Steven Gätjen: „Keiner möchte hören, man mache einen schlechten Job“

Am Samstag moderiert er den TV-Abschied von Stefan Raab. Ab Februar 2016 wird Gätjen dann zur neuen Showwaffe des ZDF, unter anderem als Moderator der neuen «Versteckten Kamera». Im Exklusiv-Interview erzählt er uns einige Anekdoten von «Schlag den Raab», wie es mit seinen «Disneyshows» weitergeht und wie er sich nach 16 Jahren ProSieben fühlt.

Zur Person: Steven Gätjen

Steven Gätjen ist in den USA geboren. Als er drei Jahre alt ist, zieht die Familie zurück in ihre alte Heimat Hamburg. Nach einem Radio-Volontariat absolviert dieser die „Hollywood Filmschool“ in San Francisco. Die TV-Karriere beginnt bei MTV in London. Für diverse Kino-Magazine führte der heute 43-Jährige bereits über 1.000 Interviews – sei es bei den „Oscars“ für ProSieben oder der «Disney Filmparade». Seit 2011 moderierte der neue ZDF-Moderator «Schlag den Raab» sowie zahlreiche «TV total»-Events und zuletzt auch vermehrt Disney-Formate wie die «Disney Magic Moments».
Steven Gätjen, nachdem zuvor auch Matthias Opdenhövel von «Schlag den Raab» zum öffentlichen-rechtlichen Fernsehen wechselte, scherzte Stefan Raab, die Show habe sich damit als Ausbildungsbetrieb für die Öffentlich-rechtlichen etabliert…
Ja, da hat Stefan recht! (lacht) Das ist super! Ich habe sogar noch vor Stefan Raab bei ProSieben angefangen. Ich weiß noch, als sie damals «TV Total» gelauncht haben. Zu der Zeit hatte ich schon «taff Extra» gemacht. Matthias ist auch ein super Moderator. Stefan hat mir sein Vertrauen ausgesprochen, mich damals angerufen und gefragt, ob ich das machen möchte. Dafür bin ich ihm total dankbar! Warum sollte er nicht die Lorbeeren einheimsen, wenn er bei Matthias und mir das Gespür hatte.

Beim ZDF werden Sie neue Shows moderieren – was ist da geplant?

Wir starten zunächst im Februar mit einer großen Gala, der «Versteckten Kamera 2016 – prominent reingelegt». Für mich ein Format, das ich total spannend finde, weil die Zusammensetzung einfach spannend ist. Da ist eine hochkarätige Jury mit Til Schweiger, Carolin Kebekus und Heiner Lauterbach dabei. Dazu wirklich klasse Promis, die Filme vorstellen, in denen sie selber andere Promis oder auch Normalos reinlegen. Das ist ein Genre, in dem ich mich wohlfühle und Spaß habe. Für mich war wichtig, dass ich da langsam rein glitsche. Mit meiner Live-Erfahrung aus den Raab-Shows habe ich etwas, wo ich mich austoben und mich dem ZDF-Zuschauer vorstellen kann. So können die sich gut an mich gewöhnen.

Apropos ProSieben: Die Sendung erinnert ein bisschen an «Prankenstein»…?
Ja, es gibt da «Prankenstein», es gibt «Verstehen Sie Spaß?», Jochen Schropp und Palina Rojinski haben dann auch noch solche Sendungen. Klar, es ist ein Genre, das die Leute kennen - mit guten und schlechten Seiten. Ich glaube, wir haben da einen netten Ansatz gefunden. Wir werden das Rad nicht neu erfunden, aber es wird sicher eine coole Sendung, die man sich mit sehr viel Spaß angucken kann. Ich habe schon ein paar Filme gesehen. Da waren Sachen zum Fremdschämen dabei und auch welche zum Lachen. Ich freue mich darauf! Mal schauen, ob das der richtige Grundstein ist, um da weiter zu gehen.

