In einer letzten, emotionalen Ausgabe überraschte «Schlag den Raab» mit einem neuen Spiel-Modus. Die Ausgabe verlor dadurch an Spannung, trotzdem reißt das Show-Ende eine große Lücke.
«Schlag den Raab»-Facts
- Erstausstrahlung: 23. September 2006
- Produktionsfirmen: Raab TV und Brainpool
- Produktionsort: Köln-Mülheim
- höchste Reichweite (ab 3): 4,00 Mio. (18.09.10)
- höchste Quote (14-49): 34,9% (23.05.09)
- Sendelänge: 226 bis 371 Minuten
- Episoden: 55
- Rekord-Jackpot: 3,5 Mio. Euro (15.12.12)
„Herzlich Willkommen zur allerletzten Ausgabe von «Schlag den Raab»“, kündigte die durch «TV total» bekanntgewordene Stimme Manfred Winkens‘ zur besten Sendezeit an. Sollten es «Schlag den Raab»-Fans bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert haben, zementierte man nun die Gewissheit im kollektiven Bewusstsein, dass am Samstag, dem 19. Dezember 2015, eine große Showidee ihr Ende im deutschen Fernsehen fand – und mit ihr die Karriere von Erfinder Stefan Raab. Schon gleich zum Start der Sendung erklärte Moderator Steven Gätjen, dass man von diesem Abschluss nicht den üblichen Ablauf erwarten solle. Anstatt dass wie gewohnt zu Beginn unter fünf Kandidaten Raabs einziger Gegner für den Abend vom Fernsehpublikum gewählt wurde, schickte Gätjen für jedes der 15 Spiele einen neuen, zufällig ausgewählten Kandidaten aus dem Studiopublikum ins Rennen gegen Raab. Die Anwesenden im Studio in Köln-Mülheim, die vorher in bloße Zuschauer und potenzielle Kandidaten aufgeteilt wurden, sollen davon selbst vorher nichts gewusst haben.
Damit änderte sich auch der Spielmodus. Pro Wettkampf hatten die Kandidaten die Möglichkeit, einen Geldkoffer mit 100.000 Euro zu erspielen, sollte aber Raab die Spiele für sich entscheiden, wanderten die 100.000 Euro in einen End-Jackpot, den die Gewinner des Abends unter sich ausmachten. Diese neue Prämisse brachte Vor- und Nachteile mit sich. Vorwiegend konsterniert nahmen die sozialen Medien die Neuausrichtung der letzten Ausgabe zur Kenntnis, hatte man doch im üblichen Modus die Chance, einen Kandidaten über den Abend hinweg kennenzulernen, während sich zwischen ihm und Stefan Raab aufgrund der Siege und Niederlagen eine Dynamik entwickelte, was zur immer größer werdenden Spannung beitrug. Auf der anderen Seite bekamen jedoch mehr Personen eine Chance auf einen mindestens sechsstelligen Gewinn, es wurden also mehr Menschen glücklich gemacht und der gesamte 1,5 Millionen Euro-Jackpot, mit dem «Schlag den Raab» in die letzte Folge ging, wurde letztlich verteilt. Darüber hinaus erhielten nun zum ersten Mal Personen die Chance zur Teilnahme, die nicht vom sonst sehr strengen Casting der Produktion ausgesiebt worden wären.
Auch Stefan Raab brachten die Änderungen Vorteile, so richtig verlieren konnte der ‚Raabinator‘ zum Ende seiner Karriere nämlich dadurch nicht. Das Risiko einer krachenden, unwürdigen Niederlage war dadurch nicht gegeben, allerdings genauso wenig wie die Dramatik, die sich Zuschauer in einer solchen letzten Episode sicherlich gewünscht hätten. Auch der unbedingte Wille Raabs, der ihn in der Geschichte des Formats auszeichnete, schien so zuweilen etwas auf der Strecke zu bleiben, das zeigte sich beispielsweise in den von ihm verlorenen, frühen Spielen „Smart DJ“ oder „Wann war das?“. So geriet der wohl letzte Fernsehauftritt Raabs, der von Anfang an darum bemüht schien, seinem Abschied nicht zu viel Bedeutung beizumessen, nicht nur zum Abend des Entertainers, sondern auch zum Abend der Kandidaten, der Normalos.
Sechs von 15 Kandidaten bezwangen den Fernsehstar, daher ging es am Ende um 900.000 Euro, nachdem Kandidatin Linda in „Das Rad“, dem allerletzten «Schlag den Raab»-Spiel mit Stefan Raab, gegen letzteren gewann, obwohl sie ausschließlich aufgrund der Fehler Raabs punktete. Im Entscheidungsspiel „Klackern“, einem Geschicklichkeitsspiel, spielte Raab selbst nur Zuschauer und beobachtete, wie Kandidat Hendrik bereits im ersten Durchgang mit insgesamt einer Million Euro nach Hause ging. Auch aufgrund der Disziplin selbst, in der ein bekanntes Kinderspielzeug dazu genutzt werden sollte, einen Ball in die Luft zu schießen und wieder aufzufangen, kam im letzten Wettkampf die große Spannung nicht auf. Doch dies sind ebenfalls die Live-Momente, die man nun einmal nicht schreiben kann und die genauso gut zu einem Herzschlagfinale hätten führen können.
