5 Dinge, die «Daredevil» so großartig gemacht haben

Vor dem Start der zweiten Staffel der Marvel und Netflix-Koproduktion «Daredevil» wirft Quotenmeter.de einen Blick auf die Highlights der ersten Staffel.

Am Freitag, den 18. März, startet die zweite Staffel der «Daredevil»-Koproduktion von Netflix und Marvel. Im vergangenen Jahr kehrte der blinde Held aus Hell‘s Kitchen nach zwölf Jahren TV- und Kinoabstinenz zurück auf die Bildschirme. Bereits 2003 versuchte sich 20th Century Fox an einer Kinoinszenierung, damals mit Ben Affleck in der Hauptrolle als «Daredevil». Bei den Kritikern und Zuschauern ging der Streifen jedoch unter und das Franchise wurde in den Folgejahren nur noch als Comic weiterverfolgt. Dem Erfolg der Karriere Afflecks tat der Film jedoch keinen Abbruch, denn ab dem 24. März ist der Mime als dunkler Ritter in «Batman v Superman: Dawn of Justice» in einer weiteren Comicverfilmung zu sehen. Nach dem Misserfolg des 2003er-Films standen die Vorzeichen für die aber Netflix-Serie denkbar schlecht und die Zuschauer zeigten sich vorab verhalten, dem blinden Anwalt noch einmal eine Chance zu geben. Denn nicht nur der zwölf Jahre zurückliegende Film sorgte für diese Stimmung, sondern auch die zahlreichen Comicverfilmungen aus dem Marvel Cinematic Universe schlugen in den Jahren zuvor eine Richtung ein, bei der ein Held wie «Daredevil», zumindest auf dem Paier, kaum mithalten konnte.

Netflix und Marvel ließen sich von den vermeintlich schlechten Vorzeichen jedoch nicht beirren und konzipierten mit der ersten Staffel den angeblich erfolgreichsten Serienstart des Anbieters. Da Netflix offiziell keine Abrufstatistiken veröffentlicht, beziehen sich diese Meldungen auf Aussagen von Netflix-Mitarbeitern aus dem vergangenen Jahr. Ebenso gilt zu bedenken, dass nicht alle Netflix-Original-Produktionen weltweit zum selben Zeitpunkt erscheinen. Aktuell ist dies bei «House of Cards» zu beobachten, das in den USA bereits über das Portal abrufbar ist, in Deutschland jedoch zunächst bei Sky ausgestrahlt wird. Andere Produktionen wie «Better Call Saul» erscheinen hierzulande bereits einen Tag nach US-Release auf dem dortigen Sender AMC, ergänzen das amerikanische Netflix-Portfolio wenn überhaupt erst nachdem die Staffel dort in voller Länge linear ausgestrahlt wurde.

Dennoch handelt es sich dabei nur um Zahlenspielereien und gerade aus Imagegründen sind positive Rezensionen sowohl von den Kritikern als auch von Zuschauerseite ein wichtiges Kriterium für einen Dienst, der sich über ein Abo-Modell finanziert. Für die positiven Kritiken und den damit verbundenen Erfolg waren vor allen Dingen fünf Gründe verantwortlich…

1. Eine Stadt am Rande des Abgrunds


Während das New Yorker Viertel Hell’s Kitchen einst vor allen Dingen von Hafenarbeitern besiedelt wurde und sich über Jahre hinweg, noch bis in die 1990er Jahre, einen schlechten Ruf erarbeitete und als einer der kriminellen Brandherde des Big Apple galt, hat sich dieses Bild in den vergangenen Jahren gewandelt. Das Viertel am Hudson River ist inzwischen schon fast eine touristische Attraktion und die dominierende Backstein-Architektur machen das Viertel sogar zu begehrtem Wohnraum. Obwohl die Gegend zwischenzeitlich in Clinton umbenannt werden sollte, bestehen die New Yorker heute darauf, dass das Viertel auch weiterhin Hell’s Kitchen heißt. Der Aufschwung der vergangenen Jahre spiegelt sich jedoch nicht direkt in der Serie wider, im Gegenteil. Die Macher nutzten die Ereignisse des ersten «Avengers»-Films, um das Viertel nach ihren Vorstellungen zu formen. In «Daredevil» dominiert dort wieder die Kriminalität und die wenigen Polizisten, die nicht korrupt sind, reichen nicht aus, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Drogen, Waffen, Schmuggel, Korruption und Menschenhandel sind in der Welt von «Daredevil» an der Tagesordnung. Das organisierte Verbrechen hat Einzug gehalten und ein Verbrechersyndikat rund um den Kingpin (Vincent D’Onofrio) hat große Pläne, das Viertel nach eigenem Wunsch zu gestalten.

2. Ein verletzlicher Held


«Daredevil» ist ein Held, der nicht vergleichbar mit den «Avengers» ist, er besitzt keinen teuren Anzug, der gleichzeitig Rüstung und Waffe ist und zudem noch fliegen kann, «Daredevil» wurde nicht durch ein ominöses Serum zum Supersoldaten und er verwandelt sich nicht zum grünen Monster, wenn er wütend wird. «Daredevil» ist verletzlich, physisch sowie psychisch. Mehr als nur einmal wird er schwer verwundet und schafft es gerade so zu überleben, vor allen Dingen dank seiner Freunde. Doch gerade diese Freunde sind seine größte Schwäche, denn niemanden möchte der Mann ohne Furcht so sehr beschützen, wie die die ihm am nächsten stehen. Dazu ist er bereit, ihnen seine Identität als Rächer in der Nacht zu verheimlichen. Doch die Momente, in denen sie sein Geheimnis herausfinden, schwächen ihn. Der Schmerz, seine Freunde belogen zu haben, ist größer als der der Niederlage im Kampf und die Angst sie zu verlieren, ist größer als die, auf seiner Mission zu scheitern.