Eine neue ZDF-Show ist zudem «I can do that», in der Promis innerhalb einer Woche Challenges erlernen müssen. Mit Promi-Herausforderungen kennen Sie sich dank Stefan Raab ja aus…
Bei Stefan ist es immer schön zu wissen, dass Du eben nicht weißt, was passieren wird. Eine bessere Erfahrung kannst Du nicht sammeln. Stefan ist echt der Wahnsinn! Was der immer abliefert, Hut ab! Manchmal stehst Du dann da und denkst: Moment, wir haben das alles mit den Strohkandidaten genau durchgeprobt und dann kommt Stefan auf irgendwelche verrückten Sachen.
Moderator Steven Gätjen über die Arbeit mit Stefan Raab bei «Schlag den Raab»
Ja, aber das ist ja die Herausforderung – auch bei «Schlag den Raab». Bei Stefan ist es immer schön zu wissen, dass Du eben nicht weißt, was passieren wird. Eine bessere Erfahrung kannst Du nicht sammeln. Stefan ist echt der Wahnsinn! Was der immer abliefert, Hut ab! Manchmal stehst Du dann da und denkst: Moment, wir haben das alles mit den Strohkandidaten genau durchgeprobt und dann kommt Stefan auf irgendwelche verrückten Sachen. Wir proben im Vorfeld ja immer die Spiele, um das Regelwerk bis ins kleinste Detail abzuklopfen und so weiter. Stefan kommt Samstagabend um 19 Uhr, geht in die Maske und dann in die Live-Show. Und Du denkst Dir: Oh, darauf hätten wir vorher auch mal kommen können! Damit wird in der Show natürlich gespielt. Bei «I can do that» wird es für die Promis auch Herausforderungen geben. Aber eher eine Challenge als eine klassische Spielsituation.

Also nicht wie bei «Schlag den Star»?
Nein, es geht nicht darum, dass der eine Star den anderen Star schlagen muss. Jeder Promi muss etwas erlernen und das dann eine Woche später dem Publikum präsentieren. Das wird dann bewertet. Zudem geht es um das Pokern bei der Auswahl der Performance: Drückst Du direkt bei der ersten Aufgabe, weil Du der Meinung bist, das passt zu Dir? Oder wartest Du noch bis alle vier Aufgaben vorgestellt wurden? Damit gehst Du natürlich das Risiko ein, dass Du am Ende vielleicht etwas machen musst, was Du überhaupt nicht kannst! Da kannst Du dann die Promis aus der Reserve locken und herausfordern.

Wie sehen Sie da Ihre Rolle des Moderators? Bei den Promis ist die Fallhöhe ja höher, wenn eine Challenge nicht klappt...
Ich glaube, da ist Ehrlichkeit ganz wichtig. Es ist immer einfach, auf jemanden drauf zu hauen, der schon am Boden liegt. Das will ich definitiv gar nicht! Das habe ich auch durch die Raab-Events gelernt, sei es «Turmspringen», «Stock Car Crash Challenge» oder «Wok WM». Da gab es Leute, die waren mehr talentiert und eben Leute, die waren weniger talentiert. Ich denke da zum Beispiel an den Kugelblitz Aílton, der in der Wok-Bahn stecken bleibt und einfach mal zehn Minuten für die Strecke braucht, für die Andere eineinhalb Minuten brauchen. Ich sehe meine Aufgabe darin, Spaß zu haben! Das gilt auch für die Promis, aber ich werde sicherlich auch mal nachhaken oder piksen. Das kann man respektvoll und positiv machen - oder bösartig, aber so will ich das gar nicht! Da habe ich keinen Bock drauf! Warum auch?

Warum soll ich jemanden in die Pfanne hauen, wenn der sich da vorne hinstellt und Breakdance macht oder was eben sonst die Aufgabe war. Ich finde es super, dass jemand sich das traut. So soll es ja auch rüberkommen. Man wird Momente zum Lachen haben, aber sicher auch Momente, wo man sagt: Hey, warum hast Du ernsthaft geglaubt, Du kannst so etwas in einer Woche lernen? Aber wenn man das mit einer positiven Einstellung macht, dann funktioniert das auch. Genau darum geht es ja. Es ist Unterhaltung! Einige sagen immer, es muss eine Message geben –warum? Lasst Euch doch einfach mal eineinhalb Stunden unterhalten! Ich bin früher mal in den Film «Armageddon» gegangen, der Film mit Bruce Willis. Danach kam ich raus aus dem Kino und Leute sagten: Ey, das geht doch gar nicht! Man kann doch gar nicht auf einem Meteoriten landen wie in dem Film! Da habe ich gesagt: Hey, warum gehst Du mit so einer Einstellung in den Film? Es gibt ja auch nicht Mittelerde, aber trotzdem fand ich «Herr der Ringe» sensationell! Es gibt auch nicht Darth Vader, aber trotzdem finde ich «Krieg der Sterne» gut. Es gibt auf der anderen Seite aber auch «Bridge Of Spies», eine wahre Geschichte von Steven Spielberg als Film umgesetzt. Es gibt für jeden etwas! Ich will Spaß haben! Ich will, dass Du mit Deinen Kumpels oder Deiner Freundin zu Hause vor dem Fernseher sitzt und neunzig Minuten etwas zu lachen hast.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie es mit seinen "Disneyshows" weitergeht und inwieweit er denkt, er kann auch junges Publikum nun zum ZDF locken.


