«Pets»-Regisseur Chris Renaud: ‚Social Media hat verändert, wie wir unsere Haustiere wahrnehmen‘
Regisseur Chris Renaud hat mit den «Ich – Einfach unverbesserlich»-Filmen der Trickfilmwelt die Minions beschert. Dieses Jahr zeigt er in «Pets», was Haustiere treiben, wenn wir wegschauen. Mit Quotenmeter.de sprach Renaud über Inspirationen und den Storyprozess hinter dem kommenden Animationsfilm.
Zur Person: Chris Renaud
Der im Dezember 1966 geborene Animationsfilmmacher Chris Renaud ist studierter Illustrator und begann seine Karriere als Grafikdesigner in der Sportindustrie. Nachdem er diverse Logos sowie Maskottchen für NBA- und NFL-Teams gestaltete, wechselte er in die Comicbranche, wo er sowohl für Marvel als auch DC Comics zeichnete und Storys verfasste. Nach einigen Jahren im Kinderfernsehen wechselte er zu den Blue Sky Studios. Zunächst in der Storyabteilung tätig, inszenierte er letztlich den Oscar-nominierten «Ice Age»-Kurzfilm «Keine Zeit für Nüsse» mit, bevor er nach Frankreich zog. Von dort aus inszenierte er für Illumination Entertainment die «Ich – Einfach unverbesserlich»-Filme sowie «Der Lorax».
Der erste Trailer zu «Pets» könnte genauso gut ein alleinstehender Kurzfilm sein – was ihn im Kino unter anderen Trailern sehr erfolgreich herausstechen lässt. Sind die Szenen denn genau so im Film zu sehen oder sind das speziell für den Trailer erdachte Momente?
Es ist ein bisschen was von beidem. Die Szenen kommen alle im Film vor, wir schneiden sie aber anders aneinander und sie erstrecken sich über einen etwas längeren Zeitraum. Wir haben den Trailer aber gezielt wie einen Kurzfilm erstellt, weil wir dies als die perfekte Möglichkeit gesehen haben, um unsere Figuren einem großen Publikum vorzustellen. Mit einem praktisch dialogfreien, pointierten Trailer respektive Kurzfilm können wir Alters- und Sprachgrenzen überwinden und obendrein den Humor vorführen, der uns mit «Pets» vorschwebt.
Darüber hinaus wird die Prämisse von «Pets» unmissverständlich vermittelt: Es geht darum, was Haustiere so treiben, wenn ihre Besitzer nicht zu Hause sind. Eine so simple wie einleuchtende Idee für einen Animationsfilm – und eine, bei der ich überrascht war: Moment, wieso gab es das noch nicht in der Form?
(lacht) Ja, genau dieselbe Reaktion kam bei uns im Studio auf, als wir die Idee zum Film besprochen haben! Es gibt bereits viele Animationsfilme über Katzen und Hunde, doch keinen, der so aufgezogen ist, dass er auf das geheime Leben von Haustieren blickt. Wir waren uns während der Produktion dennoch bewusst, dass wir, wenn man mit etwas Abstand darauf blickt, in einer langen Tradition stehen. Vor allem Disney hat große Klassiker erschaffen, wie «Susi & Strolch», «101 Dalmatiner», «Aristocats» oder erst kürzlich «Bolt – Ein Hund für alle Fälle». Diese Filme erzählen alle schöne, lustige Abenteuer mit Hunden und/oder Katzen. Allerdings wollten wir uns nicht an diesen Beispielen orientieren, sondern einen anderen Blickwinkel auf Haustiere wählen: Es geht um das alltägliche Zusammen- beziehungsweise Aneinandervorbeileben zwischen Mensch und Tier.
Haben Sie sich zur Inspiration trotzdem noch einmal ganz bewusst die genannten Disney-Klassiker angeschaut oder andere Trick- oder Realfilme?
Nein, wir haben uns dagegen entschieden. «Pets» ist außerdem stark davon geprägt, wie wir heutzutage unsere Tiere wahrnehmen – durch Social Media. Seit einigen Jahren hat es sich völlig verändert, wie wir Menschen über Haustiere nachdenken, und das liegt an den Unmengen von lustigen YouTube-Videos, Facebook-Fotopostings und Tweets, die über Haustiere existieren. Es gibt ungefähr so viele putzige Katzenvideos im Internet wie Sand am Meer. (lacht)
Außerdem hatten wir für einige Tage im Produktionsbüro Besuch von echten Hunden und deren Trainern, damit wir das Verhalten der Vierbeiner auch am Arbeitsplatz genau studieren können – und das als Unbeteiligte. Wir haben uns im Team darüber hinaus ausführlich über eigene Erfahrungen mit Haustieren ausgetauscht, insbesondere darüber, wie sie sich verhalten, wenn sie sich vom Herrchen oder Frauchen unbeobachtet fühlen. Kurzum: Wir lieben die klassischen Disney-Filme, aber wir wollen mit «Pets» etwas Eigenes und Kontemporäres erschaffen. Daher haben wir bewusst Abstand von ihnen genommen.
