So! Muss Das!
Polit-Talk ist ganz großes Theater. Man müsste es endlich vernünftig dekonstruieren. Julian Miller hätte dafür einen passenden Kandidaten...
Ich habe einen Wunsch an die Öffentlich-Rechtlichen.
Ich würde Serdar Somuncu gerne in jeder eurer Talk-Shows sehen. Egal zu welchem Thema. Integration. Deutsche Einheit. Abgasskandal. Energiewende.
Dass er Gesprächsrunden aufmischen kann, die ohne ihn fürchterlich dröge geworden wären, hat er schon oft genug unter Beweis gestellt.
Besser wäre es sowieso, ihr würdet ihm gleich eine eigene Polit-Sendung geben. Er hat auch schon geübt. Letzten Freitag bei n-tv, in seiner Sendung «So! Muncu», die ihm Friedrich Küppersbusch produziert hat, der sich, wie man das auch aus «4 Gewinnt» kennt, hin und wieder mit satirischen Impulsen zu Wort meldete.
«So! Muncu» war eine Erfahrung. Man kennt Somuncu als Mann mit dezidierten, aber meistens verdammt klugen Thesen, der sich wunderbar enthusiastisch in Rage reden und auch mit hochrotem Kopf immer noch mit beißendem Sprachwitz und herrlicher Selbstironie glänzen kann. In seinem Polit-Talk zur deutschen Einheit wirkte er wie ein Stuckrad-Barre auf Speed, oder ein Rainald Goetz, der die Gegenwart, anstatt sie eifrig mitzuschreiben, in ein Diktiergerät brüllt.
Um sich herum hatte Somuncu noch einen Schweizer Journalisten, einen koreanischstämmigen Kabarettisten und Omid Nouripour, einen deutschiranischen Politiker von den Grünen, drapiert. Ihre Rolle war klar: die des Stichwortgebers. Längere Redeflüsse unterbrachen Somuncu und Küppersbusch konsequent. Vorgesehenes Thema war eigentlich die Deutsche Einheit, aber man landete automatisch beim Thema Flüchtlinge und Integration. Ein Thema, zu dem dieses Personal freilich einiges beizutragen hatte.
In deutschen Talk-Shows fehlt ein intelligenter Seine-Meinung-Geiger. Die meisten öffentlich-rechtlichen Talks sind mitunter deswegen so unansehbare Veranstaltungen, weil sie großes Theater sind, das aber niemand demaskiert oder dekonstruiert. Sammlungen von Soundbites und Talking Points, mit unambitionierten Follow-ups. Wahrscheinlich kann deswegen zwei Stunden nach «Günther Jauch» kaum noch jemand sagen, worüber zuvor eine Stunde lang geredet wurde.
Gut, «Günther Jauch» ist ein Extrembeispiel. Aber gerade dieser Sendung täte ein Mann wie Serdar Somuncu gut. Stellen wir uns das einmal vor: Da sitzen also Markus Söder, Stephan Weil, Katja Kipping und Niki Lauda auf der Bühne und reden über die Flüchtlingskrise. Söder sitzt da, um zu provozieren, Stephan Weil hat die undankbare Aufgabe, die SPD zu repräsentieren, Katja Kipping macht allerhand realitätsferne Vorschläge, und Niki Lauda sitzt da, weil man ihn halt kennt. Nach der Hälfte der Sendung würde Jauch die Diskussion unterbrechen und zu einem Sofa oder Stühlchen schwenken lassen, wo sonst Betroffene sitzen, die in neun von zehn Fällen nichts Konstruktives zur Diskussion beizutragen haben, aber schön, dass Sie heute da sind. Dort säße dann Serdar Somuncu. Und würde sechs Minuten lang nur brüllen.
Das wäre, was jedes Theaterstück braucht: Eine Katharsis.