Im Zeitalter von Netflix und Co. werden Awards wie die Emmys oder Golden Globes immer bedeutender. Sie sind mittlerweile ein entscheidendes Kriterium dafür, ob Serien abgesetzt oder verlängert werden.
Es sind solche Schlagzeilen, die in den letzten Jahren die neue Relevanz der TV-Awards belegen:
„Netflix beat out every TV network for Golden Globe nominations.“
„Netflix tops HBO for first time as streaming disrupts Golden Globes.”
“The future of TV is here: Netflix and Amazon will face off for a Golden Globe.”
“Emmys results show that HBO is still the television brand to beat.”
Die gestiegene Berichterstattung zu den beiden großen Award-Shows im Fernsehgeschäft – die Emmys und die Golden Globes – ist Ausdruck zweier Dinge: Erstens steht sie für den Kampf der Serienproduzenten, der immer erbitterter wird, gerade mit dem Einstieg von Netflix und Amazon als ambitionierte Player. Vor Jahren wurde es als Sensation gefeiert, dass Netflix erstmals überhaupt bei Award-Nominierungen berücksichtigt wurde. Heute liefern sich die Anbieter Jahr für Jahr mit den klassischen Sendern wie HBO und Showtime ein Duell auf Augenhöhe. Wer erreicht die meisten Nominerungen, wer holt die Preise nach Hause?
Zweitens ist auch dieser Kampf nur das Symptom für den immer mehr umkämpften Markt der hochqualitativen Serien. Nach der Pionierphase um große Epen wie «The Sopranos», «Mad Men» oder «Breaking Bad» wurde das Interesse an guten Inhalten immer größer, Netflix und Amazon setzen verstärkt auf eigene Produktionen als Alleinstellungsmerkmale. Qualität ist hier das entscheidende Kriterium, anders gesagt: die wichtigste Währung im Markt. Die Zuschauer wollen für das Geld, das sie zahlen, gute Ware sehen.
Damit rücken automatisch Awards in das Interesse von Kritikern und Publikum. Sie gelten als Qualitätsmerkmal, und was ausgezeichnet wird, hat es verdient, gesehen zu werden. Es ist auch eine Art Simplifizierung im dichten Dschungel hochwertiger Serien, eine Art schnelle Bewertung. Mehrere Preise lassen auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um ein starkes Format handeln muss – dafür braucht man sich nicht durch lange Review-Texte quälen. Die Anzahl von Nominierungen und Preisen stehen als relativ objektive Bewertung dafür, wie gut eine Serie im vergangenen Jahr war. Sie sind quasi das zählbare Element der oben beschriebenen Währung Qualität, die sich sonst so schwer in konkreten Zahlen ausdrücken lässt. Manche US-Seiten stellen mittlerweile sogar Rechnungen an, um Vergleichbarkeit herzustellen: Da beispielsweise HBO und Netflix unterschiedlich viele Serien produzieren, lassen sich die Anzahl der Nominierungen oder Preise nur unzureichend vergleichen. Daher wird diese Anzahl durch die Zahl an allen produzierten Serien geteilt.
Bei den letzten Emmys holte Netflix 34 Nominierungen bei 13 zu der Zeit eigenproduzierten Serienformaten, was einem Qualitätsindex von 2,62 entspricht. Amazon (12 Nom./4 Serien) liegt bei einem etwas besseren Wert von 3,00. Showtime (18/8) liegt mit seinen zumeist älteren Serien weiter hinten, dort liegt der Index bei 2,25. AMC (24/7) schneidet dank der letzten Staffel von «Mad Men» mit 3,00 gut ab. Qualitätsprimus – zumindest nach dieser Rechnung – bleibt mit weitem Abstand allerdings wie in den Vorjahren HBO, das teilweise dreistellige Nominierungszahlen vorweisen konnte. 2015 waren es satte 126 bei 12 Programmen, was einem Index von 10,5 entspricht, dank der Kritikerhits «Game of Thrones», «Veep» und «Silicon Valley».
Die Anbieter selbst werben direkt beim Publikum mit den Trophäen; sie wissen, dass auch der Zuschauer verstärkt auf die Preisverleihungen achtet. Als «Transparent» und jüngst «Mozart in the Jungle» Golden Globes gewannen, feierte Amazon dies prominent mit dem bestplatzierten Werbebanner auf seiner Homepage. HBO zeigte ausführliche Highlight Reels seiner Formate, die bei den Awards abgeräumt haben, zur besten Sendezeit. Man macht aufmerksam auf die eigenen Leistungen.
„
I think they're important to the creators. The audience also likes it. Is it the only thing that matters? No, but it's very good validation of the quality of the work that the team is doing.
”
Amazon-Chef Jeff Bezos über die Bedeutung der Serien-Awards
Es ist kein Zufall, dass die langlebigsten Amazon-Serien auch genau die sind, die große Awards abgeräumt haben: Sowohl «Transparent» als auch «Mozart in the Jungle» räumten zwei Golden Globes ab. Bei letzterer Serie dürfte der Gewinn der Preise im direkten Zusammenhang mit der Verlängerung für eine dritte Staffel stehen. Diese kam rund einen Monat nach dem überraschenden Gewinn der Preise, und nach dem schlagzeilenträchtigen Fakt, dass Amazon sich nun auch im Comedy-Genre zu den renommierten Preisträgern zählen darf. Und die Konkurrenz hinter sich gelassen hat: Mit „Beste Comedy“ und „Bester Schauspieler in einer Comedy“ ergatterte man die beiden wichtigsten Preise des Genres. In der Branche wird spekuliert, dass Amazon den Kritiker-Erfolg von «Mozart in the Jungle» nun mit einem höheren Budget belohnen will. Darauf deutet auch hin, dass die nächste Staffel in Europa spielen soll. Dass es aber auch umgekehrt laufen kann, zeigen andere frühere Serien der Amazon Studios. Die groß beworbene Produktion «Alpha House» ist kein Award-Liebling, nach zwei Staffeln war Schluss. Die Silicon-Valley-Comedy «Betas» wurde bereits nach einer Season eingestellt, nachdem von Presse und Jurys kaum Resonanz kam.
Die Awards als Qualitätsmerkmal: Es ist davon auszugehen, dass die regelrechte Sucht nach den Preisen noch größer wird. Mindestens solange, wie die Sucht der Zuschauer nach guten Serienstoffen anhält.