3. Das Gesicht des Bösen


D’Onofrio schlüpft in die Rolle des Wilson Fisk, der auch als der Kingpin bekannt ist und an der Spitze der New Yorker Verbrecher steht. Bei ihm gilt analog zum Mann ohne Furcht, dass auch er ohne Superkräfte oder technische Spielereien auskommt. Dafür hat er etwas wesentlich mächtigeres, zumindest suggeriert die Serie es so: einen Plan. Fisk, ein Kind des Viertels, wird vom Traum des sozialen Aufstiegs motiviert, doch dabei möchte er, perfider Weise, nur das Beste für Hell’s Kitchen. Über Jahre hinweg wurde er durch kriminelle Machenschaften zum wohlhabenden Bürger, doch er blieb dabei stets unter dem Radar und sorgte sogar dafür, dass sein Name gänzlich unbekannt ist. Jeder der seinen Namen ausspricht, muss dies mit dem Leben bezahlen. Umso überraschender kam der Schritt in die Öffentlichkeit, wodurch er zum Hoffnungsträger der ganzen Stadt avancierte. Obwohl Fisk unheimlich brutal ist und selbst nicht davor zurückschreckt gewaltsam gegen alle vorzugehen, die nicht nach seinem Willen handeln, weist auch er eine große Verletzlichkeit auf. Sein Verhalten, als er von seiner künftigen Freundin Vanessa abgelehnt wird, gleicht dabei nicht dem eines exzentrischen Superschurken, sondern eher dem eines ruhigen und gebrochenen Mannes. Als seine rechte Hand, James Wesley, ums Leben kommt, verzweifelt Fisk förmlich an der Nachricht und offenbart, dass Wesley sein bester Freund, in einer Welt voll namenloser Syndikatsmitglieder, ist. Seine Trauer und die damit verbundene Verzweiflung verleihen Fisk somit eine gänzlich neue Ebene, auf die Serien für gewöhnlich bei ihren Antagonisten verzichten. Gleichzeitig gelingt es denn Machern, Fisk noch gefährlicher darzustellen und ihn einen skrupellosen Racheplan aushecken zu lassen.

4. Das Handwerk


Handwerklich schaffte es «Daredevil» 2015 so sehr zu überzeugen wie kaum ein anderer Serienneustart. Dies beginnt bei einem hervorragenden Casting verbunden mit einer teilweise herausragenden schauspielerischen Leistung. Charlie Cox lieferte als Matt Murdoch/Daredevil eine seiner besten Leistungen ab und glänzte sogar noch stärker als in «Boardwalk Empire». Ähnliches gilt für Rosario Dawson, deren Figur Claire Temple für Daredevil schon fast zum Sidekick wird. Nicht in der klassischen 'Batman und Robin'-Manier sondern eher als Helferin im Hintergrund, doch als sie sieht, was Daredevil durchmacht, muss sie sich von ihm lösen, um sich selbst zu schützen. Die stärkste Performance liefert jedoch Vincent D’Onfrio als Wilson Fisk, der diese Figur in großartiger Manier mimt und sein ganzes Talent als Charakterdarsteller einbringt und so eine deutlich bessere Leistung zeigt, als viele Antagonisten der Marvel-Kinofilme dies tun.

Das große Alleinstellungsmerkmal der Serie ist neben der Erzählung und Darstellung der Figuren jedoch die überragende Kameraarbeit von Rod Calarco und seinem Team. «Daredevil» glänzt durch großartige Kameraperspektiven und die dynamischen Actionsequenzen. Besonders sticht hierbei die die finale Szene der zweiten Episode hervor. In einem knapp dreiminütigen Oneshot kämpft sich Daredevil durch einen Flur und anliegende Zimmer (siehe Video). Die Kameraarbeit profitiert dabei ganz eindeutig von den professionell ausgeführten und choreographierten Stunts des Teams von Philip J. Silvera, der diese Funktion auch schon in der «Taken»-Reihe mit Liam Neeson oder zuletzt in «Daredevil» übernahm. Die Stunts und Kampfszenen kommen völlig ohne CGI aus und wurden über Wochen hinweg einstudiert


5. Den Wurzeln treu bleiben


Inzwischen haben Comicbücher einen festen Platz in der Popkultur eingenommen und dementsprechend wissen die Zuschauer auch über die grundsätzlichen Hintergründe eines Helden Bescheid. Die Zuschauer wissen beziehungsweise wussten vorab, dass Daredevil blind ist und dementsprechend verzichtete die erste Staffel auf eine großangelegte Origin-Story, wie sie für Comicfilme inzwischen quasi üblich ist. Stattdessen fokussierte sich die erste Staffel primär auf die Comicvorlage „Daredevil: The Man Without Fear“ von Frank Miller. Daredevil macht dabei eine andere Entwicklung durch als das gewöhnliche Muster von: „Kräfte erhalten – Motivation durch den Tod einer nahe stehenden Person – erste Erfolge – Kostüm zulegen – Rückschlag und das abschließende Aufeinandertreffen mit dem Antagonisten“. Die Story wird dabei weitaus komplexer dargestellt als andere Superheldenserien und entwickelt sich viel eher in die Richtung einer Kriminalgeschichte mit deutlich stärkerem Dramaeinschlag. Denn der dunkle Ton der Serie zeigt sich nicht nur in den Handlungsbögen von Daredevil, sondern auch in denen seines Alter Ego Matt Murdoch, der die Schwachen vor Gericht verteidigt und für ihr Recht kämpft.
17.03.2016 19:00 Uhr  •  Dennis Weber Kurz-URL: qmde.de/84398