Die Kritiker: «Spuren des Bösen - Liebe»

Auch die neue Folge der Reihe mit Heino Ferch erzählt unaufgeregt und zeigt sich ernsthaft interessiert an menschlichen Abgründen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Heino Ferch als Richard Brock
Hary Prinz als Klaus Willer
Maximilian Brückner als Michael Auer
Christoph Luser als Konstantin Steinmann
Cordelia Wege als Sascha Krausz
Emily Cox als Anita Reill
Sabrina Reiter als Petra Brock

Hinter der Kamera:
Produktion: Aichholzer Filmproduktion, ORF und ZDF
Drehbuch: Martin Ambrosch
Regie: Andreas Prochaska
Kamera: David Slama
Die bisherigen Fälle um den Polizeipsychologen Richard Brock haben vor allem wegen des unaufgeregten, leisen, beobachtenden Duktus gefallen, in dem sie erzählt wurden, und wegen der einnehmenden und interessanten Hauptfigur, die die inneren Widersprüche nicht scheut: Brock ist ein abweisender Typ, wirkt oft kalt, aber nie bösartig. Er wird nie aufbrausend, spricht nicht viel und hat nur zu sehr wenigen Menschen einen emotional stabilen Kontakt: Zu seiner Tochter Petra, die bei der Polizei arbeitet und ihn bei Bedarf mit unter Verschluss gehaltenen Informationen versorgt, wenn ihm das helfen könnte. Oder zu einem Restaurantbesitzer um die Ecke, einem Mann aus einem anderen Milieu und mit einem ganz anderen, mit dem er trotzdem einen Rapport hat.

Diesmal bittet die Polizei um Brocks Hilfe, weil sich ein Mann mit einer Waffe in einem Wohnhaus verschanzt hat und dort seine Ex-Freundin umgebracht haben soll. Er heißt Klaus Willer, ist ein alter Schulfreund von Brock und verlangt, nur mit ihm zu sprechen. Brock geht ins Haus und überredet Willer zum Aufgeben. Doch Willer hat Brock glaubhaft dargelegt, dass er nicht der Mörder ist – und auch die Polizei ist schnell davon überzeugt.

Die Spur führt zu Konstantin Steinmann, mit dem Willers Ex-Partnerin eine Liaison hatte. Steinmann lebt in einer seltsamen Kommune namens Eden, die die in der linksextremen Kommunenszene üblichen Ziele verfolgt und den dort gleichsam üblichen Idealen anhängt: eine Verachtung für den „Neoliberalismus“, eine Sandalen tragende Baumtänzerei über das Teilen und Heilen, und die unbedingte sexuelle Freizügigkeit als Triebfeder für den Erhalt der Gruppe. Je sexueller ein Mensch, desto intelligenter sei er auch, salpetert der durchgeknallte Haufen.

Doch erste Recherchen lassen eine gewisse Diskrepanz zwischen der Lebensrealität und –ideologie dieser Leute erkennen. Denn Konstantin Steinmann ist mehrere Millionen Euro schwer, das Erbe aus einem Familienimperium an Baumärkten, das ihm zugefallen ist, nachdem sein Bruder vor einigen Jahren unter mysteriösen Umständen ermordet worden war.

„Es gibt Gefängnisse, die haben gar keine Mauern. Und trotzdem kommt niemand raus“, grummelt Heino Ferch als Richard Brock. In vielen öffentlich-rechtlichen Fernsehfilmen wären solche pathetischen Sätze ein Anlass, laut loszuprusten. Weil sie dort aufgesetzt wirken, wie ein gedankenvolles Alibi in einem ansonsten strunzbanalen Stoff. Nicht aber in «Spuren des Bösen». Denn auch in ihrer neuen Folge zeigt sich die Reihe ernsthaft interessiert an menschlichen Abgründen und nutzt sie nicht nur als einen dramaturgischen Vorwand, um einen beliebigen Kriminalfall mit ein paar anerzählten Ansätzen thematischer Vielschichtigkeit zu unterfüttern.

«Spuren des Bösen» verzichtet auf all die Wohlfühlmomente, durch die sonst die meisten Fernsehfilme mit grummelig-ambivalenten Hauptfiguren müssen. Heino Ferchs Richard Brock wird weder als ständig übertrieben fluchender Griesgram, noch als gebrochen-traumatisierter Law-and-Order-Typ gezeichnet, sondern als ein komplexer Mann, dessen eigener emotionaler Zustand im Hintergrund bleibt. Und nicht jeder Widerspruch muss aufgelöst werden.

Hier und da mag „Liebe“ etwas schwächer wirken als die bisherigen Folgen der Reihe: Das liegt hauptsächlich an den scheinheiligen Baumtänzern aus der promiskuitiven Sekte, die weniger Figuren als austauschbare Allegorien sind und mit denen nur eine tendenziell erwartbare Geschichte erzählt wird. Und doch überzeugt auch diese Episode durch ihren unaufgeregten, ruhigen Duktus und ihre starke Hauptfigur.

Das ZDF zeigt «Spuren des Bösen – Liebe» am Montag, den 29. Februar um 20.15 Uhr.
28.02.2016 12:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/84048