Große Netflix-Studie: Wann krallt einen eine Serie?

Der Streaming-Anbieter hat genau nachgeforscht und will nun wissen, an welchen Punkten, die Zuschauer eine neue Serie nicht mehr loslassen konnten. Interessant: Nie war es schon während des Piloten.

Serien und ihre 'Schlüsselfolgen', ab denen Nutzer eine Serie verschlingen, statt sie gelegentlich zu gucken

  • «Mad Men» 6. Folge
  • «Breaking Bad» 2. Folge
  • «Bates Motel» 2. Folge
  • «Orange is the New Black» 3. Folge
  • «Unbreakable Kimmy Schmidt» 4. Folge
  • «Daredevil» 5. Folge
  • «Pretty Little Liars» 4. Folge
*Hinweis zur Studie: Die Ergebnisse von Netflix ergaben keine genauen Momente in der Handlung, sondern lediglich die jeweilige Folge.
Seine Zuschauer genau analysieren, das kann der Streaming-Anbieter Netflix. Im Vorfeld der Produktion von «House of Cards», so zumindest sagt man, hätten die Algorithmen der Online-Videothek ergeben, dass eine Politserie mit Kevin Spacey ein TV-Hit werden könnte. Und so kam es. Nun legt der Anbieter erstmals eine umfassende Studie vor, ab wann die Menschen eine Serie in ihr Herz schließen und diese nicht mehr loslassen können. Netflix sieht, wenig überraschend, durch die Ergebnisse vor allem sein eigenes Geschäftsmodell bestätigt. Denn: Nie passiert dies schon während der Pilotfolge. Die aber wird ja in der Regel von den TV-Sendern als besonders wichtig erachtet. In Amerika, dem Netflix-Mutterland, ordern die Chefs der großen Sender zunächst nur Piloten, um nach deren Sichtung über eine weitere Order zu beraten.

Frühestens in Folge zwei, spätestens in Folge acht, falle beim Publikum der Groschen. Besonders lange dauere es etwa bei der Serie «Arrow», die die Zuschauer angeblich erst zur achten Episode an sich bindet, als Oliver seiner Herzensdame Helena begegnet, auch bekannt als eine Verbrechensbekämpferin mit dem Spitznamen Huntress. Bei «How I Met Your Mother» sei ein Plot zwischen Lily und Marshall ausschlaggebend gewesen, passiert ebenfalls erst in der achten Folge, als sie in die Wohnung von Ted und Marshall zieht, Ted seine Wohnung aber wie sein eigenes Revier verteidigt. Schneller verfallen seien die Zuschauer übrigens der Serie «House of Cards», jener Netflix-Eigenproduktion, die den kometenhaften Aufstieg des Dienstes angestoßen hat.

Hier habe es während der dritten Folge Klick gemacht: Frank verlässt in besagter Episode die Gewerkschaftsverhandlungen in Washington, D. C., um sich regionalpolitischen Angelegenheiten in South Carolina zu widmen, was kein leichtes Unterfangen ist. Genauer gesagt ist das Problem in diesem Fall ein Wasserturm in Form eines Pfirsichs. Doch keine Sorge – Zoe küsst seine Probleme fort. Noch schneller sei das Publikum von «The Walking Dead» angefixt gewesen: Hier sei die entscheidende Stelle in Folge zwei vorgekommen, als die Gruppe um Rick weitere Überlebende sucht und in einem Shoppingcenter im von Zombies überrannten Atlanta Trost findet. In «Breaking Bad» könnte es also der Moment gewesen sein, in dem Jesse und Walt eine Münze warfen, um zu entscheiden, wer von ihnen den Drogenhändler Krazy 8 umlegen muss. Als es dann jedoch die zersetzten menschlichen Überreste eines einstigen Drogendealers von Jesses Decke regnete, wollte das Publikum unbedingt wissen, was für ein Ende die Staffel nehmen würde (Folge 2).

Als Schlüsselfolge bezeichnet Netflix die Episoden, nach deren Betrachtung mindestens 70 Prozent der Zuschauer auch den kompletten Rest der Staffel schauten. „Im traditionellen Fernsehen sind die besten Sendeplätze äußerst kostbar. Daher ist die Pilotfolge einer Serie der wohl wichtigste Moment im gesamten Serienablauf", lässt sich Ted Sarandos, der Chief Content Officer von Netflix, zitieren. „Unsere Analysen des Zuschauerverhaltens für über 20 Serien in 16 verschiedenen Märkten haben jedoch gezeigt, dass niemand bereits nach der Pilotfolge ein überzeugter Anhänger der Serie war. Dies stärkt unsere Zuversicht, dass die Bereitstellung von sämtlichen Folgen auf einmal der Bildung von Fangemeinden besser entgegenkommt."

„Wenn man eine Serie für Netflix erschafft, stellt sich ein einzigartiges Gefühl der Vertrautheit ein. Das Wissen, dass man die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuschauer genießt und dass diese die jeweiligen Charaktere in ihrem Zuhause willkommen heißen, gestattet uns, die Entfaltung der Handlungsstränge in einem natürlicheren Tempo zu vollziehen“, sagt Marta Kauffman, Showrunner der Serie «Friends» und der Netflix-Sitcom «Grace & Frankie». „In der vierten Folge haben Grace und Frankie keine andere Wahl mehr, als sich direkt mit ihrer Angst, ihrer Wut und ihrer Unsicherheit auseinanderzusetzen, was für mich als Serienschöpferin ein geeigneter Wendepunkt war, um den Schwerpunkt der Geschichte ab diesem Moment auf die Zukunft und nicht mehr auf die Vergangenheit zu legen. Es ist schön zu wissen, dass uns die Zuschauer bei diesem Prozess eng begleitet haben.“

Übrigens – kleine weltweite Unterschiede konnte Netflix feststellen, wenn auch die Schlüsselfolgen meist in allen Ländern die gleichen waren. So schienen die Niederländer den Serien im Durchschnitt am schnellsten zu verfallen, da es für sie unabhängig von der Serie jeweils eine Folge vor den meisten anderen Ländern kein Zurück mehr gab. Die Deutschen waren der Serie «Arrow» der Studie nach recht früh verfallen, wohingegen die Franzosen als Erstes dem Charme des Serienhits «How I Met Your Mother» erlagen.
24.09.2015 14:03 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/80975