Rea Garveys erstes eigenes Musikformat fuhr den im Vorfeld bei «The Voice» präsentierten Show-Bombast deutlich herunter und präsentierte sich weitaus gemütlicher. Ein Must-See kam dabei nicht heraus, aber eine respektable Ergänzung für den ProSieben-Musikabend.
Rea Garvey ist fast schon so etwas wie das «The Voice»-Urgestein und hat der Castingshow einen beachtlichen Karrieresprung zu verdanken. Der Gedanke, dem sympathischen Iren ein eigenes Format zu geben, lag insofern durchaus nahe - und stellt doch in gewisser Weise ein Wagnis dar, nachdem Samu Haber vor einigen Monaten böse mit «Die Band» gefloppt war. Aus dieser Enttäuschung haben die Programmverantwortlichen von ProSieben den Schluss gezogen, Garveys Projekt nicht krampfhaft auf eine abendfüllende Länge zu strecken und ihm darüber hinaus auch ein zugkräftiges Vorprogramm zu bescheren, mit dessen Rückenwind ein Erfolg deutlich leichter fallen dürfte. Und in Anbetracht des Inhalts von
«Mein Song - Deine Chance» ist diese Programmierung auch passend ausgefallen: Für eine Primetime-Präsentation ist die Sendung deutlich zu klein und unspektakulär geraten, als gemütlicher Schlussakt für einen angenehmen Musikabend sorgt sie jedoch allemal.
Der Clou hinter der Idee: Drei talentierte Musiker kämpfen um die Reas Gunst - ohne jedoch zu wissen, dass sie in einem Wettbewerb stehen. Zunächst einmal geht es lediglich um eine kleine Jam-Session, in der sie einen Hit des Sängers in einer eigens interpetierten Version covern dürfen. Für das Talent, dessen Komposition Garvey am meisten zusagt, folgt dann noch die große Überraschung, dass es einen eigenen Song mit produzieren und auf den Markt bringen kann. Die Einnahmen an dieser Single kommen Reas Stiftung zugute. Eine sehr einfache Grundidee, die bei richtiger Herangehensweise zu einem sehr sympathischen Musizieren ohne allzu forciertem Duell-Gedanken führen kann, im negativen Fall aber auch zu einer lachhaft überzeichneten "Kandidat XY kämpft um seine große Chance - wird er zum neuen Megastar oder bleibt er ein unbedeutendes Nichts"-Rhetorik, die den medienkompetenten Zuschauer rasch mit den Augen rollen lässt.
In Anbetracht der Seriosität, die Garvey bei seinen TV-Auftritten bislang ausstrahlte, konnte man schon im Vorfeld guter Hoffnung sein, dass realiter Variante eins umgesetzt wird. Der Sendungstitel hingegen hätte auch der unangenehmeren Ausrichtung Tür und Tor geöffnet, indem er die Kandidaten als Bittsteller positioniert, die um ihre "große Chance" kämpfen. Schaut man sich einmal an, wer da letztlich mitmacht, wäre eine allzu stark in diese Richtung neigende Tonalität jedoch reichlich albern gewesen. Unter den Kandidaten ist unter anderem der britisch-französische Musiker Darcy, der vor einigen Wochen bereits bei «Inas Nacht» als Musikact auftrat und derzeit auf einem guten Weg ist, mit seiner Musik Fuß zu fassen - ganz ohne ProSieben oder Rea Garvey. Sogar schon in den deutschen Single- und Album-Charts vertreten war derweil MarieMarie (Foto), die im vergangenen Jahr am deutschen «ESC»-Vorentscheid teilgenommen hatte und immerhin den Bronzeplatz errang. Mit anderen Worten: Da machen Jungmusiker mit, die gewiss Freude an einer Zusammenarbeit mit Rea Garvey haben, die sich durch die Sendung wohl auch ein paar weitere Fans erschließen können - die allerdings keineswegs "bedürftig" sind.
Garvey ist mit seiner Bodenständigkeit, seinem lockeren Humor und dem großen Pathos, den er an den Tag legt, sobald er über Musik oder andere Musiker monologisiert - was in diesem Fall nahezu minütlich der Fall ist - genau die richtige Person, um einigermaßen glaubhaft zu vermitteln, dass eine allzu große Hierarchisierung nicht Sinn und Zweck dieses Projekts ist. Und eine Betonung dessen bedarf es nicht nur des Titels wegen, sondern auch aufgrund der Omnipräsenz des Sängers und Gitarristen innerhalb dieser knappen Stunde Fernsehunterhaltung: Seine Songs werden gecovert, er hat zu entscheiden, mit wem er einen Song letztlich aufnehmen möchte, er trifft sich und musiziert mit den Künstlern, er fungiert als Kommentator, ja offenbar ist er sogar maßgeblich in die Auslese der Jungmusiker involviert. Das alles dürfte sehr in seinem Sinne sein, fungiert das Format doch auch als hervorragende Werbeplattform für ihn und seine Musik. Angenehmerweise lässt er diesen Status als "Ober-Babo" aber nicht allzu sehr raushängen.
Optisch und akustisch kommt das Gesehene angemessen reduziert daher und verbreitet so eine sehr wohltuende Lagerfeuer-Atmosphäre. Ob die dargebotenen Live-Auftritte wirklich unbearbeitet präsentiert werden, kann gerade bei MarieMaries durchaus kreativer "Supergirl"-Version aber durchaus ein wenig in Frage gestellt werden. Schade ist, dass man zwar das Treffen zwischen Rea und den Musikern sowie deren Live-Auftritte sieht, die Entstehungsprozesse der Eigeninterpretationen allerdings fast komplett übergangen werden. Somit wirkt der Sprung von der Zusammenkunft zur Jam-Session etwas holprig und unrund, da man ganz gerne auch in Erfahrung bringen würde, welche Gedanken hinter dem Cover stecken, welche Probleme die Künstler unter Umständen auch mit dem ihnen vorgelegten Material hatten. Besonders problematisch ist dieser Bruch bei der abschließenden gemeinsamen Single von Rea und dem Sieger-Kandidaten - kaum ist der Sieger gekürt, ist auch quasi schon der Song fertig produziert. Das mag bei dem einen oder anderen bekannten RTL-Juror die übliche Herangehensweise sein (frei nach dem Motto "Dein Album liegt schon fertig bei mir im Schrank, du musst nur noch gewinnen und den Rotz runterträllern. Fire, desire und diese Leier"), aber hier wird ja explizit das gemeinsame Songwriting betont. Nur zu sehen bekommt man davon kaum etwas.
Soll «Mein Song - Deine Chance» fortgesetzt werden?
Das sind aber alles nur kleine Schönheitsfehler, denen zum Trotz «Mein Song - Deine Chance» einen alles in allem durchaus positiven Eindruck macht und im Anschluss an «The Voice» optimal platziert zu sein scheint. Für einen allzu lukrativen Sendeplatz ist das Gebotene zu unspektakulär, nett und irgendwie auch zu egal, aber als beruhigender, sanfter Ausklang des Abends passt es ziemlich gut. Anders als bei «Die Band» hat man diesmal das Potenzial seiner Show augenscheinlich richtig erkannt und darf dafür dann gerne auch mit einem kleinen, aber feinen Quotenerfolg belohnt werden. Die ganz großen Schlagzeilen wird diese Sendung wohl eher nicht machen, aber die Freude an der Musik verkörpert sie zu jedem Zeitpunkt glaubhaft. Gut gemacht, wohldosiert gerne mehr davon.