Quotenmeter.de spricht mit «Dr. Klein»-Neuzugang Renan Demirkan über ihre „poetische Sendung“, den Sinn oder Unsinn von Presseinterviews und ihren Anreiz, Serien zu drehen.
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Alles in allem hört sich diese Kontroverse für mich an, wie eine Sache, die so nur im Sommerloch hochkochen kann.
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Renan Demirkan über die Debatte rund um Promo-Interviews
Bevor wir auf «Dr. Klein» zu sprechen kommen, möchte ich das Gespräch kurz auf die Meta-Ebene führen: Mir ist aufgefallen, dass Sie stets mit großer Energie und Freude in Interviews wie dieses kommen. Was ist ihr Geheimnis dahinter?
Ich finde solche Interviewtermine spannend! Es geht mir nicht darum, dauernd von mir und meiner Arbeit zu reden, aber ich mag es, anderen Menschen zu begegnen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Manchmal sind die Schnittmengen größer, manchmal sind sie geringer. Ich finde es faszinierend, dass gelegentlich sofort Sympathie da ist und man direkt einen Draht zueinander findet. Ich habe großes Interesse an meinen Mitmenschen, und daraus ziehe ich meine Freude an solchen Terminen. Dass sich dann alles zumeist um mich und meine Arbeit dreht, gehört einfach zu meinem Beruf dazu – und von ihm lebe ich ja. Und Sie als Journalist leben ja auch von solchen Begegnungen. Daher bin ich verwundert, dass Sie mich das überhaupt fragen. (schmunzelt) Es gibt kein Geheimnis dahinter, ich bin einfach gerne in diesem Job!
Der Grund, dass ich frage, ist folgender: Diesen Sommer hat sich eine relativ große Diskussion über das Modell solcher Interviews entwickelt. Gemeint sind also Interviews, die kurz vor dem Start einer neuen Serie oder eines neuen Films stattfinden.
Oh, das habe ich nicht mitbekommen. Wie kam es denn dazu?
Die Kurzform ist folgende: Diesen Sommer kam es bei den Promo-Pressetouren einiger großer US-Filme wiederholt zu sehr peinlichen Momenten. Es wurden seitens der Schauspieler Sachen missverständlich ausgedrückt, und dafür mussten sie sich im Internet großen medialen Prügel gefallen lassen. An anderer Stelle haben die Interviewer im Umgang mit den Promis ganz klar den Bogen überspannt – und daraufhin haben sich, sowohl im deutschen als auch im englischen Sprachraum, mehrere Schauspieler gegen dieses Konzept aufgelehnt.
Wie sahen diese Beschwerden dann aus?
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Alles in allem hört sich diese Kontroverse für mich an, wie eine Sache, die so nur im Sommerloch hochkochen kann.
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Renan Demirkan über die Debatte rund um Promo-Interviews
Es hieß: Sie seien ja Schauspieler geworden, um zu schauspielern, und nicht, um von einem Interview zum nächsten zu tingeln. Das würde sie von ihrem eigentlichen Job abhalten. Und auch in Journalistenkreisen wurde die Grundidee stark kritisiert: Da es solche, sagen wir mal, 'Promo-Interviewtermine' gibt, werden selten Interviews außerhalb dieser Termine genehmigt. Unsere Gesprächspartner sind an diesen aber oft, verständlicherweise, total geschafft, weil ihnen nach dem siebten Interview am selben Tag die Puste ausgeht. Was wiederum gelegentlich zu schlechteren Interviews führt. Weswegen sich nach der Schauspielerschelte gegen Interview-Massenterminen auch Kritik von Journalisten einreihte …
Ich kann mich da auf Anhieb schwer hineinversetzen. Denn, wissen Sie: Es ist mir eine gewaltige Freude, dass Sie sich für meine Arbeit interessieren. Sie nehmen mir keineswegs Lebens- oder Arbeitszeit. Dieser Termin ist für mich Teil meines Berufes, er ist allein dazu da, damit wir miteinander kommunizieren können. Und Kommunikation ist nicht nur elementar für Sie als Journalisten, sondern auch für mich als Schauspielerin – daher kann ich zumindest nicht verstehen, wie diese Kritik auch in Deutschland zustande kommen konnte. Über die Kollegen aus dem englischsprachigen Raum möchte ich kein Urteil fällen, denn ich kann mir denken, dass die mit den großen Blockbustern in einem ganz anderen System stecken als wir hierzulande. Aber selbst da dürfte sich die Lage, in der sich die Schauspieler befinden, von Projekt zu Projekt unterscheiden. Ich muss sagen: Wenn ich mit Steven Spielberg drehen dürfte, würde ich in jedem Dorf der Welt dafür Promo machen! Alles in allem hört sich diese Kontroverse für mich an, wie eine Sache, die so nur im Sommerloch hochkochen kann. Was ich aber total verstehe! Über irgendetwas wollen sich die Leute ja austauschen, und dann sei es halt über misslungene Interviews im US-Raum.
