Popcorn und Rollenwechsel: Hollywood leckt Blut

Auf einmal steht Hollywood wieder auf die härtere Gangart. Aber ist das wirklich eine gute Nachricht?

Hollywood vor «Deadpool»: Es herrscht der Gedanke vor, dass aufwändige, große Produktionen kein R-Rating bekommen sollten. Weil so ein Teil des potentiellen Publikums ausgeschlossen und das wirtschaftliche Potential begrenzt wird. Ausnahmen sind selten. Die «Matrix»-Sequels kommen einem in den Sinn, prinzipiell lassen sich Hollywood-Filme härterer Gangart (jedenfalls gemessen am US-Empfinden) eher im Komödienfach ausfindig machen. Und manche dieser Beispiele, wie etwa die durchaus kostspieligen «Hangover»-Sequels, haben in Deutschland trotzdem eine FSK-Freigabe ab 12 Jahren ergattert.

Hollywood nach «Deadpool»: Die großen Studios haben Blut geleckt. Der in den USA mit einem R-Rating bedachte Superheldenfilm «Deadpool» hat innerhalb von rund einer Woche weltweit eine halbe Milliarde Dollar eingespielt. Und nun tröpfeln sie nach und nach ein. Die Ankündigungen weiterer Superheldenproduktionen, die auf das jüngere Publikum verzichten wollen. Der letzte Wolverine-Einzelfilm mit Hugh Jackman in der Hauptrolle etwa. Fox habe das R-Rating zwar schon länger vorgesehen, doch erst jetzt, nach «Deadpool», sagt das Studio, dass diese Entscheidung feststeht. Und Warner Bros. plant eine animierte Adaption der Batman-Graphic-Novel «The Killing Joke» für den Heimkinomarkt, die auf ein R-Rating abzielt.

Wie man Hollywood mittlerweile so kennt, wird es bei diesen Titeln nicht bleiben. Ein Grund zur Freude? Immerhin bedeutet dies, dass der Bereich der US-Filmunterhaltung noch etwas vielfältiger ausfällt, nun, da härtere Stoffe nicht weiter Tabu sind ... Oder? «Guardians of the Galaxy»-Regisseur James Gunn hegt seine berechtigten Zweifel. Auf Facebook verbindet er seine positive Reaktion auf «Deadpool» mit der Sorge, dass die Studiobosse die falschen Lehren aus dem Erfolg des derben Superheldenactioners ziehen werden:

„«Deadpool» machte sein eigenes Ding. DARUM reagieren die Leute so auf ihn. Es ist ein origineller, verdammt guter Film, den die Filmemacher mit Liebe gemacht haben, ohne Angst davor, Risiken einzugehen. Wenn der Kinomarkt überleben will, müssen Eventfilme die Definition dessen, was sie sein können, ständig erweitern. Sie müssen einzigartig sein und die wahren Stimmen der Filmemacher hinter ihnen müssen spürbar machen. Sie können nicht einfach das kopieren, was vor ihnen da war.“

"The film has a self-deprecating tone that’s riotous. It’s never been done before. It’s poking fun at Marvel. That label...

Posted by James Gunn on Montag, 15. Februar 2016


Gunn führt fort: „Wenn ihr also in den kommenden Monaten darauf achtet, was in den Branchenblättern steht, dann werdet ihr sehen, wie Hollywood die Botschaft missversteht, die es aus «Deadpool» lernen könnte. Die Studiobosse werden Filmen ‚wie «Deadpool»‘ grünes Licht geben – und damit meinen sie nicht etwa ‚gut und originell‘ sondern einen ‚derben Superheldenfilm‘ oder einen ‚Film mit Illusionsbrechungen‘. Sie werden euch behandeln, als wäret ihr dumm, und das ist die eine Sache, die «Deadpool» nicht getan hat!“

Und so sehr ich mich auch über einen Wolverine-Film freue, der dieser kompromisslosen Figur gerecht wird, so sehr habe ich Angst, dass Gunn auf langer Sicht recht hat. Aber jedes blinde Huhn findet mal ein Korn. Als das R-Rating verpönt war, kam dennoch «Deadpool». Im R-Rating-Fieber kommen also hoffentlich trotzdem noch einige härtere Filme, die nicht durchkalkuliert sind. Schön wär’s …
22.02.2016 12:18 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/83923