Trotz der höheren Strukturiertheit der Episode, kam es auch in der letzten Sendung, die die Heavytones live musikalisch begleiteten, zu Unvorhergesehenem. So wurde zufällig Kandidat Maurice aus dem Publikum auserkoren, der bereits in «TV Total» gegen Raab in „Blamieren oder Kassieren“ gewann. Ausgerechnet diese Disziplin war es auch, in der Maurice danach gegen Raab unterlag und in der Elton das letzte Mal in seiner gewohnten Rolle in einem Raab-Format in Erscheinung trat. Später versagten Kommentator Frank Buschmann und Elton im Dosenschießen-Duell, in dem Raab zuvor Kandidat Jörn unterlag, während 'König Lustig' Buschmanss Platz in der Kommentatorenkabine einnahm.
Obwohl die Kandidaten letztlich stärker in den Mittelpunkt rückten und Raab nicht immer so leidenschaftlich um den Sieg rang wie üblich, ging seine Abschiedsshow Stefan Raab natürlich nahe – wie könnte es anders sein, hatte er doch allein im Zuge von «Schlag den Raab» denkwürdige Abende bestritten, wie eine Top-Ten der spektakulärsten Show-Momente an verschiedenen Stellen der Sendung zeigte. Raab verabschiedete sich letztlich neben einem vor Glück fassungslosen Hendrik mit den Worten:
„Ich will gar nicht viel sagen. Sie wissen, die Show endet immer mit einem Lied. Ich bedanke mich, dass Sie immer zugeschaut haben in all den Jahren. Glücklicherweise sind die Heavytones hier und deswegen singe ich noch etwas für Sie."
Danach schmetterte Raab selbst, wie könnte es anders sein, Whitney Houstons „One Moment in Time“, das die Sendung traditionell beendete, nicht ohne den emotionalen Moment mit einem Testbild humoristisch zu brechen und danach im Rentier-Kostüm seine Karriere mit einer fetzigen Version von Chuck Berrys „Run Run Rudolph“ und einem großen Knall abzuschließen. "Machen Sie's gut. Vielen Dank. Ich hoffe, Sie hatten ein bisschen Spaß", brachte Raab noch in Richtung Kameras heraus, ehe er ein Bad in der Menge nahm.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, was «Schlag den Raab» auszeichnete und was das Ende der Show für das deutsche Fernsehen bedeutet.
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Wenig spektakulär, dafür ebenfalls emotional, endete «TV total» am Mittwochabend in einer nur leicht verlängerten Ausgabe, dennoch zeigten sich die meisten Fans der Late-Night-Show zufrieden mit dem leisen Abgang von Stefan Raab und seinem Weggefährten Elton. Ohnehin war der opulente Abschied von König Lustig einem anderen Format vorenthalten. Als Schlusspunkt für die beispiellose TV-Karriere des Entertainers, der Millionen von Zuschauern, zunächst bei VIVA, später bei ProSieben mit «TV total», den «TV total»-Events oder auch seinem Polit-Experiment «Absolute Mehrheit» unterhielt, schien von vornherein Raabs wohl beste Showidee «Schlag den Raab» den perfekten Rahmen zu liefern. So geriet der 19. Dezember 2015 zum großen Abschied in doppelter Hinsicht. Zu dem eines Unterhalters, der zu den prägenden Größen Fernseh-Deutschlands nach der Jahrtausendwende zählte und zu dem eines verwegenen Formats, das in seinem großen, von vielen Faktoren beeinflussten, Anreiz künftig seines Gleichen sucht und hoffentlich auch findet.
Dies lag vor allem daran, dass sich sowohl ProSieben als auch Stefan Raab mit «Schlag den Raab» aus ihrer Komfort-Zone herausgetraut haben. Bei «Wetten, dass…?», das über Jahrzehnte als Sinnbild der Samstagabend-Unterhaltung galt, waren die Rollen klar verteilt und gelernt, damit ein gewisses Risiko nicht von Nöten. Mit der Prämisse von «Schlag den Raab» aber, zwang sich Raab selbst im Rahmen jeder Show zu Höchstleistungen, aus denen die unerwarteten Ereignisse hervorgingen, die so oft den Reiz des Formats ausmachten. Das wurde erst in der vorletzten Ausgabe wieder allzu deutlich, als mehrfache Stürze mit einem Elektro-Rollstuhl nach Segway-Idee die Liste der Raab-Verletzungen in der Samstags-Show verlängerte.
