‚«Sing meinen Song» hat viele Regeln gebrochen‘

Am Dienstag kehrt die Musikshow mit neuen Folgen zurück. Für VOX war das Format ein Glücksfall: Der aufgebrachte Mut wurde belohnt und direkt in neue Projekte investiert. Über den erstaunlichen Weg des Privatsenders in den vergangenen zwei Jahren haben wir mit Chefredakteur Kai Sturm gesprochen. Neben Details zur neuen «Sing meinen Song»-Staffel spricht er auch über «Die Höhle der Löwen» und Änderungen in der Kretschmer-Show «Geschickt eingefädelt».

Die früheren Teilnehmer

  • Cast Staffel 1: Sasha, Sandra Nasic, Roger Cicero, Andreas Gaballier, Sarah Connor, Gregor Meyle & Xavier Naidoo
  • Cast Staffel 2: Yvonne Catterfeld, Andreas Bourani, Die Prinzen, Christina Stürmer, Hartmut Engler (Pur), Daniel Wirtz, Xavier Naidoo (Söhne Mannheims).
Und am Anfang stand «Sing meinen Song». Als jene Musikshow der Produktionsfirma Talpa Germany vor ziemlich genau zwei Jahren, nämlich am 22. April 2014, erstmals bei VOX auf Sendung ging, dürfte es in der Fernsehbranche mehr Zweifler als Befürworter gegeben haben. Das Musikformat mit dem damals aus «The Voice of Germany» bekannten Xavier Naidoo aber dennoch zur besten Sendezeit und mit musikjournalistischen Beibooten (etwa «Die XX-Story») zu programmieren, gehört zum Weg des damals noch recht frischen Senderchefs Bernd Reichart. Der heute 42-Jährige war ein Jahr zuvor aus Spanien zurückkommend Chef des Kölner Senders geworden und hatte in seinen ersten Monaten durchaus den ein oder anderen Nackenschlag wegstecken müssen.

Und dann kam «Sing meinen Song». Direkt die erste Episode des Formats überzeugte mit 11,1 Prozent Marktanteil, eine Woche später stiegen die Quoten sogar auf 11,9 Prozent. Nur zwei Folgen der achtteiligen Staffel sollten in der Endabrechnung mit weniger als zehn Prozent verbucht sein. Die zweite Staffel startete dann vergangenen Mai sogar noch stärker – nämlich mit 13,8 Prozent. Keine einzige Episode fiel mehr unter die 10-Prozent-Marke. Stattdessen ging es in der Spitze bis auf 15 Prozent nach oben, als die Songs der Band Pur im Fokus standen.

«Sing meinen Song» war letztlich Motor für zahlreiche weitere Entwicklungen, die VOX zum Programmanbieter Nummer 1 in Sachen innovativer Unterhaltungsformate gemacht haben. Die Adaption des amerikanischen «Shark Tank», das hierzulande als «Die Höhle der Löwen» läuft, bescherte den Kölnern in der Spitze 14 Prozent Marktanteil, die erste Serien-Eigenproduktion «Club der roten Bänder» löste vergangenen Herbst einen schier unfassbaren Hype aus und wäre mit Quoten von bis zu 15,4 Prozent sogar beim großen Schwestersender RTL ein durchschlagender Erfolg gewesen. In eine Linie der zahlreichen Erfolge von VOX stellten sich auch Sendungen wie «Hot oder Schrott», «Grill den Henssler», «Kitchen Impossible» und einige mehr.

In der Tat hat «Sing meinen Song» und die ganz besondere Stimmung des Formats, nicht nur für uns den Weg geebnet. Es hat der ganzen Branche, vielen Produzenten und vielen Sendern das Gefühl gegeben: Hey, man kann Geschichten auch anders erzählen. «Sing meinen Song» hat viele Regeln gebrochen. Und das war ein großer ermutigender Faktor für viele andere Projekte.
VOX-Chefredakteur Kai Sturm
Und am Anfang stand eben «Sing meinen Song». Das findet auch Kai Sturm, der beim Kölner Sender VOX seit rund zehn Jahren als Chefredakteur tätig ist. „In der Tat hat «Sing meinen Song» und die ganz besondere Stimmung des Formats, nicht nur für uns den Weg geebnet“, erinnert er sich im Quotenmeter.de-Interview zurück. Das Format habe der ganzen Branche, vielen Produzenten und vielen Sendern das Gefühl gegeben, man könne Geschichten auch ganz anders erzählen. „«Sing meinen Song» hat viele Regeln gebrochen. Und das war ein großer ermutigender Faktor für viele andere Projekte.“

