«Helen Dorn» am Scheideweg

Die Kritiker: «Helen Dorn – Der Pakt». Wohin geht die Reise für die Krimireihe mit Anna Loos? Herausragende Krimikost oder doch Dutzendware? Der vierte Fall lässt zunächst Zweiteres vermuten.

Hinter den Kulissen

  • Darsteller: Anna Loos als Helen Dorn, Mathias Matschke als Gregor Gregori, Ernst Stötzner als Helens Vater Richard Dorn, Stephan Bissmeier als Falk Mattheissen, Muriel Baumeister als Sibille Bach, Gaby Dohm als Sonja Schneider, Karl Kranzkowski als Kommissar Becker, Max Hopp als Rolf Fahrle
  • Buch: Leo P. Ard
  • Regie: Johannes Grieser
  • Kamera: Wolf Siegelmann
  • Musik: Robert Schulte Hemming, Jens Langbein
  • Produktion: Network Movie
  • Produzent: Wofgang Cimera, Silke Schulze-Erdel
Matti Geschonek - Markus Imboden - Johannes Grieser.
Magnus Vattrodt - Nils Morten-Osburg - Leo P. Ard.


Der Werdegang der ZDF-Krimiserie «Helen Dorn» auf kreativer Ebene ist beeindruckend. Noch Mitte diesen Jahres wurde dem Format mit der unglaublich intensiv spielenden Anna Loos ein stetiger Aufwärtstrend attestiert. Dass der dritte Fall „Bis zum Anschlag“, der mehr Psychothriller als klassische Samstag-Abend-Krimikost in der Kritikergunst über den beiden ersten Folgen (inszeniert immerhin vom hoch angesehenen Matti Geschonek) stehen würde, überraschte zum einen und schraubte die Erwartungen für all das, was noch kommen wird, weiter in die Höhe.

Genau daran muss die Produktion der Kölner Firma Network Movie sich messen lassen. Um es vorweg zu nehmen: Mit dem vierten Fall, der auf den Titel der „Der Pakt“ hört, scheitert das Format an eben jener Messlatte, die man sich Anfang des Jahres selbst auferlegte. Es war möglicherweise ein kalkuliertes Scheitern – oder gar eins, das man so haben wollte. Ein vermeintlicher Sexualstraftäter, der vor Gericht freigesprochen wird, sich dann aber der Hetze der Bevölkerung in seinem Wohngebiet ausgesetzt sieht, wird erhängt aufgefunden. Schnell stellen die beiden Ermittler Helen Dorn und Gregor Georgi heraus, dass es kein Selbstmord gewesen sein kann – die umgekippte Tonne unter dem Toten war nicht hoch genug, als dass er wirklich darauf hätte stehen können. Ein dummer (und für den Autor einfacher) Fehler, der den wahre Mörder begangen hat. Schnell geraten die in den Fokus der Ermittlungen, die offen gegen den Freigesprochenen protestiert haben.

Dann ist auch die Richterin tot, die den Mann einst frei gesprochen hat. Eine als liberal geltende Richterin, die kurz vor ihrem gewaltsamen Ablegen mit Helen Dorn telefoniert hatte, um ihr wichtiges mitzuteilen. Alle Spuren deuten in die Vergangenheit – auf einen Fall, an dem einst Helens Vater (toll gespielt von Ernst Stötzner) beteiligt war. „Der Pakt“ ist ein 90-Minüter, der «Helen Dorn» auf das wesentliche runterbricht. Ein Film, der sich so gut wie nichts traut. Die klassische ZDF-Samstag-Abend-Kost. Das ist nur dann als Kritik zu verstehen, wenn man die vorherigen Auftritte der Reihe kennt. Ist das nicht der Fall, könnte man über absolut solide Krimiware sprechen.

Genau für diese sind die Verantwortlichen bekannt. Leo P. Ard ist quasi Fließbandarbeiter in Sachen Fernsehkrimi. Er wurde bekannt durch etliche Staffeln der humoristisch angehauchten RTL-Krimiserie «Balko» und ist seit dem Ende des Formats fester Autor von «Ein starkes Team», quasi so eine 0815-ZDF-Krimireihe, die sich selten traut, wirklich aufzufallen. Hinzu kommen Episoden für «Der Staatsanwalt» oder das inzwischen eingestellte «Das Duo». Auch auf dem Regiestuhl gingen die Produzenten mit der Wahl von Johannes Grieser auf Nummer sicher. Er ist ebenso Krimispezialist (machte bis 2006 «Ein starkes Team»), war aber – übrigens gemeinsam mit Leo P. Ard – im vergangenen Jahr für den absolut missglückten und dann auch direkt eingestellten Erfurt-«Tatort» „Der Maulwurf“ zuständig.

