Zum zweiten Mal in Folge wurde kein schwarzer Darsteller für den Oscar nominiert. Auch Deutsche echauffieren sich gern darüber. Nur: In Deutschland ist das Elend noch wesentlich größer.
In einem Jahr, in dem #Oscarssowhite aufgrund der Abwesenheit afroamerikanischer Nominierter in den Darstellerkategorien wieder ein vielgenutzter Hashtag war, traf es sich besonders gut, dass Chris Rock die Veranstaltung moderierte. Nicht nur, weil er schwarz ist. Sondern weil man aufgrund seiner bisherigen scharfen Beobachtungen zum Thema
Race Relations davon ausgehen konnte, dass er etwas Substanzielles zur Debatte beizutragen haben und das auch noch humoristisch erstklassig in seinen Eröffnungs-
Stand-up einbinden können würde.
Die Frage war also: Wie rassistisch ist Hollywood? Und Rock konnte sie sinnvoll beantworten. Ist Hollywood so rassistisch wie die brennenden Kreuze des Ku-Klux-Klans? Natürlich nicht. Aber ist Hollywood rassistisch? Selbstverständlich.
It’s a different type of racist.
Rock unterfütterte das mit einer Anekdote. Er erzählte von einem
Fundraiser für Präsident Obama, bei dem neben ihm noch zahlreiche andere
Player aus dem Filmgeschäft teilnahmen. Rock kam kurz mit Obama ins Gespräch und sagte ihm: „Herr Präsident, sehen Sie all die Autoren und Produzenten und Schauspieler hier? Die stellen keine Schwarzen an. Und das sind die nettesten Weißen auf der Welt. Die sind linksliberal.“
Rassismus ist in Amerika primär
ein Gefühl. Ein Gefühl, das vor allem dann wieder aufflammt, wenn zum zweiten Mal in Folge afroamerikanische Darsteller bei der Nominierung übergangen worden sind. Aus welchen Gründen auch immer.
Nicht wenige deutsche Beobachter haben sich dazu hinreißen lassen, darin wieder eine Senkgrube amerikanischer
White Supremacy und den Beweis für eine tiefrassistische amerikanische Gesellschaft zu sehen. Eine Interpretation, die wegen ihrer Radikalität und ihrer Verblendung an der Realität vorbeigeht – und das eigentliche Problem nicht erfasst.
Noch dazu, da auch deutsche Film- und Fernsehpreise leider ohne Nominierungen von schwarzen Darstellern auskommen müssen. Hauptsächlich deswegen, weil viel zu wenige schwarze Darsteller für Rollen in deutschen Filmen und Fernsehserien besetzt werden. Warum, darüber kann man nur mutmaßen – und die naheliegendsten Gründe dürften die zutreffendsten sein.
Zugespitzt könnte man fragen: Wo ist der schwarze «Tatort»-Kommissar? Die schwarze Schmonzetten-Hauptrolle sonntags im ZDF? Oder bestehen bei manchen Entscheidern tatsächlich Bedenken, ein deutsches (und mehrheitlich weißes) Publikum würde eine schwarze Figur nicht genauso annehmen, beziehungsweise sie nicht genauso einfach als Identifikations- oder Projektionsfläche erkennen wie eine weiße Figur?
Dann müsste man den deutschen Fernsehmachern noch wesentlich Schlimmeres unterstellen als den amerikanischen Filmstudios und der Academy.