Wotan Wilke Möhring ermittelt als Thorsten Falke in seiner bisher besten Folge. Sie basiert auf einem realen Fall. Unsere Vorab-Kritik:
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke
Petra Schmidt-Schaller als Katharina Lorenz
Werner Wölbern als Dienststellenleiter Werl
Annika Kuhl als Maria Sombert
Julius Feldmeier als Andreas Kohler
Alois Moyo als Baschiir
Max Hopp als Ronny Kaminski
Hinter der Kamera:
Produktion: Wüste Medien GmbH
Drehbuch: Stefan Kolditz
Regie: Thomas Stuber
Kamera: Alexander Fischerkoesen
Produzenten: Uwe Kolbe und Björn VosgerauDer Fall Oury Jalloh beschäftigt die Justizbehörden noch heute, rund zehn Jahre nach seinem Tod. 2005 war der in der Bundesrepublik geduldete Afrikaner unter mysteriösen Umständen in seiner Zelle in Polizeigewahrsam verstorben. Er habe, so die Darstellung der Polizei, mit einem Feuerzeug seine Matratze angezündet und sei bei dem anschließenden Brand ums Leben gekommen. Wie glaubwürdig diese Darstellung ist, ist seit langer Zeit ein Streitthema. Gegen die involvierten Polizisten liefen Verfahren wegen fahrlässiger Tötung.
Der Niedersachsen-«Tatort» um Wotan Wilke Möhring greift diesen Fall für seine neue Folge am Sonntag auf und erzählt ihn in der Sache leicht abgewandelt und vor allem eine bedrückende finale Lösung präsentierend. Es sei nur so viel gesagt: In „Verbrannt“ waren die Polizisten nicht nur schlampig und unfähig.
„Verbrannt“ erzählt von Polizeidienststellen, in denen der Teamgeist zum Korpsgeist degeneriert ist. Dabei nimmt sich dieser Film sehr angenehme Freiheiten von dem tatsächliche Fall und erzählt so konsequent bedrückend wie noch nie in Wotan Wilke Möhrings «Tatort»-Geschichte.
Bedrückend, weil das Szenario, das hier entworfen wird, in der Realität prinzipiell denkbar ist. Die bürgerlichen Saubermänner in Uniform werden als Mitläufer oder willige Mittäter eines nach innen herrischen, nach außen augenscheinlich kooperativen Dienststellenleiters dargestellt, in dessen Amtszeit sich die Auffälligkeiten häufen. Mit dem rätselhaften Tod des inhaftierten Schwarzen mischen sich mit Thorsten Falke und Katharina Lorenz zum ersten Mal Leute in die Angelegenheiten jener Dienststelle ein, die von außen kommen. Sie stochern ins Wespennest. Und stoßen auf Erschreckendes.
Dabei bedient sich „Verbrannt“ eines sehr angenehmen naturalistischen Duktus, der nur vereinzelt kommentierende Elemente aufweist. Zu Beginn etwa, als ein Streichorchester zu hören ist, wie es „Einigkeit und Recht und Freiheit“ spielt, womit der Film schon in seinen ersten Minuten klar macht, in welchen Kontext er seine Handlung und sein Thema gesetzt wissen will.
Ansonsten verzichtet man auf Pathos. Auf Überinszenierungen und überreizte Dialoge ebenso. Stück für Stück arbeiten sich Falke und Lorentz auf die erschreckende Lösung ihres Falles zu. Vorbei an Polizistinnen, die aus Angst nichts sagen wollen. An Mitläufern und Sympathisanten, die konsequent mauern. Durch kollegiale Grillpartys mit nett lächelnden Ordnungshütern, die höflich ein paar Würstchen anbieten. Und dahinter: ein Abgrund aus Nicht-Wissen-Wollen und in Mordlust umgesetzten Ausländerhass, der – so darf man diesen Film zumindest verstehen – nicht per se im Widerspruch zur biedermännischen Nettigkeit steht. Die Offenbarung erfolgt in einem grandiosen Finale.
„Verbrannt“ ist Wotan Wilke Möhrings bisher bester «Tatort». Für seine Kollegin Petra Schmidt-Schaller ist es der letzte. Ihre Figur hält die Abgründe, durch die sie sich in ihrem Beruf wälzen muss, nicht mehr aus. Verständlich. Denn was man in diesem Film zu sehen bekommt, ist tatsächlich schwer erträglich.
Umso toller, dass sich der «Tatort» diese Woche mit einem solchen Thema beschäftigt. Und umso besser, dass es ihm thematisch und dramaturgisch einmal vollends gelungen ist.
Das Erste zeigt «Tatort – Verbrannt» am Sonntag, den 11. Oktober um 20.15 Uhr.