Begonnen hat die Geschichte rund um das Format übrigens nicht erst vor zwei Jahren – sondern nochmal fünf Jahre früher. 2009 habe Kai Sturm erstmals das niederländische Original, das auf den Namen «De beste zangers van Nederland» hört, gesehen. Ein Kollege vom damaligen Schwartzkopff TV, dem heutigen Talpa Germany, hätte das Format damals schon ähnlich wie Kai Sturm geliebt, erzählt der Fernsehmacher. „Ich kannte die holländischen Sänger alle und habe deshalb sofort verstanden, auf welch hohem musikalischen Niveau sich die Sendung bewegt. Allerdings war das dort mehr ein Partyformat, aber es war auch ganz intim. Damals haben wir gesagt: Das müssten wir auch in Deutschland machen. Und dann haben wir - und vor allem natürlich die Produzenten – versucht, eine Gruppe von Musikern zusammenzustellen.“



Gesagt, getan, gescheiert. Es habe einfach nicht funktioniert, erinnert sich Kai Sturm zurück. „Über die Zeit ist die Option von einer Produktionsfirma zur anderen gewandert, sodass ich im Laufe der vergangenen Jahre mit mindestens drei Produktionsfirmen über das Format gesprochen habe. Alle haben gesagt: Wir kriegen das Format zusammen - aber bei keinem hat es geklappt.“ Bis dann eines Tages der Anruf von Karsten Roeder kam, der bis heute für die Sendung produktionsseitig verantwortlich zeichnet. Er sagte, er könne das Format jetzt zusammenstellen, denn er habe eine Zusage von Xavier Naidoo, mit dem Roeder zuvor eben für die ProSiebenSat.1-Show «The Voice» gut zusammengearbeitet habe.

‘Das war der kürzeste Pitch aller Zeiten‘


„Das war der kürzeste Pitch aller Zeiten, weil wir sofort zugesagt haben“, schmunzelt Sturm. Als einige Zeit später in Südafrika produziert wurde, habe man gemerkt, mit welcher Spannung und musikalischer Freude die Musiker aufeinandertreffen und wie toll diese unterschiedlichen Interpretationen klingen würden. Sicher sein, dass man den Geschmack des Publikums treffen würde, konnte man trotzdem lange noch nicht. „Uns war natürlich klar, dass das Format keine klassische Dramaturgie hat: Es gibt keinen Gewinner, keinen Verlierer und all das, was die Journalisten ja auch geschrieben haben“, erinnert sich Sturm an die ziemlich verhaltene Erwartungshaltung externer Kritiker. „Was die meisten Menschen aber unterschätzen, ist, dass da sehr wohl eine starke Dramaturgie drin ist. Denn die Musiker sind wahnsinnig nervös, ob ihre Interpretation den Original-Interpreten wirklich gefallen. Diese Intimität hat funktioniert und das Format ist ein Erfolg geworden“, so der Fernsehmacher.

Welche Staffel hatte die - vom Namen her - besten Teilnehmer?
Staffel 1
44,2%
Staffel 2
38,8%
Staffel 3
16,9%


Vom roten «The Voice»-Stuhl auf die Sofas in Südafrika


Ich habe überhaupt keine Sorge, dass wir nicht unendlich viele Staffeln produzieren können. Ich spreche jetzt nicht über die nächsten 20 Jahre, wenn ich längst in Rente bin. Aber wir haben so viele tolle Musiker mit so vielen Hits in Deutschland, dass ich mir sehr sicher bin, dass es noch weit über die dritte Staffel hinausgehen kann.
VOX-Chefredakteur Kai Sturm
Für die dritte Staffel, die am 12. April ihre Premiere feiert, hat VOX sich wieder bei «The Voice» bedient: Die ehemaligen Coaches Nena und The Boss Hoss sind Teil des «Tauschkonzerts» und treffen dort natürlich auf den Vater des Formats, Xavier Naidoo. Außerdem mit dabei: Annett Louisan, der eher unbekannte Seven, Wolfgang Niedecken und mit Samy Deluxe erstmals auch ein Vertreter der klassischen Rap-Szene. „Ich habe überhaupt keine Sorge, dass wir nicht unendlich viele Staffeln produzieren können“, sagt Sturm angesprochen darauf, ob es wirklich genug deutsche Musiker gibt, die die Sendung noch über Jahre hinweg tragen könnten. „Ich spreche jetzt nicht über die nächsten 20 Jahre, wenn ich längst in Rente bin“, ergänzt er schmunzelnd. „Aber wir haben so viele tolle Musiker mit so vielen Hits in Deutschland, dass ich mir sehr sicher bin, dass es noch weit über die dritte Staffel hinausgehen kann.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Hat Kai Sturm in der dritten Staffel eine Lieblingsfolge? Und was verrät er schon über die kommenden Folgen der Dienstags-Shows «Die Höhle der Löwen» und «Geschickt eingefädelt»?


