Bestenfalls ein Generikum...

Die neue CBS-Serie «Code Black», angesiedelt in einer pausenlos überlasteten Notaufnahme, kann sich kaum von der Überproduktion ähnlicher Formate abheben. Unser First Look:

Cast & Crew

Produktion: Michael Seitzmann's Pictures, Tiny Pyro, ABC Studios und CBS Television Studios
Schöpfer: Michael Seitzman
Darsteller: Marcia Gay Harden, Luis Guzman, Raza Jaffrey, Bonnie Sommerville, Melanie Chandra, William Allen Young u.v.m.
Executive Producer: Michael Seitzman, David Semel, Linda Goldstein-Knowlton, Marti Noxon und Ryan McGarry
Wenn in einer amerikanischen Notaufnahme der „Code Black“ ausgerufen wird, geht nichts mehr. Dann reichen die (personellen) Ressourcen nicht mehr aus, um für alle Patienten eine umfassende medizinische Versorgung zu gewährleisten. Im landesweiten Durchschnitt landet eine Notaufnahme jährlich fünf Mal in einer solchen Situation. Im fiktiven „Angel’s Memorial Hospital“, in dem «Code Black» angesiedelt ist, wird die Hiobsbotschaft dagegen dreihundert Mal im Jahr ausgerufen.

Das klingt sehr nach Missmanagement. Und zumindest auf Dauer werden die Autoren es schwer haben, die permanente Überbelegung und Unterversorgung als den Normalzustand zu präsentieren. Denn auch die geistig weniger wachen Zuschauer werden sich spätestens nach ein paar Folgen fragen: Wieso stellt die Klinikleitung vor dem Herrn nicht einfach ein paar Ärzte mehr ein?

Aber gut, tun wir so, als glaubten wir das alles. Müssen wir bei «Grey’s Anatomy» ja auch.

Doch «Code Black» hat noch zahlreiche weitere Probleme. Unter anderem, dass es sich kaum von Produktionen mit ähnlichen Settings abheben kann. Sicher: Das permanente Überbelegungsszenario, bei dem sich die Figuren zweimal überlegen, wo sie welche Ressourcen aufwenden, soll die Fallhöhe etwas weiter steigern als bei «ER». Im Zuge dessen wurde wohl auch darauf verzichtet, das Leben der Charaktere außerhalb der Notaufnahme zu zeigen, und entsprechende Hintergründe wurden im Piloten nur kurz angerissen; vielleicht, um sich ein wenig von «Grey’s Anatomy» und seinen Nachbauten abzugrenzen.

Und doch fühlt sich «Code Black» sehr generic an, und kommt trotz stimmiger (aber wohl zu beliebiger) Spannungsbögen und auch nicht ganz uninteressanter Figuren seltsam seelenlos daher.

Allein, dass die Serie an dieser Stelle bisher akkurat beschrieben werden konnte, ohne ihre Protagonisten im Detail vorzustellen, spricht wohl schon Bände. Tun wir es trotzdem, wenn auch weniger aus Relevanz, sondern eher aus Pflichterfüllung: Dr. Leanne Rorish ist leitende Ärztin in jener seltsam ineffizient gemanagten Notaufnahme und bewahrt auch noch einen kühlen Kopf, wenn überall die Alarmsirenen schrillen. Sie gibt klare Anweisungen und hat keine Zeit für allzu viel unnötigen Chit-Chat. Ist klar: Hier geht es um jede Sekunde. Auf die meisten ihrer Kollegen wirkt sie dadurch sehr unterkühlt. Das hat Gründe: Denn durch ein nicht näher spezifiziertes Unglück hat sie viele Menschen verloren, die ihr nahestanden.

Ihr zur Seite steht Chefpfleger Jesse Salander, bei dem ebenso jeder Handgriff sitzt. Doch er wirkt zugänglicher als Rorish – und wird so schnell zum vielleicht wichtigeren Ansprechpartner für die jungen Mediziner, die im „Angel’s Memorial“ ihre Residence absolvieren. Der Pilot führt vier solcher Figuren ein; wir können uns ihre Aufzählung sparen. Denn obwohl sie nett und sympathisch wirken, sind sie in erster Linie doch auch: zu beliebig, zu stereotyp, zu tausendmal-schon-so-ähnlich-gesehen.

Einen dicken Bonus kann «Code Black» nur bei seinen Schauspielern einfahren, insbesondere den beiden sehr fähigen Hauptdarstellern Marcia Gay Harden und Luis Guzman, die am stärksten aus diesem generischen Mischmasch herausstechen können. Auch wenn ihrem Talent spätestens bei dialogisierten Allgemeinplätzen („You’re the doctor they want. I’m the doctor they need.“) Grenzen gesetzt sind.

Letztlich ist «Code Black» nicht einmal eine schlechte Serie. Die Plots sitzen, die Figuren sind glaubhaft und nicht undurchdacht, die Darsteller fähig. Das Format scheitert schlicht an seiner Mittelmäßigkeit, seiner Austauschbarkeit mit so ziemlich jeder anderen x-beliebigen Krankenhausserie. «Code Black» ist ein Generikum. Ein schwach dosiertes noch dazu.
02.10.2015 15:40 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/81143