In Ihren Augen muss also nicht daran gerüttelt werden, dass es vorgeplante Interview-Termine gibt, an Stelle von individuell ausgemachten Terminen?
So etwas ist nun einmal nicht immer möglich. Es ist viel effizienter, wenn jemand das runter bricht, die Terminplanung für beide Parteien übernimmt und sagt: „An dem Tag kann ein Dutzend Interviews geführt werden!“ Ich mache das sehr gern, und da ich nicht nur Schauspielerin bin, sondern auch Buchautorin, kenne ich solch eine Situation wie heute auch aus ganz anderen Zusammenhängen. Wenn ich etwa auf Messen mein Buch vorstelle, ist das noch viel intensiver. Zwei Jahre lang war ich beim Schreiben wie auf einem anderen Planeten, und plötzlich muss ich mit vielen, vielen Menschen nicht nur über meine Arbeit sprechen. Sondern auch auf einer ganz anderen Ebene über mich selbst, da sehr viel Persönliches in meinen Büchern steckt.
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Ich bin dafür, dass jeder die Freiheit hat, individuell zu entscheiden. Darum sollten die Kollegen, die sich über dieses Modell beschweren und bislang so widerwillig mitgespielt haben, es ganz einfach offen sagen und aufhören, sich von ihren Agenturen dazu drängen zu lassen.
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Renan Demirkan über Schauspieler, die sich gegen Interviewtermine aussprechen
Was würden Sie dann Ihren Kollegen antworten, die sagen 'Interviews geben ist nicht Teil meiner Arbeit'?
Nichts kritisches. Wir sind alle verschieden. Jeder hat seine eigenen Schwerpunkte, und daher kann jeder zu Interviews stehen, wie er will. Ich empfinde es als ein Amuse-Gueule, mit Ihnen zu sprechen. Wenn jemand anderes aber von vornherein zu Presseinterviews sagt: „Njet!“, steht ihm auch das frei. Ich bin dafür, dass jeder die Freiheit hat, individuell zu entscheiden. Darum sollten die Kollegen, die sich über dieses Modell beschweren und bislang so widerwillig mitgespielt haben, es ganz einfach offen sagen und aufhören, sich von ihren Agenturen dazu drängen zu lassen.
Nach diesem Ratschlag für Ihre Kollegen, machen wir nun einfach den Bruch und kommen auf «Dr. Klein» zu sprechen. Was hat Sie dazu bewegt, wieder bei einer Serie mitzuwirken?
Was ich als Schauspielerin so schön daran finde, Serien zu drehen, ist dass ich für eine bestimmte Zeit Kontinuität in meiner Arbeit habe. Ich komme ja ursprünglich von der Bühne, und mein Antrieb ist dort, dass ich so an eine „Familie auf Zeit“ gelange. Für einige Zeit fest zu einer Gruppe zu gehören, ist ein erfüllendes Gefühl für mich. Und die einzige Möglichkeit, vor der Kamera dieses Gefühl zu erleben, ist die Arbeit an einem Serienformat. Vom 9. April bis zum 3. September war ich Teil der «Dr. Klein»-Familie, was ich sehr genossen habe! Ich hatte drei fantastische Regisseure, von denen jeder vollkommen anders ist. Jeder hat mir auf seine ganz eigene Art etwas mitgegeben, und das Ensemble um mich herum war wirklich hinreißend! Wenn an den Abschied denke, werde ich ganz wehmütig. Erst recht, weil ich nicht weiß, ob ich diese tollen Leute wiedersehen werde.
Es ist also unklar, ob sie für eine dritte Staffel zurückkehren würden?
Ja, es ist wie immer unklar. Es gibt eine Option, die habe ich zusammen mit dem Vertrag für die zweite Staffel von «Dr. Klein» unterschrieben. Ob davon Gebrauch gemacht wird, entscheidet sich aber erst im Januar 2016.
