Das Promi-Aufgebot war durchaus namhaft, doch inhaltlich wirkte der Versuch des ZDFs, das dahinsiechende Genre Samstagabend-Show noch einmal aufleben zu lassen, eher halbherzig. Eine tragische Note hat dies vor allem für Steven Gätjen: Stand er noch vor knapp zwei Monaten für eines der kreativsten Formate des deutschen Fernsehens, präsentierte er nun einen TV-Anachronismus.
Zur Person: Steven Gätjen
Steven Gätjen ist in den USA geboren. Als er drei Jahre alt ist, zieht die Familie zurück in ihre alte Heimat Hamburg. Nach einem Radio-Volontariat absolviert dieser die „Hollywood Filmschool“ in San Francisco. Die TV-Karriere beginnt bei MTV in London. Für diverse Kino-Magazine führte der heute 43-Jährige bereits über 1.000 Interviews – sei es bei den „Oscars“ für ProSieben oder der «Disney Filmparade». Seit 2011 moderierte der neue ZDF-Moderator «Schlag den Raab» sowie zahlreiche «TV total»-Events und zuletzt auch vermehrt Disney-Formate wie die «Disney Magic Moments».Das Zweite Deutsche Fernsehen und Steven Gätjen eint im Bezug auf den Samstagabend eines: Sie stehen für eine Unterhaltungsform, die medial schon oft für tot erklärt wurde - und die gewisserweise die letzten schüchternen Zuckungen von sich gegeben haben. Der Mainzer Sender mit «Wetten, dass..?», dem wohl größten Show-Format in der Geschichte des deutschen Fernsehens, das ein unrühmliches Ende mit einem allzeitüberforderten Markus Lanz fand. Und der deutschamerikanische Moderator mit «Schlag den Raab», der bis dato quasi einzig relevanten BRD-Neuentwicklung des 21. Jahrhunderts, die ihr natürliches Ende durch den Unwillen Stefan Raabs fand, seinen 50. Geburtstag vor den gierigen Augen der Kameras zu feiern. Somit musste allen Beteiligten die Brisanz dessen klar sein, das erste Produkt der Zusammenarbeit von Sender und Moderator am symbolträchtigen Samstagabend auszustrahlen.
Und ja, man mühte sich in der Tat redlich, die Neuauflage der
«Versteckten Kamera» nicht zu einem kompletten Fiasko werden zu lassen: Es versammelte sich beinahe die komplette Riege an A-Prominenz an diesem Abend, die in den vergangenen Jahren mehr oder minder stark im Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eine Rolle spielte. Die Örtlichkeit, in dem das Spektakel stattfand, konnte sich absolut sehen lassen und versprühte eine gewisse Gala-Stimmung, die dem ja eigentlich eher komödiantischen Inhalt der Sendung zwar etwas zuwider lief, aber doch sehr edel daherkam. Und man wagte sich sogar an einer Live-Sendung, was heutzutage Seltenheitswert hat. Doch was die ja leider doch nicht gänzlich irrelevante inhaltliche Seite anbetrifft, ging dieses Streben nach Perfektion offenbar mit einer gehörigen Prise Angst einher. Und so wirkte die Sendung letztlich, als wolle sie das Grundgerüst einer 70er-Jahre-Unterhaltungssendung mit Streichen kombinieren, die jüngere Zuschauer bereits hinlänglich aus dem Internet kennen dürften.
Hauptsächlicher Inhalt der Show sind erwartungsgemäß mit einer versteckten Kamera festgehaltene Streiche, die in diesem Fall allesamt von Prominenten durchgeführt und anschließend von einer dreiköpfigen Jury (Til Schweiger, Heiner Lauterbach und Carolin Kebekus) bewertet werden. Das dabei noch ungewöhnlichste Element der Jury-Bewertung klingt zunächst einmal etwas schräg, wenn man sich vor Augen führt, dass hier Promis zum Teil sehr nahestehende Kollegen kritisch beäugen sollen. In der Tat mag das auch nicht so recht aufgehen: In aller Regel findet die Jury beinahe ausschließlich lobende Worte und kritisiert bestenfalls ein Randdetail, um anschließend aber schnell wieder darauf zurückzukommen, dass der Gesamteindruck aber natürlich trotzdem voll supi sei.
Das Problem an den Streichen ist - von der grundsätzlichen Problematik mal abgesehen, dass sie eher für eine Unterhaltungsform vergangener Dekaden stehen, die darüber hinaus mit «Verstehen Sie Spaß?» (Foto) auch hinreichend abgedeckt scheint - ihr geringer Einfallsreichtum: Manche Clips hat es in ähnlicher Form bereits bei YouTube gegeben, andere gar schon im Fernsehen. Das bedeutet nicht zwingend für alle acht präsentierten Einspielfilmchen, dass sie ihre Wirkung völlig verfehlen, doch als Hauptattraktion einer großen Live-Show hätten sie doch etwas mehr Pfiff benötigt. Von beinahe schon trauriger Gestalt ist vor allem der Auftritt Uri Gellers, der seine Zeit im Duisburger Theatersaal damit verbringt, an einem Golfschläger zu rubbeln, bis dieser schließlich zerbricht. Ja, man muss sich ambitionierte Ziele setzen als Top-Illusionist: Wenn alle Löffel des Erdballs schiefgerieben sind und sich die Außerirdischen migränebedingt mal wieder sehr wortkarg zeigen, muss halt was ganz Neues her.