Der ungemein ehrgeizige Metzgersohn war sich seiner Fallhöhe nur allzu bewusst, schätzte diese vielleicht sogar noch um einiges größer ein und wuchs so auch gegen körperlich weit überlegene Kontrahenten über sich hinaus. Dieses Gehen der Extra-Meile und Out-of-the-Box-Denken bei einigen Spielen vermisste man beispielsweise beim Pendant «Schlag den Star», was umso deutlicher machte, dass die Sendung ohne Raab keine Zukunft haben wird. Auch die Zelebrierung des Live-Erlebnisses, die eine jede Ausgabe so unvorhersehbar machte, ging den aufgezeichneten «Schlag den Star»-Episoden natürlich ab.
ProSieben, das über all die Jahre hinweg gelernt hatte, Raab das nötige Vertrauen zu schenken, brachte jedoch zum Start der Sendung und über den neunjährigen Run hinweg auch die nötige Toleranz und Spontaneität mit, die man heutzutage im Fernsehen nur noch selten findet. Nie wusste man im Vorfeld, wie sich Raab gegen seinen Gegner schlagen würde – die Sendungslänge war daher nicht abzuschätzen und das Folgeprogramm dementsprechend anzupassen. Dies lag auch in der Natur der häufig sehr raffinierten, aber auch oft neuen und daher unerprobten Spiele begründet. So kam es schließlich am 15. November 2014 zur längsten Ausgabe aller Zeiten, die sich über 6 Stunden und 11 Minuten erstreckte, da es die Kontrahenten im Rahmen des Spiels „Ringing the Bull“ etwa eine Stunde lang nicht schafften, eine Öse an einem Haken anzubringen.
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Unsere Kritik zur ersten Ausgabe «Teamwork»
Generell muss man Brainpool dabei ein großes Lob aussprechen, die bei der Ansetzung und Kreation von Spielen immer wieder großen Abwechslungs- und Erfindungsreichtum bewiesen – umso nachdenklicher stimmen die Kündigungen an den Mitarbeitern, denen Weiterbeschäftigung und Abfindung verweigert werden sollen. Neben dem Vertrauen, das ProSieben aber in Sachen Sendezeit bewies, war es ebenfalls am Münchner Sender, die teilweise sehr aufwändigen Produktionen finanziell zu stemmen, nicht zuletzt wegen der hohen Preisgelder. Diese Art Blankoscheck muss ProSieben künftig bei seinen Samstagabend-Shows nicht mehr ausstellen, dafür gerät aber auch die Gefahr größer, dass Fernsehzuschauer bald nicht mehr das Gefühl haben, etwas zu verpassen, wenn man am Samstag zwischen ProSieben und anderen Sendern wählen muss. So wird der Staffelstab an eine neue Generation weitergegeben, unter anderem an das auch im Jahr 2016 noch präsentere Duo Joko und Klaas, das vor allem im Rahmen von «Joko gegen Klaas- das Duell um die Welt», dafür nicht immer mit «Mein bester Feind» die Zuschauer in ansehnlichem Maße anlockte. Einen Hoffnungsschimmer stellt unterdessen konzeptionell das bereits ein Mal getestete «Teamwork» dar, das mit fünf Stunden Bruttolaufzeit zum Start ebenfalls nicht mit Sendezeit geizte. Hier fühlte man sich auf Anhieb an «Schlag den Raab» erinnert, dennoch hängt die Attraktivität auch immer wesentlich von den mitmischenden Promis ab.
Mit dem Ende von «Schlag den Raab» geht ein großer Entertainer und eine große Show-Idee, die den Fernsehkonventionen bis zum Schluss trotzte. Der zum jetzigen Zeitpunkt prognostizierte Schritt in Richtung Beliebigkeit am Samstagabend, reißt zweifelsohne eine Lücke in Fernsehdeutschland, die 2016 noch nicht adäquat zu füllen ist, obwohl auch «Schlag den Raab» in der Regel nur sechs Mal jährlich über den Äther ging. Gleichwertig ersetzen kann man «Schlag den Raab» nicht, das bedeutet jedoch nicht, dass es für ProSieben am Samstagabend jetzt nur noch abwärts gehen kann. Es bedarf eines gründlichen Scoutings nach frischen Ideen, in die es sich in gleichem Maße zu investieren lohnt. Zumindest teilweise deuteten Samstagabendshows der roten Sieben dieses Potenzial in der jüngeren Vergangenheit an. Vielleicht will aber Raab genau das: Dass die Raab-Sehnsucht Fernseh-Deutschlands nach seinem Abschied in Anbetracht fehlender neuer Hits immer größere Formen annimmt und seinen Status als Show-Ikone auf ewig unterstreicht.