Auf der nächsten Seite spricht Renan Demirkan über ihren Mangel an Regieambitionen und ihre Gründe, bei «Dr. Klein» mitzuspielen.
Wenn Sie sagen, dass Theater-Engagements und Seriendrehs für Sie bedeuten, eine „Familie auf Zeit“ zu erlangen, was sind dann Kino- und Fernsehfilme für Sie?
Einzelfilme sind für mich ein Ausnahmezustand. Für eine bestimmte Zeit betritt man da eine Enklave, und die Zeit dort ist besonders intensiv. Gerade für jemanden wie mich, der sonst viel Multitasking betreibt, ist es dann was ganz Besonderes, weil da in wenigen Wochen extrem konzentriert gearbeitet wird. Einzelfilme sind auch daher ein Ausnahmezustand, gerade in psychosozialer Hinsicht, weil der Abschied genauso kalt ist, wie die Arbeitsphase einnehmend. Da weiß man: Wenn die letzte Klappe fällt, war es das. Da entsteht ein riesiges Loch im Herzen.
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Zeitverträge sind ein menschenverachtendes System, aber leider Gottes sind sie unser Schicksal. Besonders in der Kunst, wo die einzige Kontinuität in deiner eigenen Person gegeben ist.
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Renan Demirkan
Sind demnach Einzelfilme für Sie die härteste Aufgabe in Ihrem Beruf?
Sie sind auf jeden Fall eine Variation dessen, was hart in meinem Beruf ist. Zeitverträge sind ein menschenverachtendes System, aber leider Gottes sind sie unser Schicksal. Besonders in der Kunst, wo die einzige Kontinuität in deiner eigenen Person gegeben ist. Man muss für sich brennen, oder ein Ziel haben, oder etwas so intensiv mit diesem Beruf verbinden, um das auszuhalten. Für mich ist das nie eine Berufung gewesen, sondern die einzige Möglichkeit, um mich in der Welt zu bewegen. In Texten zu leben, ob ich sie schreibe oder spiele, ist für mich ein Bekenntnis. Und daher ist es für mich immer ein Verlust, wenn die Arbeit endet – erst recht, weil ich vom Wesen her so ein treuer Mensch bin und daher Abschiede schwernehme. Doch das, worauf Sie hinauswollen, stimmt durchaus: Für mich, ganz persönlich, ist die intensive Zusammenarbeit beim Film das, was zu den härtesten Abschieden in meinem Beruf führt.
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Es ist eine poetische Sendung, wie ein inspirierendes Kalenderblatt. Sie wirft moralische Fragen auf, denen wir uns in unserem Alltag andauernd stellen müssen, aber sie macht es so unterhaltsam, dass es Antrieb gibt, statt niederschmetternd zu sein.
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Renan Demirkan über «Dr. Klein»
Um wieder auf «Dr. Klein» zurückzukommen: Sie sagten ja, dass Sie wieder eine Serie drehen wollten, um das besagte „Familie auf Zeit“-Gefühl zu erlangen. Wieso haben Sie sich speziell für diese Serie entschieden? Als sehr leichtfüßige, unterhaltsam-herzliche Sendung sticht sie aus Ihrer üblichen Vita ja durchaus heraus …
Da haben Sie absolut Recht. Es ist so, dass ich «Dr. Klein» nicht gekannt habe, bevor ich für die neuen Folgen angefragt wurde. Generell schaue ich wenig Fernsehen, und besonders mit 45-minütigen Formaten, die am Nachmittag oder Vorabend weggesendet werden, tu ich mich schwer. Aber ich schwöre Ihnen: Als ich nach der Anfrage die komplette erste Staffel an einem Nachmittag durchgeguckt habe, habe ich mich gefragt: „Was habe ich da nur verpasst, und warum?“ Es ist eine poetische Sendung, wie ein inspirierendes Kalenderblatt. Sie wirft moralische Fragen auf, denen wir uns in unserem Alltag andauernd stellen müssen, aber sie macht es so unterhaltsam, dass es Antrieb gibt, statt niederschmetternd zu sein. Und was mir sehr gefällt: Die gesamte Belegschaft besteht aus Minderheiten, und niemand nimmt daran Anstoß. Ich kenne kein anderes Format in Deutschland, dass meiner Idealvorstellung der Zukunft so nahe kommt. Wir haben in «Dr. Klein» eine unglaublich schöne Lebenssymbiose, und daher wollte ich unbedingt Teil der neuen Staffel sein.
