Christian Ulmens neue TV-Produktion will Boulevardmagazine parodieren. Über Selfie-Arme, Nippelblitzer und den Humor von It-Girls…
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In «Starshine» gehen wir den Promi-Geschichten auf den Grund, wir zeigen die wirklich wahre Wahrheit - und manchmal sogar noch mehr. Wir wissen schon heute, welcher Promi morgen schwanger ist, eine Affäre hat oder eine neue Nase.
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Collien Ulmen-Fernandes
Es ist ein bisschen stiller geworden um Christian Ulmen, den Entertainer und Satiriker. Der Volksschauspieler Ulmen hat mittlerweile die Bühne betreten, spätestens seit seiner Rolle im Weimarer «Tatort». Ulmen ist dadurch bekannter als jemals zuvor, den komödiantisch-elitären Feingeist gibt er allerdings kaum mehr. Wer ihn noch aus seiner MTV-Schaffensphase kennt oder auch aus seiner genialen ProSieben-Sendung «Mein neuer Freund», der wird diesen Christian Ulmen vermissen. Den, der experimentierfreudig und satirisch glänzend war.
Seit einigen Jahren tritt Ulmen als Fernsehproduzent auf, auch damit hängt seine veränderte Rolle vor der Kamera zusammen. 2008 gründete er die die Produktionsfirma Ulmen Television, kreierte am Anfang vor allem Inhalte mit ihm selbst als Hauptdarsteller, er schlüpfte in Rollen wie Alexander von Eich und Uwe Wöllner, die man schon aus «Mein neuer Freund» kannte. Mit Wöllner folgten weitere Formate. Zweites großes Gesicht bei der Produktionsfirma – neben Ulmen selbst – wurde Benjamin von Stuckrad-Barre, mit dem bislang drei Formate produziert wurden, allesamt hochgelobt. Insbesondere seine ungewöhnlichen Polit-Talks begeisterten. Dazwischen produzierte Ulmen Webserien, «Die Snobs» und zuletzt «Mann/Frau», das es auf zwei Staffeln brachte. Die Resonanz war verhalten.
Und nun? Kommt Ulmen Television mit einem neuen Format zurück: «Starshine – Das Comedy Promi-Magazin» bei RTL II. Der Titel lässt eigentlich nichts Gutes erahnen: Muss wirklich das Stichwort „Comedy“ im Titel erwähnt werden, damit auch der letzte RTL II-Zuschauer kapiert, dass es sich hier um Satire handelt? Eigentlich spricht dieser Titel gegen alles, wofür Ulmen bisher stand, unter anderem eben auch: subtilen Humor, den es zu erschließen galt.
«Starshine» ist für die Produktionsfirma ein neues Unterfangen in zweierlei Hinsicht: Erstmals wird eine Sendung auf einem der großen TV-Sender ausgestrahlt, also nicht auf Tele5, ZDFneo oder einem dritten Programm. Diesmal geht es zu RTL II, das nicht mehr als Nische gilt. Eigentlich aber war die Nische bisher das Metier, in dem sich die Produktionen von Ulmen bewegten. Und zweitens sind es diesmal nicht mehr Stuckrad-Barre oder Ulmen selbst, die die Gesichter der Sendung sind. Sondern Collien Ulmen-Fernandes. Es stellen sich zwei Fragen: Kann «Starshine» auch den Humor treffen, den Ulmen-Produktionen bislang auszeichneten, kann das Format also auch die alten Fans erreichen? Und zweitens: Schafft es die Sendung, aus dem universell parodierbaren Boulevard-Getöse einen guten Stoff zu schneidern?
Georgina, Indira Weis, Micaela Schäfer – sie sind es, die auch in diesem Boulevard-Magazin die Protagonistinnen sind, die berühmten It-Girls. Die also, von denen man selten weiß, warum sie überhaupt berühmt sind. Insofern reproduziert «Starshine», auch wenn es Satire sein will, den Boulevard-Kosmos. Interessant ist dabei, dass die Projektionsflächen der Satire – also die It-Girls – selbst an der Satire mitwirken. Indem sie in der Sendung auftreten, sich selbst auf die Schippe nehmen und damit im Grunde Teil der Satire werden: Da entblößt sich Micaela Schäfer nackt in der Öffentlichkeit und Georgina informiert sich über Beauty-OPs für einen „Selfie-Arm“.
Darüber hinaus sind die Beobachtungen gut. Überraschend pointiert ist die Moderation von Collien Ulmen-Fernandes, die affektiert und überspielt für Lacher sorgen kann („Eine bewegende Geschichte!“). Auch die Narrative der Boulevardmagazine wird hier und da entlarvt, indem über magersüchtige Promis (Angelina Jolie) referiert wird, indem Geschichten erfunden und heftig übertrieben werden. Gerne werden die Beiträge aus dem Off so besprochen, wie man es kennt: Die Gefühle der Promis werden noch einmal beschrieben („Sie war schockiert!“) und es wird das verbal wiederholt, was man sowieso auf dem Bildschirm sieht. Man bedient sich der Wortwahl des Genres (Stichwort „Nippelblitzer“), die Musikauswahl passt zu dem, was Magazine meist sonst im Hintergrund dudeln.
Wie erwartet ist die Comedy, um eine sehr gute Satire zu sein, allerdings nicht subtil genug und zu plakativ. Für den eindeutig erkennbaren RTL II-Witz gibt man die Scharfzüngigkeit und humoristische Feinheit à la Ulmen auf. Dennoch ist es erschreckend, dass einige der Beiträge auch fast genauso auch bei «Explosiv» oder «Taff» laufen könnten. Dies zeugt vor allem davon, wie weit solche Boulevardmagazine eigentlich schon eine Parodie ihrer selbst geworden sind. Insofern stellt sich die Frage nach der Relevanz von «Starshine»: Einmal schauen ist ja ganz nett. Aber gleich sechs Folgen?