Die Hauptfiguren von «Pets»
Max, ein neurotischer Terrier mit starker Fixierung auf sein Frauchen
Duke, ein strubbeliger, chaotischer Mischling
Chloe, eine dicke, arrogante Katze
Norm, ein Meerschweinchen
Tiberius, ein stolzer Adler
Buddy, ein gelassener Dachs
Während Sie die «Ich – Einfach unverbesserlich»-Filme zusammen mit Pierre Coffin inszeniert haben, teilen Sie sich bei «Pets» die Regiepflichten erstmals mit Yarrow Cheney. Änderte sich dadurch auch der Arbeitsprozess?
Ja, durchaus. Bei Pierre und mir war es so, dass wir beide als gleichberechtigte Regisseure tätig waren und uns die Arbeit so aufgeteilt haben, dass ich die Story-Abteilung übersehen habe, während Pierre das Animations-Team geleitet hat. Natürlich haben wir uns ständig abgesprochen und an einem Strang gezogen, aber es gab keine klare Hierarchie. Mit Yarrow ist es so, dass ich für «Pets» als Regisseur zuständig bin und er unter mir die Funktion eines Ko-Regisseurs ausfüllt. Auch ist die Pflichtenaufteilung eine andere: Er hat einen Hintergrund als Produktionsgestalter und hat bei «Pets» sehr intensiv mit Colin Stimpson, unserem Art Director, zusammengearbeitet sowie mit unserem Konzeptzeichner Brett Nystul. Yarrow hat zu großen Teilen den Look des Films gestemmt, war aber beispielsweise nicht mit dabei, wenn die Sprachaufnahmen mit unserem Voice Cast stattfanden. Allerdings stand er mir gelegentlich zur Seite, wenn ich bei unserem Cutter Ken Schretzmann war, und somit hat Yarrow sein Scherflein zum Storyaufbau beigetragen.
Apropos: Der erste Trailer zeigte ja nur einen Teilaspekt des Films. Im neuen Trailer wird ersichtlich, dass «Pets» auch eine Abenteuergeschichte erzählt. War diese von Tag eins an Teil des Storyentwurfs?
Nein, das war es tatsächlich nicht. Wir hatten zunächst nur die Idee, einen modernen Film darüber zu erzählen, was Haustiere so treiben, wenn wir sie alleine zuhause lassen. Dann haben wir uns Gedanken über den Look von «Pets» gemacht sowie darüber, von welchen Figuren er handeln sollte. Nachdem wir das festgelegt haben, begann für uns die Brainstorming-Phase: Was könnte diesen Figuren widerfahren? Wir haben im Story-Team zahlreiche Ideen besprochen, darunter waren auch manche richtig abgedrehte, allerdings mussten wir uns da wieder bremsen. Schließlich wollten wir einen etwas bodenständigeren, etwas näher am Leben orientierten Animationsfilm über Haustiere verwirklichen. Dann kam glücklicherweise die Frage auf: Was, wenn Max, eine der Hunde-Figuren, auf die wir uns schon geeinigt haben, eifersüchtig wird, weil sich seine Besitzerin einen zweiten Hund anschafft?
Dieser Gedanke fand bei uns im Team sofort großen Zuspruch, weil er so großes Identifikationspotential hat. Nicht nur Haustierbesitzer kennen es, wie eifersüchtig ein Tier werden kann, wenn es auf einmal nicht mehr die alleinige Aufmerksamkeit erhält – auch Eltern machen mit Kindern solche Erfahrungen. Und manchmal sind wir selbst es, die sich auf einmal in einer Situation wiederfinden, in der wir denken: „Pah, was will denn dieser Neue hier?!“ Als wir diese Dynamik ausgearbeitet hatten und für Max als Konkurrenten die Figur des Mischlingsrüden Duke entworfen hatten, konnten wir darüber sinnieren: In welches Abenteuer können sich diese Beiden nun manövrieren? Da hat es uns auch wieder erlaubt, ein paar unserer fantasiereicheren Ideen in die Story einzustreuen. Denn wenn wir eine Geschichte mit einem glaubwürdigen Kern erzählen, in der sich ein eifersüchtiger Hund und ein Hund, der endlich akzeptiert werden möchte, in der Großstadt verlaufen, dann haben wir genug Bodenständigkeit, um gelegentlich schrägere Gags einzubauen. Wir glauben, so die richtige Balance zwischen authentischen Emotionen und abenteuerlicher Spannung gefunden zu haben.
«Pets» ist Ihr letzter Film unter Ihrem alten Vertrag mit Illumination Entertainment. Allerdings haben Sie bereits ihren Deal verlängert. Für wie lange?
Das weiß man bei Animation nie, es ist ja eine sehr zeitraubende Kunstform. Vielleicht bin ich noch zwei Jahre da, oder vier, oder acht … (lacht) Jedenfalls sieht mein neuer Vertrag vor, dass ich nach «Pets» zwei weitere Regiearbeiten für Illumination Entertainment leiste. Und das mache ich sehr gerne!