Wahrheitssuche im «Dorf der Mörder»

Die Kritiker: Bei «Das Dorf der Mörder» landen Leichenteile im Schweinebauch. Die Inszenierung ist dabei mittelmäßig, die Geschichte durchaus spannend.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Alina Levshin («Tatort: Erfurt») als Sanela Beara, Anna Loos («Helen Dorn») als Charlie Rubin, Jürgen Tarrach als Lutz Gehring, Anna Brüggemann («Berlin am Meer») als Cara Rubin, Benjamin Sadler («Dresden») als Jeremy Saaler, Ramona Kunze-Libnow als Walburga, Christian Sengewald als Marten, Robert Viktor Minich als Tomislav und viele mehr


Hinter den Kulissen:
Regie und Buch: Niki Stein nach Motiven des gleichnamigen Romans von Elisabeth Herrmann, Musik: Jacki Engelken, Kamera: Arthur W. Ahrweiler, Schnitt: Corina Dietz-Heyne, Produktion: Ziegler Film

31 Jahre ist Alina Levshin alt. Um als Hauptdarsteller in einem «Tatort» mitzuwirken, ist das mehr als jung. Aus diesem Grund wohl musste die Dame bei den Erfurter Ausgaben der Reihe auch eine Praktikantin mimen – und natürlich weil drei Ermittler im Team etwas zu viel sind. In «Das Dorf der Mörder» darf Levshin diesmal zumindest als richtige Polizistin ran, auch wenn ihre Figur klar macht, dass karrieretechnisch noch lange nicht Schluss ist.

Das Problem in der bekanntesten Deutschen Krimi-Reihe war aber ohnehin weniger das Praktikanten-Dasein Levshins, sondern viel mehr, dass die Darsteller das einzig junge an den Ausgaben waren. Ihre neue Aufgabe im ZDF bringt Levshin immerhin schon einmal mehr inhaltliche Tiefe. Doch schnell zeigt sich, dass nicht nur die Jacke der jungen Polizistin zu groß ist, sondern auch die schauspielerische Aufgabe.

Zwischen Wackelpudding und Lamas
Eine traumatische Jugend inklusive Familiendrama muss sie verarbeiten, dabei ist die starke Frau unfassbar ehrgeizig und will der Gerechtigkeit um jeden Preis Genüge tun. Das ist für den Zuschauer nichts Unbekanntes. Umso wichtiger, dass die Darstellung sitzt. Tut sie aber nicht. Beispielsweise, wenn Levshin in der Rolle der Sanela Beara unmittelbar nach dem einleitenden Mordfall im Berliner Tierpark dem Kollegen von der Mordkommission erklären muss, dass dieser in den Stall muss, da die Leichenteile von wildschweinähnlichen Pekaris gefressen wurden. Daraufhin formuliert sie messerscharf und mit dem Nachdruck eines Wackelpuddings: „Und die Tiere sind jetzt im Stall.“ Also muss man halt dahin. Dem gemeinen Zuschauer gelingt es an dieser Stelle nur mit Mühe, den Applaus vor dem heimischen Fernseher zurückzuhalten. Immerhin darf in diesen Momenten auch mit angesehen werden, wie Lamas am Polizeiauto vorbeilaufen, als sei es deren gewohntes Tagesgeschäft. Diese amüsanten Momente trösten ein wenig.

Doch so schlimm ist es dann auch nicht. Zwar trifft der Zuschauer auf die mürrische und klischeehafte Tierhüterin Charlie Rubin, gespielt von Anna Loos, in deren Figur sich natürlich eine dunkle Vergangenheit versteckt. Aber die Story an sich birgt Spannung. Denn natürlich ist nach dem Leichenfund im Pekari-Gehege nicht Schluss. Polizistin Beara begleitet die Tierpflegerin in ihre Wohnung, um dort Kaffee zu holen – beim Verlassen der Wohnung wird sie dann allerdings mit einem Spaten niedergestreckt. Im Verdacht für beides – den Mord und die Spatenattacke – steht Charlie Rubin.

Obwohl Rubin dann auch schnell gesteht, Beara ist der Überzeugung, dass die Wahrheit wo anders liegt, begibt sich daher, gegen die Anweisung der Mordkommission und ohne jegliche Erlaubnis, auf die Suche nach Belegen – und riskiert dabei ihren Job. Das ist nicht ganz neu, keine innovative Idee. Aber es ist interessant inszeniert. Auf der Suche nämlich stößt die Berliner Polizistin in ein brandenburgisches Dorf (ganz schön grenzüberschreitend), in dem die Geschichte des Opfers und die Geschichte der vermeintlichen Täterin zusammenlaufen. Und, in dem eine Reihe von Männern auf seltsame Weise den Tod gefunden haben. Seltsam erscheint es Beara auch, dass Tierpflegerin Rubin mit ihrer Schwester und einzigen noch lebenden Verwandten nichts zu tun haben will.

Kompetenzüberschreitungen und ein Psychologe mit ausgeprägtem Sexleben
Was ebenfalls recht deutlich wird: Genau so wichtig wie der eigentliche Kriminalfall ist natürlich auch die Person von Sanel Beara. Die Streifenpolizistin verbaut sich mit ihren wagemutigen Vorstößen vermeintlich die Perspektive auf eine Karriere als Kommissarin. Und dann ist da noch das deutsche Arschloch aus der Mordkommission, dass der kroatischstämmigen Beara nicht nur unterstellt, dass „ihr auf dem Balkan“ sowieso alle zockt, sondern auch sonst das eine oder andere fremdenfeindliche Ressentiment bedient.

Wenn nun auch noch der betreuende Psychologe, der über die Zurechnungsfähigkeit von Charlie Rubin entscheiden soll, mit deren Schwester in die Kiste springt sowie ein mittel komplexes Konstrukt aus Firmen und Fußballsponsoring dazu kommt, klingt es zunächst als sei die Verwirrung perfekt. Das Resultat ist letztlich nur halb so anspruchsvoll wie es nun klingen mag, aber eben nicht ganz simpel, was per se erstmal lobenswert ist. Vor allem wenn es düster wird, wurde auch gut mit spannenden Inszenierungen und exakt gesetzten Schnitten gearbeitet.

Anders als der Titel es eventuell glauben lässt, gibt es bei «Das Dorf der Mörder» nicht einen Mord nach dem anderen zu sehen. Es handelt sich also nicht um einen Film wie einen Til Schweiger-«Tatort». Das alleine ist freilich kein Kriterium für eine gute Produktion, obwohl es durchaus hilft, sich von Schweiger abzusetzen. Doch ist vor allem die Geschichte so wunderbar unmoralisch, die Zuspitzung allerdings nicht ganz so spannend wie beabsichtigt. Vor allem weil die einzelne Person, der einzelne Täter, nicht wirklich von Belang ist. Da aber die Auflösung des Gesamtkonstrukts gelingt und die Story (vor allem auch Dank der Romanvorlage von Elisabeth Herrmann) sowie Teile der Inszenierung in Gesamtbetrachtung sehr stimmig sind, lässt sich die Produktion mehr als nur ertragen. Ob der Titel auf das „Dorf der Mörder“ wirklich passt, ist dann noch eine andere Frage.

«Das Dorf der Mörder» ist am Montag, 26.Oktober um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
25.10.2015 12:20 Uhr  •  Frederic Servatius Kurz-URL: qmde.de/81486