Spielten auch die gesundheitlich schweren Monate, die Sie durchstehen mussten, eine Rolle, dass Sie nun an einer so positiven Sendung mitwirken wollten?
Das war sicherlich unterbewusst auch ein Teil meiner Entscheidung. Aber viel wichtiger war mir, an einer Serie mitzuwirken, die so viele moralischen Aspekte anspricht, ohne den Anspruch zu erheben, im Alleingang die Welt zu verändern. Die Serie begnügt sich damit, einem für 45 Minuten das Gefühl zu geben, die Welt sei bereits dabei, sich zum Besseren zu wenden – und das ist so ein schönes, inspirierendes Vorhaben!
Sie meinten vorhin, dass jeder der drei Regisseure ganz anders gearbeitet hat. Wie hat sich dies denn geäußert?
Der erste Regisseur, Gero Weinreuter, ist ein Beobachter. Er hat mich dazu gebracht, dass ich dann ebenfalls ein strenges Auge auf mich geworfen habe. Wir haben zudem versucht, meine Figur langsam in die Serie hinein zu synchronisieren, sie zu einer Beobachterin des ihr noch fremden Umfelds zu machen, Die zweite Regisseurin, mit der wir gearbeitet haben, Käthe Niemeyer, hat mich zur Seite genommen und vor dem ersten Dreh mit mir beim Essen die Figur der Prof. Dr. Nevin Gül haarklein auseinandergenommen. Weil meine Rolle in der zweiten Staffel neu dazustößt, befand Käthe, dass wir sie von innen heraus aufbauen müssen, um ihr ein individuelles Standing zu geben. So hat sie in den mittleren vier Folgen ein eigenes Gesicht erhalten, nachdem sie sich in ihr Umfeld integriert hatte und somit nicht mehr fremd war. Die vier letzten Folgen, die Rainer Matsutani inszeniert hat, sahen dann so aus, dass wir an dem Bestehenden weiter gefeilt haben.
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Ich bin kein Regie-Mensch. Daran habe ich nie Interesse gezeigt. Ich ziehe Arbeit vor, der ich mich nicht fragmentarisch nähern muss. Daher bin ich als Schauspielerin nicht die Einfachste. Ich will immer die Zusammenhänge begreifen.
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Renan Demirkan
Haben Sie selber Ambitionen, zusätzlich zum Schauspielern und Schreiben auch die Tätigkeit des Regieführens hinzuzufügen?
Nein, keinesfalls! Ich bin kein Regie-Mensch. Daran habe ich nie Interesse gezeigt. Ich ziehe Arbeit vor, der ich mich nicht fragmentarisch nähern muss. Daher bin ich als Schauspielerin nicht die Einfachste. Ich will immer die Zusammenhänge begreifen. Und als Regisseurin muss man ja dagegen jedes noch so kleine Fragment einer Produktion beachten. Zudem reizt mich die Machtposition der Regie überhaupt nicht. Meinethalben könnte sich mein ganzer Beruf allein auf der Probebühne abspielen, die für mich einen unvergleichlichen Ort darstellt. Frei Dinge ausprobieren zu dürfen, finde ich wunderbar. Menschen zu sagen, was sie tun sollen, finde ich dagegen schrecklich.
Was ich viel lieber mache, ist es, eine Idee zu entwickeln, ein Programm zu schreiben, daraufhin die Leute mit an Bord zu holen, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde, und die auch mit mir arbeiten wollen, und dann im Team dieses Programm genauer zu erarbeiten. So wie es bei «Respekt» der Fall war, das im Kölner E-Werk in Kooperation mit 50 Leuten entstanden ist. Das war eine Form, bei der ich mit transdisziplinären Mitteln, wie Ballett, Musik, Sprache und Videoinstallationen, versucht habe, das Verbindende im Transkulturellen aufzuzeigen. Ich habe da als Erfinderin des Gedanken zwar sagen müssen: „So soll das sein!“, aber jeder hat in seinem Genre das getan, von dem er denkt, dass es den Ursprungsgedanken am besten widerspiegelt. Ich war keine Regisseurin, und habe nicht zu den Ballettkünstlerinnen gesagt: „Tanz so!“ Ich war die Ideengeberin und habe sie gefragt: „Wie tanzt du, um dieses und jenes auszudrücken?“ Das mache ich gerne. Regie führen, das werde ich tunlichst vermeiden!
Vielen herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
«Dr. Klein» ist ab dem 2. Oktober immer freitags ab 19.25 Uhr im ZDF zu sehen.