Haben Sie beim ZDF einen Exklusiv-Vertrag? Sind TV-Ausflüge wie für die „Disneyshows“ weiterhin möglich?
Ich habe einen Exklusiv-Vertrag beim ZDF. Aber die „Disneyshows“ werde ich weiterhin machen, die „Oscars“ bei ProSieben aber ziemlich sicher nicht mehr – leider. Das hat mir immer extrem viel Spaß gemacht. Aber das ist natürlich eine Entscheidung, die letztlich der Sender fällt, womit ich nichts zu tun habe. Das ZDF war aber immer offen zu mir und meiner Leidenschaft. Daher haben die gesagt: Für die großen Shows bist Du bei uns und über alle anderen Sachen können wir immer sprechen – das war mir ganz wichtig. Ich war 16 Jahre bei ProSieben und habe da ganz viel machen dürfen. Es hätte so ja auch gut weitergehen können. Ich gehe da also im Guten und mit der Unterstützung von Stefan Raab. Wer weiß, wann sich die Wege nochmal kreuzen. Aber das ist jetzt für mich momentan sekundär, denn ich freue mich sehr auf das ZDF und das, was jetzt kommt.

Sie kennen Stefan Raab durch seine Shows. Können Sie sich ein Raab-Comeback vorstellen?
Ich glaube, da braucht jeder eine Pause. Die gönne ich ihm und die soll er genießen. Was danach kommt, weiß nur er!
Steven Gätjen über Stefan Raabs Entscheidung Ende 2015 die TV-Rente anzutreten
Ich respektiere seine Entscheidung sehr und ich finde es bewundernswert, dass er sie getroffen hat. Wenn man sich mal anschaut, was der alles gemacht und gewonnen hat – der absolute Wahnsinn! Ich glaube, da braucht jeder eine Pause. Die gönne ich ihm und die soll er genießen. Was danach kommt, weiß nur er! (lacht)

Im Unterhaltungsbereich gelten Sie jetzt als neue Hoffnung im ZDF-Showprogramm…
A new hope – Wie im ersten Teil von «Star Wars»! (lacht) Ich möchte einfach Spaß! Ob ich nun die neue Hoffnung bin? Das klingt immer so, als ob das ZDF vor Steven Gätjen nicht erfolgreich war. Das ist ein unglaublich erfolgreicher Sender mit vielen Sendergesichtern.

Absolut, aber wie ist das in der jüngeren Zielgruppe? Ganz wertfrei betrachtet ist der durchschnittliche ZDF-Zuschauer aber älter als der durchschnittliche ProSieben-Zuschauer…
Ja, das ist richtig. Aber es wird sicherlich der ein oder andere jetzt zum ZDF umschalten. Der Senderwechsel ändert ja auch nichts an meinem Moderationsstil. Wobei ich heute sicherlich auch anders moderiere als zu Anfangszeiten bei MTV. Aber das lag ja auch nicht daran, dass ich von MTV zu ProSieben gekommen bin oder jetzt von ProSieben zum ZDF gehe. Das hat einfach etwas mit der Erfahrung und meinem Alter zu tun. Früher mit 20 habe ich auch bis tief in die Nacht gefeiert, habe eine Stunde geschlafen und dann drei Stunden Basketball gespielt. Das kann ich heute einfach physisch nicht mehr! (lacht) Ich glaube, die Dinge verändern sich mit dem Alter. Ich bin ein totaler Bauchmensch, was meine Gefühle angeht. Wenn mein Bauch sagt, schieß das raus, dann sage ich das auch so – egal, ob beim ZDF, MTV oder ProSieben. Ich möchte mir den Mund nicht verbieten lassen! Ich werde mir auch nicht vorschreiben lassen, was ich tue! Konstruktiv kann man mit mir immer darüber reden, ob etwas Sinn gemacht hat. Im Nachhinein weiß ich auch, da und da habe ich vielleicht über das Ziel hinaus geschossen. Oder da und da hätte ich noch etwas bissiger sein müssen. Aber das ist ein Lerneffekt für mich. Da werde ich in keiner Art und Weise versuchen, etwas anders zu machen. Ob jetzt Zuschauer von ProSieben sich auch Sachen im ZDF anschauen, wünsche ich mir natürlich. Wir werden sehen. Ich will meinen Job mit ganz viel Leidenschaft machen. Wenn danach jemand sagt: Ich mag den Gätjen nicht, aber man merkt, der hat sich gut vorbereitet, dann ist das das Wichtigste für mich!

