Das ZDF inszenierte in seinem Satire-Film «Operation Naked» den Untergang der Privatheit, eingeleitet durch eine neue Technologie. Eurotechnopanic, unser Kolumnist hört dein Trappsen.
Michelle Spark hat ein Unternehmen gegründet. Sie stellt Brillen her, die automatisch per Gesichtserkennung allerhand im Internet verfügbare Daten über eine Person aufrufen, wenn sie sie gerade ins Visier nehmen. Gewissermaßen Google Glass eine Ecke weitergedacht.
Die Deutschen drehen natürlich durch. Und als Dunya Hayali das Produkt in einer ihrer Sendungen vorstellt und live auf der Straße testen lässt, outet sie damit unabsichtlich einen homosexuellen Gymnasiallehrer an einer elitären christlichen Privatschule, der daraufhin seinen Job verliert.
Michelle Spark stellt daraufhin eine aktivistisch-ideologische Unterfütterung ihrer allesvernetzenden Technologie vor: die „Operation Naked“. Kurz gefasst: Wir sollen all unsere peinlichen Verfehlungen öffentlich machen, damit man sie uns nicht mehr vorhalten kann, und dadurch eine vorurteilslose Gesellschaft schaffen, indem wir die intimsten Dinge von allen anderen kennen, die wiederum alles über unsere geheimsten Geheimnisse wissen.
Sie werden erkannt haben: So geht es nur in deutschen Problemfilmen zu. Und Sie haben recht: Diesen Stoff zeigte das ZDF im Rahmen seines „Kleinen Fernsehspiels“ am vergangenen Sonntagabend unter dem Titel «Operation Naked».
Dieser Film, natürlich eine Satire, will freilich Teil eines gesellschaftlichen Diskurses sein, ein dramaturgisch eingängiges Argument, das eine zunehmende Vernetzung und Technologien wie „Google Glass“ nur im Konflikt mit einem Verlust an Privatheit sehen kann. In Deutschland ist diese Sichtweise mehr oder weniger Konsens. Ein Konsens, der viele ausländische (vor allem angelsächsische) Publizisten und Experten entweder ungläubig lächeln, oder
ängstlich zusammenfahren lässt.
Nicht immer ist die Skepsis vor neuen, „allesvernetzenden“ Technologien vollkommen frei von guten Argumenten. Doch was «Operation Naked» vorführt, ist leider kein gutes Argument, sondern ein Ausfluss von dem, was Jeff Jarvis die
Eurotechnopanic nennt.
Denn dieser Film will schließlich – das darf man ihm zumindest unterstellen – große Internetkonzerne wie Facebook und Google sowie ihre Betreiber kritisieren und einen satirischen Blick auf die (möglichen) Konsequenzen ihrer Ideologie der Allesvernetzung werfen. Das kann aber nicht funktionieren, wenn man eine Figur wie Michelle Spark, die diese Ideologie verkörpern soll, allerhand Dinge sagen lässt, die Sergey Brin oder Mark Zuckerberg im Leben nicht denken oder sagen würden. Kein einziger der bekannten Player fordert auch nur im Ansatz so etwas wie eine vollständige Auflösung von Privatheit oder wird so etwas je fordern oder vorschlagen. Und sie oder etwaige ambitionierte Startups, wenn auch nur allegorisch, in diese Ecke zu stellen, ist nicht nur disqualifizierend plakativ, sondern grenzt an Unredlichkeit.