«ARD-Check»: 'Schön, dass wir darüber geredet haben'

Der große Wurf blieb bei der erstmals ausgestrahlten ARD-Fragerunde an Lutz Marmor und Tom Buhrow aus - zumindest aber bemühte man sich in weiten Teilen darum, die Sendung nicht zur reinen Propaganda-Veranstaltung verkommen zu lassen.

Der Dialog mit unseren Zuschauern und Hörern ist uns besonders wichtig. Denn nur so erfahren wir, was wir verbessern können, was unser Publikum interessiert und wo wir die Menschen mit unseren Programmen erreichen. Wir sind an dem Abend Diskussionspartner und bereit, uns allen Fragen zu stellen.
Tom Buhrow zum «ARD-Check».
Bedarf es der Produktion von Formaten, bei denen ARD-Verantwortliche in der ARD Publikumsfragen zur ARD beantworten? Diese grundsätzliche Überlegung ist zentral dafür, wie man zur neuen "Transparenz-Offensive" der öffentlich-rechtlichen Anstalt steht, die nach dem «WDR-Check» vor vergleichsweise kleinem Publikum nun sogar erstmals den «ARD-Check» im Hauptprogramm ausstrahlte. Und in der Tat lassen sich schnell zwei gegensätzliche Standpunkte benennen, die hinsichtlich der Prämisse dieses Konzepts beide ihre Daseinsberechtigung besitzen. Man mag einerseits anführen, dass es der Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur gut tun kann, wenn sich deren Führungskräfte direkt mit Fragen und Kritik zu ihrer Arbeit beschäftigen müssen. Andererseits aber lässt sich kritisch anmerken, dass eine solche Veranstaltung schnell zur öffentlichen Selbstbeweihräucherung verkommen kann - insbesondere dann, wenn eine ARD-Moderatorin (Sandra Maischberger) durch die Veranstaltung führt, die live in der ARD gezeigt wird und darüber hinaus auch noch zahlreiche prominente Gäste einlädt, die vornehmlich in der ARD tätig sind (beispielsweise Anne Will, Matthias Opdenhövel, Sabine Postel).

In welche der beiden Interpretationsrichtungen man nach Betrachtung der 90-minütigen Sendung nun tendieren mag, fällt allerdings schwer. Es wäre unfair, das Bild eines allumfassenden Schulterklopfens des ARD-Personals zu zeichnen, denn hart rangenommen wurden die Intendanten Lutz Marmor und Tom Buhrow insbesondere von einigen Zuschauern aus dem Studio-Publikum durchaus. Auch gab es offenbar keinen Maulkorb hinsichtlich der angesprochenen Themen, denn mit der angeblich tendenziösen Ukraine-Berichterstattung, der generellen Verflachung des Informationsniveaus, der übermäßigen Repräsentation von Fußball-Berichten oder dem schwachen Zuspruch des jungen Publikums wurden einige kritische Punkte von großer Relevanz angesprochen, bei denen die Öffentlich-Rechtlichen nicht immer gut wegkommen. Buhrow und Marmor scheuten sich hier nicht davor, auch hin und wieder einmal Fehler und Nachholbedarf einzuräumen.

Und doch konnte man sich letztlich des Eindrucks nicht so recht erwehren, dass vieles im Nichts versandete, die Intendanten das Publikum eher vertrösteten, auf kritische Aspekte dahingehend antworteten, dass sie positive entgegenhielten und vor allem viele komplexe Thematiken in viel zu kurzer Zeit abgehandelt wurden. All das liegt jedoch in der Natur der Sache bei einem Format wie diesem, das in einer überschaubaren Sendezeit Fragen zum weiten Feld "ARD" klären möchte, die in völlig verschiedene Richtungen weisen und dabei zur Beantwortung zwei Herren auswählt, die nun einmal als ARD-Repräsentanten auch und vor allem mit dem Ziel in die Sendung gehen, ihren Arbeitgeber zu vertreten und zu verteidigen. Maischbergers Schlusswort "Ich weiß, dass es unbefriedigend ist und es am Ende heißt: 'Schön, dass wir darüber geredet haben'" trifft insofern also den Nagel auf den Kopf - doch genau das ist bei einem Konzept wie diesem auch zu erwarten. Es ist wichtig und richtig für Publikum wie Programmverantwortlichen, miteinander in Interaktion zu treten, um einer möglichen Entfremdung entgegenzuwirken, doch die eigentliche Arbeit von Marmor, Buhrow und Co. findet eben nicht zur besten Sendezeit im Ersten Deutschen Fernsehen statt, sondern fernab der breiten Öffentlichkeit hinter oftmals verschlossenen Türen.

