Gewinnerin des Jahres: Dunja Hayali

Auch morgens ist Zeit für Qualität: Während sich andere durch den Morgen gähnen oder blödeln, leistet unsere Gewinnerin des Jahres Dunja Hayali starke journalistische Arbeit ab.

Mit Enissa Amani kürten wir bereits eine Durchstarterin des Jahres zu einer der medialen Gewinnerinnen 2015. Während die Entertainerin in den vergangenen Monaten praktisch von ganz unten nach ganz oben gelangte, hat eine andere Gewinnerin des Jahres schon längst in der Medienbranche Fuß gefasst. Dunja Hayali ist seit 2007 Teil der ZDF-Nachrichtenfamilie, seit 2010 ist sie als Hauptmoderatorin für das in Berlin produzierte «Morgenmagazin» der Mainzer Anstalt. Und diesen Job erledigt die Journalistin, die gerne betont, eigentlich Langschläferin zu sein, vom ersten Tag an auf bemerkenswertem Niveau.

Die in Westfalen geborene Tochter irakisch-christlicher Einwanderer tritt mit größter Souveränität auf. Zielstrebig wandelt sie auf dem kurvigen Pfad, den das Frühstücksfernsehen des ZDF im Grenzland zwischen aufklärerischer Ambition und der Lust am Unterhalten verfolgt. In Politiker-Interviews hakt sie kritisch nach, und dies effizient sowie ohne ein aufgesetzt mahnendes Timbre. Gleichwohl moderiert sie mit Esprit, doch nie mit überwältigender Morningshow-Happiness, kurzweilige Beiträge und Musikgäste an. Bei alldem bewahrt sie eine kritische, charakterstarke Haltung, die Hayali aber nie so penetrant zeigt, dass es selbstverliebt wirken würde.

Kurzum: Die Moderatorin ist genau das, was eine öffentlich-rechtliche Frühstückssendung braucht. Hayali ist keinesfalls eine Spielverderberin, sondern taucht engagiert in Filmgespräche mit dem formateigenen Kinoexperten ein und ulkt mit den Showacts der Sendung. Wenn die Showbusiness-Expertin des «MoMa» eines Morgens jedoch allein Interesse an miesem Klatsch und Tratsch zeigt, gibt es von Hayali einen süffisanten Seitenhieb, wie banal und abfällig die vorgetragenen Meldungen seien.

Wenn Hayali seit nunmehr fünf Jahren das ZDF-«Morgenmagazin» weit darüber hinauswachsen lässt, was der Zuschauer üblicherweise von einer solchen Sendung erwarten darf, wieso stellt die Hundebesitzerin dann ausgerechnet 2015 eine der herausragendsten Medienpersönlichkeiten dar? Die Antwort liegt traurigerweise im politischen Klima der Bundesrepublik: Solch eine Person wie Hayali, die nie ihr Engagement für eine verständnisvollere, offenere Gesellschaft mit gesunder Diskussionskultur zurückgehalten hat, braucht Deutschland dieses Jahr mit neuer Dringlichkeit. Und glücklicherweise wird Hayali seit Monaten für ihr Tun entlohnt!

Sie gehörte zu den ersten Fernsehjournalisten, die in ihren Moderationstexten mit ehrlichen und mit klaren Worten Abstand von PEGIDA genommen hat, statt die Bewegung, in der sich zahlreiche von Vorurteilsdenken gesteuerte Menschen gegenseitig zu ihrem Gedankengut gratulieren, mit beschönigenden Adjektiven zu schmücken. Sie vermochte es, anders als ihr bis vor kurzem zur Primetime talkender Kollege Günther Jauch, einem Björn Höcke zu kontern. Im Gespräch mit dem Intoleranz-Demagogen nahm sie seiner Hass schürenden Argumentation Wind aus den Segeln, ohne zu emotionalisieren und so seinen verblendeten Anhängern weiteren Grund zu geben, die Medien lauthals zu kritisieren.

Nicht, dass der pöbelnde Mob daher still sitzen würde: Ein «Morgenmagazin»-Beitrag, in dem Hayali eine Anti-Einwanderungs-Demonstration besucht und versucht, die von negativen Emotionen geleiteten Parolen der Anwesenden offen, aber kritisch zu ergründen, wurde mit dem Brechreiz erregenden Label „Lügenpresse“ versehen. Weil er ja die Geschehnisse von knapp einer halben Stunde auf wenige Minuten verkürzt hätte. Statt die AfD-Schreihälse ob ihrer lachhaften Medienkenntnisse zu verhöhnen (wenn sämtliche Reportagen in Echtzeit ablaufen müssten, können wir diesen Informationsweg gleich völlig begraben), reichte Hayali besonnen eine ungekürzte Version des Materials nach.

Ich fürchte mich davor, was noch alles passieren wird. Das ist Deutschland? Das ist unwürdig und beschämend. Für dieses Land, das so großartig ist.
Also hören Sie auf mit dem „Ja, aber“. Es geht jetzt um was. Denken Sie doch mal nach! Nicht die Flüchtlinge gefährden unsere Zukunft. Sondern Sie, die Sie mir diese ehrabschneidenden Nachrichten schicken.
Dunja Hayali antwortet bei Facebook auf Hasskommentare und Flüchtlingshetze
Es wird deutlich: Die Studentin der Deutschen Sporthochschule Köln bringt Geduld auf, wenn andere längst die Flinte ins Korn geworfen haben. Und das beweist sie auch in den sozialen Netzen. Ohne sich selbst mit hippen Labeln wie „Social Media News Manager“ oder ähnlichem auszustatten, nutzt Hayali Facebook und Twitter, um mit ihren Gegnern und der politisch rechten Seite zu diskutieren – stets in der Hoffnung, so Aufklärung betreiben zu können. In ihren ausführlichen, eloquenten und differenzierten Beiträgen geht sie auf die diffizilen Aspekte des Asylrechts ein, setzt ein Zeichen gegen die ewig gleiche „Ich hab ja nichts gegen Flüchtlinge, aber ...“-Argumentation und beweist Mumm gegen Hetze, die sie persönlich betrifft.

Hayalis Social-Media-Beiträge wirken niemals gekünstelt und versuchen nie, durch Simplifizierung „Likes“ zu erhaschen. Dass die Einwanderungswelle die Bundesrepublik vor knifflige Herausforderungen stellen wird, betont die Buchautorin, die im Sommer für wenige Wochen einen eigenen, sehenswerten «Donnerstalk» präsentierte, mit verlässlicher Regelmäßigkeit. Manche Branchenbeobachter würden Hayali aufgrund ihres Engagements und ihrer starken Persönlichkeit am liebsten aus dem Morgenprogramm befreien – jedoch würde dem vormittäglichen Informationsangebot damit eine wichtige Säule fehlen. So sehr Hayalis innere Schlafmütze es wohl verteufeln wird: Der Morgen braucht die Borussia-Mönchengladbach-Anhängerin, und daher sollte sie dort weiterhin Schalten und Walten. Morgenmuffeln bleiben ja noch immer Hayalis Postings – und hoffentlich auch weitere Ausgaben «Donnerstalk»!
08.12.2015 13:15 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/82470