Die Kritiker: «Der Tel-Aviv-Krimi - Tod in Berlin»

Jüdische Figuren scheinen in deutschen Fernsehfilmen nur anhand von ihrem kulturell-ethnischen Baggage erzählt werden zu können. Ein weiteres Beispiel: Der erste «Tel-Aviv-Krimi» des Ersten.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Katharina Lorenz als Sara Stein
Katharina Marie Schubert als Anne Rodeck
Aljoscha Stadelmann als Max Schreiberger
Itay Tiran als David Shapiro
Ramin Yazdani als Tarik Rahman
Camill Jammal als Khalid Rahman
Meral Perin als Ayasha Rahman

Hinter der Kamera:
Produktion: TV60 Filmproduktion
Drehbuch: Martin Kluger und Maureen Herzfeld
Regie: Matthias Tiefenbacher
Kamera: Holly Fink
Produzenten: Andreas Schneppe, Sven Burgemeister und Andreas Bareiss
Es ist vielleicht etwas ungeschickt, einen Krimi „Tel-Aviv-Krimi“ zu nennen, wenn er die allermeiste Zeit in Berlin spielt. Aber er muss wohl eben in das Schema passen. Bozen-Krimi. Athen-Krimi. Tel-Aviv-Krimi. Der Spielort als Marke, allerhand Gemorde wahlweise an idyllischen Orten oder in pulsierenden Metropolen mit herrlichem Strandblick.

In Berlin wird jedenfalls eine jüdische Israelin abgestochen. Nachts vor einem Club. Sie war mit einem Palästinenser liiert gewesen, der auch zur Tatzeit am Tatort war. Doch angesichts dessen, wie ehrlich erschüttert er vom Tod seiner Partnerin wirkt, kommt er für die Polizei nicht als Täter infrage.

Verantwortlich für die Ermittlungen ist Kriminalkommissarin Sara Stein, ebenfalls Jüdin. Mit ihrer (areligiösen) jüdischen Identität wird sie noch oft in diesem Film konfrontiert werden (und wohl auch in der Fortsetzung nächste Woche). Ebenso mit dem Nahostkonflikt, ihrer Haltung zu Israel und ihrem persönlichen Verhältnis zu anderen Juden, deutschen Goys, Arabern und Moslems.

Einen politischen Hintergrund für die Ermordung der jungen Israelin meint Sara jedenfalls schnell ausschließen zu können. Es gibt Hinweise, die auf eine Verwicklung der Eltern des palästinensischen Boyfriends hindeuten. Und auch die streng religiöse Schwester der Ermordeten kann sich einer gewissen Verdächtigung nicht gänzlich entziehen.

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz – oder vielleicht ja auch eine tatsächliche kulturell-gesellschaftliche Notwendigkeit – zu geben, jüdische Figuren im deutschen Fernsehen fast immer zu politisieren. Dieser Berlin-Krimi, der sich Tel-Aviv-Krimi nennt, ist da nur ein weiteres Beispiel. Jüdisches Leben in Berlin, eine der wenigen europäischen Großstädte mit einer nennenswert großen jüdischen Community, scheint nur über lange Exkurse in den Nahostkonflikt und die politische Situation Israels erzählt werden zu können.

Vielleicht ist es ein wenig ungerecht, dass dieser erste «Tel-Aviv-Krimi» an dieser Stelle nun dieses Mantra abkriegt. Aber es ist an der Zeit, jüdische Figuren nicht mehr nur vordergründig über ihren kulturellen Baggage zu erzählen, der am Schluss viel zu oft in eine dezidierte Haltungslosigkeit mündet: Schwierig, schwierig sei das eben mit dem Nahen Osten, Partei will man erst recht nicht ergreifen, aber schön, dass wir einmal wieder darüber gesprochen haben, beziehungsweise darüber gefilmt. Und erst recht darf es in einem neunzigminütigen Film nicht nur eine kurze Randnotiz bleiben, wenn die Dienstvorgesetzte einer jüdischen Kriminalkommissarin kurz insinuiert, sie könnte wegen des palästinensischen Verdächtigen ja nicht ganz unbefangen sein, was dann in einem knappen Dialog vollumfänglich aufgelöst wird.

Gleichzeitig entscheidet sich der Krimi-Plot in „Tod in Berlin“ immer wieder für die plakativeren als für die effektiveren Worte und Bilder und richtet den Fokus, wann immer das ohne Weiteres möglich ist, auf die Mitknobeldramaturgie, anstatt die Konflikte mit Haltung zu problematisieren, mit denen es eine jüdische Kriminalkommissarin in Berlin so zu tun bekommen könnte.

Am Schluss sitzt der «Tel-Aviv-Krimi» zwischen allen Stühlen: Den ethnisch-politischen Hintergrund der Hauptfigur erzählt man recht oberflächlich, den Kriminalfall dagegen ordentlich, aber keineswegs herausragend. Spielort geht vor Inhalt, auch wenn es diese Woche noch das grau-in-graue Berlin ist, bevor es nächstes Mal ins sonnige Tel Aviv geht. Ob das auch einen positiven Einfluss auf den Inhalt haben wird?

Das Erste zeigt «Der Tel-Aviv-Krimi – Tod in Berlin» am Donnerstag, den 3. März um 20.15 Uhr.
03.03.2016 09:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/84131