Doch so ordentlich sich der «ARD-Check» in Anbetracht dieser grundsätzlichen Problematik auch geschlagen hat, gibt es einige Aspekte, die in Frage zu stellen sind. In erster Linie sei hier die sendereigene Prominenz genannt, die ein wenig arg präsent war in einem Format, das doch vor allem den "kleinen Mann" mal zu Wort kommen lassen wollte. Da sich die Personen aber völlig unterschiedlich präsentierten und unterschiedlich in die Sendung integriert wurden, sollte man auch keine grundsätzliche Promi-Schelte betreiben. «Tatort»-Darstellerin Sabine Postel brachte mit den immer prekäreren Produktionsbedingungen bei fiktionalen Formaten durchaus einen Punkt ein, der für die Debatte bereichernd war und der vom Publikum wohl eher nicht angesprochen worden wäre. Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies räumte Fehler in seiner Ukraine-Berichterstattung ein und gab einige interessante Einblicke in die komplizierten Bedingungen, denen sich ein im Konfliktgebieten involvierter Journalist zu stellen hat.

Wirbel um «Babylon Berlin»

Tom Buhrow ließ zwischenzeitlich aufhorchen, als er sagte, dass die aufwändige Co-Produktion mit Sky "auf der Kippe" stehe. Lutz Marmor wollte dies weder bestätigen noch dementieren. «Babylon Berlin» gilt als eines der spannendsten deutschen Serienprojekte - unter anderem, weil erstmals die ARD und Sky kooperieren und weil Tom Tykwer für das Projekt verantwortlich zeichnen soll.
Weniger bereichernd war hingegen Matthias Opdenhövel, der in erster Linie darstellen durfte, welche Sportarten er am liebsten moderiert, wie breit die Palette an Sportangeboten der ARD ist und wie viel Freude es doch macht, für die «Sportschau» tätig zu sein. Weder wurde er mit kritischen Fragen konfrontiert noch brachte er selbst welche in Richtung Buhrow und Marmor ein. Es lässt sich also schon die Frage aufwerfen, welchen Sinn seine Präsenz hatte - und ob hier nicht genau die Hofierung stattgefunden hat, die den Zweck eines solchen Projekts eher konterkariert. Ähnlich ging man auch gegen Ende der Sendung bei zwei N-JOY-Moderatoren vor, die leider auch keine Debatte anregten, sondern vor allem sich selbst und ihr Früh-Format im Radio bewerben durften.

Auftritte wie diese sind vor allem dahingehend ärgerlich, dass der Zeitdruck ein ständiger Begleiter des 90-Minüters war, schon im Studio bei weitem nicht alle Menschen zu Wort kamen, die es wollten, vor allem aber die so eifrig beworbene Einbeziehung von Online-Inhalten geradezu lächerlich ausfiel. Nur ein einziges Mal brachte Maischberger zwei bis drei Fragen aus dem Netz in die Diskussion ein, was eher wie ein schlecht inszeniertes Alibi der Redaktion daherkam, als dass man von einem wirklichen Interesse der Online-Community hätte sprechen können. Es muss ja nicht zwingend eine Einbeziehung von Social Media erfolgen - gerade auch, weil so nur ein Frage-Antwort-Spiel durchgeführt werden kann, während im Studio selbst eine echte Diskussion möglich ist -, aber wenn man eben diese so betont, dann doch bitte auch in einem ernst zu nehmenden Ausmaß.

Sollte es weitere Ausgaben des «ARD-Checks» geben?
Ja, das Konzept halte ich für wichtig und richtig.
18,5%
Ja, aber nur mit erheblichen Änderungen am Konzept.
43,9%
Nein, die Sendung ist völlig überflüssig.
37,6%


Vielleicht also sollte der «ARD-Check» für künftige Einsätze ein wenig kleiner denken, soll heißen: Statt sämtliche Themen rund um die ARD in den Fragen-Pool zu werfen, könnte man sich auf konkrete Schwerpunkte festlegen, um näher ins Detail gehen zu können. Statt neben dem Studio-Publikum auch noch die Online-Zuschauer anzuregen, Fragen zu stellen, die dann doch nicht zur Sprache kommen können, sollte man die Zeit entweder so einteilen, dass wirklich auch eine Repräsentanz aller Zuschauergruppen stattfindet oder man beschränkt sich eben auf die Interaktion im Studio. Statt etliche Promis in die Sendung zu drücken, die zum Teil eher Eigenwerbung betreiben, sollte man sich auf die eigentliche Debatte beschränken. Statt in einer Sendung die Medien Fernsehen, Radio und Internet zu thematisieren, könnte man sich auf je ein Medium fokussieren. Potenzial und eine gewisse Relevanz hat die Idee der Sendung aber ohne jede Frage - zumindest dann, wenn man sie nicht von vornherein als reine Propaganda-Veranstaltung begreift.
20.10.2015 00:23 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/81472