«Wetten, dass..?» war bei Ihnen und dem ZDF bisher aber kein Thema?
Das ist so, als würdest Du mir eine Pfanne auf einer heißen Herdplatte hinstellen und würdest sagen, ich soll die anfassen
Steven Gätjen auf die Frage, ob er sich mit der Moderation von «Wetten, dass..?» befasst habe
Nein! Das ist so, als würdest Du mir eine Pfanne auf einer heißen Herdplatte hinstellen und würdest sagen, ich soll die anfassen! Zu diesem Thema sich zu äußern, kann einen nur in eine missliche Lage bringen (lacht). Ich sage nur: Es war eine super Show! Ich bin nicht mit der Maxime zum ZDF gekommen, ich mache jetzt «Wetten, dass..?». Das ist ein großartiges Showformat – noch immer. Damit sind wir alle aufgewachsen. Thomas Gottschalk hat das Format extrem geprägt und auch Markus Lanz hat einen wirklich guten Job gemacht! Die Häme und die Art und Weise, wie auf den eingeprügelt wurde - muss ich ganz ehrlich sagen - finde ich mehr als befremdlich! Das war am Ende einfach nur auf den Sack hauen als sich objektiv anzuschauen, was dahinter steckt. Wenn Du immer wie ein angeschossenes Reh durch den Wald laufen musst, ist das auch nicht schön. Schade. Aber es war die richtige Entscheidung und die hätte vielleicht schon früher kommen müssen.

Beschäftigen Sie sich mit Quoten und der Berichterstattung über Ihre Person?
Das Problem ist, dass in unserem Geschäft der Erfolg letztlich immer an der Einschaltquote gemessen wird. Es ist manchmal absurd zu verstehen, wer eigentlich für die Quoten zuständig ist und was für einen Impact die auf uns alle haben – in der Verhältnismäßigkeit. Klar schaue ich auch auf die Quoten und lese, was über mich geschrieben wird. Das lässt sich ja auch gar nicht vermeiden. Ich glaube, die Kunst ist, die Distanz zu waren. Das ist manchmal sehr schwer, denn jede Kritik geht an die Nieren. Keiner möchte im Privatleben hören: Hey, Du bist ein A…! So ist das ja auch im Beruf. Ich finde es ganz spannend zu sehen, wie wir uns gesellschaftsmäßig durch all die sozialen Netzwerke verändern und was es mit uns macht, wenn überall schnell mal Kommentare zu lesen sind. Wenn ich mich – keine Ahnung – Peter, Paul und Mary 123 nenne und schreibe, ich finde den Gätjen doof - dann finde ich das manchmal echt befremdlich!

Ich habe so etwas auch auf meiner Facebook-Seite. Ich gehe dann immer in die Konfrontation. Bisher ist es aber immer so gewesen, dass ich darauf dann keine Reaktion mehr bekommen habe. Wenn zum Beispiel irgendjemand geschrieben hat: Mensch, der Gätjen ist so sch… und ist immer so unvorbereitet! – Dann antworte ich: Ok, dann sag mir bitte wann oder wo? Die haben daraufhin aber immer ihre Beiträge selbst gelöscht oder haben nicht reagiert. Die vermeiden die Konfrontation, aber verletzen einen durch solche Aussagen. Es ist immer einfacher, jemanden niederzuschreiben als mal etwas Positives zu finden. Das zieht sich durch alle Medienkanäle. Das finde ich schade! Ich denke, keiner möchte hören, man mache einen schlechten Job. Vor einer Kritik ist man also nie gefreit. Man liest das ja immer, aber ich glaube bei mir nicht, dass das mit dem Alter besser wird (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch, Steven Gätjen.
17.12.2015 11:23 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/82629