Was gut gelingt, ist eine treffende Charakterisierung von Helen Dorn selbst. Anna Loos darf zahlreiche ruhige Momente haben. Grieser gibt ihrer Figur immer wieder Zeit. Zeit, ihre eigenen Konflikte zu lösen. Zeit, um mit dem Wirr-Warr zwischen ihr und Gregori klar zu kommen. Beide Figuren sind auch in der vierten Zusammenarbeit noch nicht warm geworden und werden im Verlauf des Films auf eine echte Probe gestellt. Das aber war auch schon das Gute an dem Film. Viel zu viel ist vorhersehbar, viel zu viel plätschert gemächlich vor sich hin. Ein paar falsche Fährten, die aber leichtsam als solche ausgemacht werden können. Das Ende ist in Ordnung, bietet einen schönen Showdown, der es aber auch nicht in die engere Auswahl des Fernsehmoments 2015 schaffen wird. Kurzum: «Helen Dorn» fällt diesmal solide aus und darf deshalb zurecht kritisiert werden.

Spannender werden nun die Fälle fünf und sechs, die in diesen Wochen wieder in Düsseldorf und Umgebung entstehen – dann wieder mit neuem kreativen Duo. Mathias Schnelting, der bei den ersten beiden Filmen als Co-Regisseur mit an Bord war, hat die Bücher geschrieben, die nun von Alexander Dierbach («Tannbach») umgesetzt werden. Zumindest beim Buch war eine besonders gute Kenntnis der Reihe auch nötig, muss doch ein sehr schmerzhafter Abgang kompensiert werden. Matthias Matschke, der vier Folgen lang nun den sachlichen, kompetenten, aber etwas unterkühlten Partner Gregori spielte, ist zum «Polizeiruf» gewechselt und muss irgendwie noch aus der Serie ausscheiden.

In „Der Pakt“ wurde der anstehende Weggang keineswegs angedeutet. Das konnte er auch nicht, bekam Schauspieler Matschke das «Polizeiruf»-Angebot, das dafür verantwortlich war, dass er die Zusammenarbeit nicht verlängerte, erst nach Drehende der vierten Folge. Das stellt die Kreativen nun vor ein mehr oder weniger großes Problem. Einzig in einem Telefonat mit seiner Frau wurde erwähnt, dass diese sich aktuell in Hamburg befindet. Die Figur nun auch in die Hansestadt zu entlassen, wäre für die Schreiber wohl der einfachste Weg. Damit wird «Helen Dorn» aber auch ein zentrales Spannungsfeld verlieren. Eine Alternative wäre natürlich, die Beziehung zwischen der Ermittlerin und ihrem pensionierten Vater mehr ins Schaufenster zu stellen. Die von Stötzner gespielte Figur gäbe das zweifellos her; nur hat das ZDF schon einen Samstag-Abend-Krimi, der genau mit ein einer solchen Konstellation hausieren geht. In «Die Wallensteins» ermitteln Mutter und Tochter.

Ganz egal, wer nun an der Seite der glänzenden Anna Loos ermittelt. Die nächsten beiden Filme werden zeigen, wohin es für die Reihe letztlich gehen soll. Bleibt man den einst eingeschlagenen Weg treu und hebt sich somit vom sonstigen ZDF-Samstags-Allerlei ab oder nähert man sich Reihen wie «Ein starkes Team» und «Der Kommissar und das Meer» weiter an? Dann übrigens gibt es auch hinter den Kulissen einen Wechsel. Die Reihe wandert aus der Verantwortung von Network Movie Köln zum Hamburger Ableger Network Movie Hamburg.

«Helen Dorn –Der Pakt» läuft am Samstag, 7. November 2015, um 20.15 Uhr im Zweiten.
05.11.2015 14:49 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/81761