Überheblichkeit wird bestraft
Ähnliches gilt beim TV-Magazin «Unser Tag», deren Chefs im Vorfeld die befremdliche Aussage tätigten, ihr Magazin brauche kein Alleinstellungsmerkmal. Angelehnt an den Erfolg der vielen Ranking-Shows wurde stattdessen auf einen wirren Mix aus etlichen Themen gesetzt, meist planlos aneinandergebaut: Da finden sich kiffende Jugendliche neben einem Beitrag über eine ungeschminkte Ex-«Bachelor»-Kandidatin oder „Dislike-Button“ von Facebook auf ein „krasses“ Handyvideo von einem Unfall mit einem Schulbus und einem Zug. Anmoderiert wird alles von Mara Bergmann, die am allerwenigsten für den Schlamassel kann und in einem in Brauntönen gehaltenen Studio Beitrag um Beitrag ansagen muss. Wohlfühl-Atmosphäre im Studio war von den Machern nicht gewollt, stattdessen wählte man einen Mix aus Müncher Chic und Kölner Plastik im Hintergrund. Auf das Moderationspult wurden fünf Tageszeitungen gelegt – und fertig. Im Hintergrund ein paar Kerzen und Vasen auf einer Treppe, die genau wie das Konzept der Sendung an einer Wand endet.
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Beim neuen Sat,1-Magazin gab es ganz bewusst keine Kuschelcouch und keine knalligen oder zu warmen Farben. Man wollte flexibel bleiben und ein Studio auch für unbequeme und traurige Themen designen. Herauskam ein biederes Braun, das dominierte und eine Treppe, die im Hintergrund ebenso ins Nichts führte wie das komplette Format. Immerhin das also passte.
Inhaltlich vertraute man wohl sehr auf «Mila», in dem man den Einstart um 19.30 Uhr immer dem übergeordneten Episodeninhalt anpasste. Auch das ging schief und auch das hätte verhindert werden können. Noch nie hatte überhaupt irgendwer mit einem Magazin um 19.30 Uhr Erfolg. Man sendet somit nach «taff», nach «Brisant», nach «Hallo Deutschland», nach «Exklusiv» und «Explosiv». Nur «Prominent» ist noch später dran und reißt damit auch keinen vom Hocker. Auch diese Signale sind von Sat.1 überhört worden.
Das Fazit:
Es geht bei der Kritik an Sat.1-Formaten oftmals gar nicht um die eigentliche Idee. Eine gute Soap hätte funktionieren können. Ein gutes Magazin, mit neuen Ansätzen und zu anderer Zeit, auch. Selbst eine frauen-affine Serie wie «Frauenherzen» hätte man mit viel Fantasie zum Erfolg schreiben können. Beim Bällchensender hapert es aber an der Umsetzung und an den strengen Richtlinien. Es darf halt nichts zu dunkel oder zu finster sein. Vielleicht ist es das «Blackout»-Trauma – dafür aber müsste sich die Redaktion des Senders überhaupt erst an den großen Serien-Flop aus der Schawinski-Zeit erinnern. Und Vergangenheit aus der man lernen kann, scheint es bei Sat.1 ja nicht zu geben.
Und so wird man im Frühjahr 2016 vielleicht die nächste austauschbare Quizshow starten, mit oder ohne Wissen, dass das inhaltlich ebenfalls schwache «Ab durch die Mitte» vor Jahren im Fußboden versenken musste. Ja, woher sollen das die Chefs auch wissen? Paalzow, seit Ende 2012 und somit überdurchschnittlich lang im Amt, hatte seit Anfang 2007 fünf Vorgänger. Alle mit eigenen Ideen und Vorstellungen. Alle mit unterschiedlichen Vorlieben. Für Show, für Serie, für Magazin, für große Fiction. Alle aber mit der Schockstarre, die den Sender inzwischen ausmacht. «Newtopia» scheint genug der negativen Schlagzeilen, für schlimme Überschriften für das ganze Jahr geliefert zu haben.
Ausblick:
Nummer-sicher-Fernsehen ist in München wieder angesagt. Ob eine Führungscrew, die die eigene Vergangenheit des Unternehmens aber nicht kennt, wirklich erfolgreich arbeiten kann, wird sich zeigen. Und so lange wird man sich in München wünschen: Wäre doch 52 Wochen lang im Jahr «Promi Big Brother». Aber das kann ja noch kommen, wenn man sich denn noch an die Erfolge von vor einem Monat erinnert…