Die Survivalshow «Wild Island» setzt auf das pure Überleben, statt auf Showelemente. Zum Start präsentiert sich das Format jedoch als unkonzentriert zusammengestellt.
Survivalshows haben einen schweren Stand beim deutschen Fernsehpublikum. Sind sie zu gesittet, geschieht also zu wenig, so heißt es, sie seien langweilig. Passiert zu viel, werden also zu eklige oder brutale Dinge auf Kamera festgehalten, so heißt es, sie seien Ekel- und Schock-TV. Schon allein, weil sich deutsche Fernsehende mit dem Genre so schwer tun, ist es eine durchaus mutige Entscheidung von ProSieben, mit «Wild Island» dennoch wieder eine Survivalshow zu versuchen. Und mit den Protesten zahlreicher Internetnutzer sowie einiger Tierschützer, mit denen «Wild Island» vor Start bedacht wurde, bekam der Privatsender bereits eine Seite der hiesigen, negativen Publikumsreaktionen auf Survivalformate zu spüren.
Der Auftakt zur Sendung führte Sonntagnacht indes vor, dass «Wild Island» auch in die andere Richtung schwanken kann – was allerdings nicht bedeuten muss, dass das Format schon jetzt ein verlorener Fall ist. Das Konzept ist brillant, simpel und so ungekünstelt, wie es in diesem Genre nur möglich ist: Acht Männer und sechs Frauen werden auf einer Insel nahe Panamas ausgesetzt. Zuvor haben sie ein dreitägiges Überlebenstraining erhalten, um auf die größten Gefahren vorbereitet zu werden. Ab dann sind sie auf sich gestellt – nur im Notfall wird die Kommunikation zur Außenwelt hergestellt. Es gibt keinen Moderator, keine Challenges, es gibt nicht einmal versteckte Kameras: Gefilmt wird mit GoPros und tragbaren Kameraausrüstungen – da sich zwei professionelle Kameramänner und eine professionelle Kamerafrau unter den Abenteurern befinden, wird ein Minimum an ansehnlichen Bildern garantiert.
Mit weniger als einer Stunde Bruttolaufzeit fiel die erste Ausgabe allerdings zu kurz aus, um dieser Grundidee gerecht zu werden. Von den 16 Teilnehmern wurde nur eine Handvoll näher vorgestellt, so dass es bei größeren Diskussionen unter den Abenteurern für den Zuschauer schwer wurde, die Übersicht zu bewahren. Zudem gab es für die frisch gebackenen Inselbewohner in den ersten rund 50 Sendeminuten zu viele Hürden zu nehmen, als dass «Wild Island» diesen Herausforderungen gerecht werden konnte: Direkt zu Beginn wurde die Gruppe Männer auf der Insel ausgesetzt, begleitet von dem Rat ihres Survivaltrainers Ross Bowyers, noch am selben Tag Wasser zu finden, ein Camp zu bauen und Feuer zu machen. Einige Sendeminuten später wird auch die Frauengruppe ausgesetzt. Auch die Frauen erhalten diese drei Ratschläge, außerdem wurde beiden Gruppen nahegelegt, die jeweils andere Truppe auf der Insel ausfindig zu machen und den Strand des Eilands zu finden.
Und so kramt «Wild Island» in die Auftaktfolge die anfängliche Verwirrung beider Gruppen, die sich auf Isla Gibraleón erst orientieren müssen, eine Gruppenhierarchie aufbauen, den Strand und die andere Gruppe suchen sowie das Camp aufbauen. Hinzu kommt, dass sich die 20-jährige Kommunikationsdesignstudentin Svenja verletzt und daher mit einem verfrühten Ausstieg aus der Sendung liebäugelt, die überschaubaren, doch wichtigen Regeln von «Wild Island» eingeführt werden und Ross Bowyer in kleinen Einspielern dem Zuschauer aufführt, welche Risiken auf der Insel warten – darunter verseuchtes Wasser und hochgiftige Äpfel.
Spannung kann in diesen vollgestopften Minuten nicht aufkommen, da alle Geschehnisse in so stark kondensierter Form vermittelt werden, dass es einem bloßen Abhaken vorkommt. Da deuten sich erste Konflikte unter den Frauen an. Zack, vorbei und vergessen. Der Campaufbau ist nur rudimentär zu sehen. Und der Versuch, das Wasserloch wiederzufinden, wird sehr antiklimatisch abgebrochen, weil die Sendezeit vorbei ist. Eine etwaige zweite Staffel wäre daher vielleicht gut beraten, in 30 bis 40 Minuten im Dokusoap-Stil das Survivaltraining zusammenzufassen, und dabei die Teilnehmer sowie die Tücken des Schauplatzes geballt einzuführen. Daraufhin kann der Bruch vom professionellen Team hin zum selbstaufgenommenen Material folgen, das eine weitere Sendestunde des Staffelauftakts füllt. Dieses kann sich dann stärker auf den anstrengenden ersten Tag des Survivalexperiments konzentrieren, statt durch Einschübe die Kandidateneinführung und Regel- und Gefahrenexposition nachzuholen.
Aufgrund dessen, dass «Wild Island» den Zuschauer hautnah miterleben lässt, was die Teilnehmer durchmachen, und es keinen gekünstelten Überbau durch Realityshowelemente gibt, ist das Format rein vom Konzept her die Idealvorstellung einer Survivalshow. Aber aus diesem Grund gleicht die Sendung, so wie sie im Fernsehen ausgestrahlt wird, eher einer Dokumentation: Die Köpfe von Endemol Shine Germany werten das gefilmte Material aus, müssen eine Narrative erstellen und Schwerpunkte setzen. Und dahingehend war die erste Ausgabe zu unkonzentriert und überfüllt. Die weiteren Folgen müssen selektiver zusammengestellt und dramaturgisch ausgefeilter erzählt werden, möchte «Wild Island» den Survivalshow-Fluch brechen.
«Wild Island» ist täglich gegen 22.10 Uhr bei ProSieben zu sehen.