Auch sonst vermögen die wenigen Studio-Aktionen nicht so recht, Schwung in die Kiste zu bringen: Der zuvor veräppelte Ralf Moeller nutzt seine Screentime, um auf seine Rolle im Schweiger-Kinofilm «Off Duty» aufmerksam zu machen und seine Bewunderung für den ohnehin nicht gerade an einem allzu devoten Selbstkonzept leidenden Schweiger kundzutun. The BossHoss präsentieren ihre neue Single "Jolene" leider ohne die Hauptattraktion des Songs - die niederländische Sängerin Ilse DeLange - und dafür mit Gesangsbegleitung von Hunziker, was die Nummer nicht zwingend angenehmer klingen lässt. Und den Showact kurz vor Ende der Sendung kann man halt auch schon anderweitig kennen. Eine kleine Duftmarke setzen immerhin Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz mit einer sympathischen Twitter-Aktion, die kurzzeitig ein wenig Leben in das zwar visuell hervorragende, dafür aber atmosphärisch eher unterkühlt wirkende Theater bringt.
Und Steven Gätjen? Nunja, er ist halt mehr oder minder so, wie man ihn schon von den Raab-Events kennt: Grundsolide, immer Herr der Lage, hin und wieder mit einem gelungenen augenzwinkernden Spruch auf den Lippen, aber auch stets mit der latenten Gefahr ausgestattet, durch seine monotone Sprechweise den finalen Impuls in Richtung kollektivem Tiefschlaf zu setzen. Allerdings hat er auch nur punktuell so wirklich die Möglichkeit, sich in Szene zu setzen - das Hauptaugenmerk liegt eben doch auf den Streichen und dem randvollen Aufgebot an prominenten Gesichtern, die nur danach lechzen, präsent zu sein. Seinen besten Moment hat er eigentlich schon ganz zu Beginn: Zunächst schreitet er ekstatisch zu Bonnie Tylers "Holding Out For A Hero" tanzend von der Garderobe in Richtung Bühne, danach darf er ein wenig Schabernack auf dem roten Teppich der «Goldenen Kamera» treiben. Ein recht gelungener und vor allem flotter Auftakt in die Show. Blöd nur, wenn das Beste an einem Marathonlauf die ersten 100 Meter sind und nach dem ersten Kilometer die Luft beinahe schon komplett raus ist.
Wie hat Ihnen die Neuauflage der «Versteckten Kamera» gefallen?
Ein wenig bezeichnend für das, was einem dort am Samstagabend geboten wurde, ist dann auch der Siegeract: Eine eher harmlose Parkhaus-Version des hinlänglich bekannten "Spinnenhundes" (
in fieserer Form etwa hier zu sehen). Nicht schlecht umgesetzt, aber eben altbekannt und noch nicht einmal sonderlich kreativ aufgelegt. Im selben Clip rennt übrigens auch noch ein mäßig authentisch kostümierter Tyrannosaurus Rex durch die Weltgeschichte. Hätte man ihm zu seiner Blütezeit die «Versteckte Kamera» gezeigt, er hätte zurecht von einer wegweisenden Form der Unterhaltung gesprochen. Und wollen wir nicht unfair sein: Selbiges hätte auch noch zu Lebzeiten des Tasmanischen Tigers gegolten oder zu Zeiten des Kalten Krieges. Im Jahr 2016 dagegen schaut man eher ungläubig auf den Bildschirm, wahlweise gelangweilt oder in Erinnerungen schwelgend an die Zeiten, als hinter selbigem noch eine Röhre zu finden war. Für Steven Gätjen jedenfalls ist der Einstand beim neuen Arbeitgeber gegenüber «Schlag den Raab» ein deutlicher Rückschritt - und das ZDF wird sich wieder einmal verkrustete Strukturen und Planlosigkeit bezüglich zeitgemäßer Unterhaltungsformen vorwerfen lassen müssen.
Gute Quoten wären da gewiss hilfreich, um eine Legitimation dafür zu haben, so etwas 16 Jahre nach der Jahrtausendwende zu produzieren. Und wenn es damit nichts wird, kann man ja notfalls auch noch auf die Krimi-Dauerberieselung am Samstagabend zurückgreifen. Die erlebt derzeit ja immerhin eine verblüffende Renaissance beim deutschen Publikum mit oftmals mehr als sieben Millionen Zuschauern.