Für die kommenden acht Wochen will Sturm derweil keine spezielle Folge besonders loben. Es wäre falsch auf eine spezielle Ausgabe hinzuweisen, erklärt er. „Ich kann nur so viel sagen: Die ganze Staffel wird durch die Besetzung wieder ganz anders sein, als die erste oder die zweite. Es ist eine völlig neue Stimmung, eine ganz spezielle Atmosphäre entstanden, sodass ich mich einfach sehr auf den Start am 12. April freue.“ Und am Tag danach sicherlich auch auf die Quoten. Die nämlich dürften wieder deutlich zweistellig ausfallen. Los geht es übrigens gleich mit Nena, in der Woche darauf folgt Seven. Die von Musikjournalisten mit Spannung erwartete Samy-Deluxe-Episode ist übrigens auf den 3. Mai datiert.

Nach «Sing meinen Song» ist fast schon vor «Die Höhle der Löwen»


Pünktlich zum Start der Fußball-Europameisterschaft ist die Staffel dann beendet. Doch das nächste Dienstags-Highlights hatte sich vor einigen Wochen bereits mit großen Schlagzeilen angekündigt. Vermutlich ab September wird die dritte Staffel von «Die Höhle der Löwen» mit einer umbesetzten Investoren-Riege an den Start gehen. Der durchaus umstrittene Carsten Maschmeyer steigt ein. „Das kritische Echo hat uns nicht gewundert. Uns war natürlich bewusst, dass Carsten Maschmeyer und seine Besetzung als Investor bei «Die Höhle der Löwen» ein gewisses Echo hervorrufen würden. Aber wir warten mal auf die Ausstrahlung. Denn viele Klischees und Vorurteile, die mit seiner Person verknüpft sind, kann man in der Sendung ja nochmal überprüfen. Was viele Leute nicht wissen, ist, dass er seit vielen Jahren einen großen Teil seiner Arbeitskraft in das Investment in junge Unternehmen steckt. Von daher erfüllt er seine Funktion in der Sendung ganz hervorragend und sehr kompetent“, erklärt der Fernsehmacher von VOX.

Mit diesen beiden neuen Investoren und mit den erfahrenen Kräften Judith Williams, Jochen Schweizer und Frank Thelen wird die Sendung auf ein nächstes Level gehoben.
VOX-Chefredakteur Kai Sturm über die neuen Löwen Maschmayer und Dümmel in «Die Höhle der Löwen»
Doch Sturm will im Zusammenhang mit der populären Gründershow nicht nur über Maschmayer sprechen. „Wir haben ja auch noch einen zweite neue Besetzung: Ralf Dümmel. Der hat am Anfang noch nicht für ganz so viele Schlagzeilen gesorgt, weil man ihn noch nicht so auf dem Schirm hat. Aber auch er ist ein wahnsinniger Zugewinn für «Die Höhle der Löwen». Und mit diesen beiden neuen Investoren und mit den erfahrenen Kräften Judith Williams, Jochen Schweizer und Frank Thelen wird die Sendung auf ein nächstes Level gehoben.“ Die Dienstage im Herbst sollte man sich nach Meinung von Sturm entsprechend auf keinen Fall entgehen lassen.

Während Musik- und Gründershow sicherlich die beiden am hellsten strahlenden Sterne am VOX-Showhimmel sind, gab es zuletzt jedoch auch noch einige andere Versuche. Abgesehen von den erfolgreichen Kochformaten am Sonntag, probierte sich der Kölner Sender, angespornt von den beiden zuvor durchaus mit Risiken behafteten Versuchen, an zwei für das deutsche Fernsehen und für VOX ungewohnten Themen. Vergangenen Spätherbst war Guido Maria Kretschmar, der Quotengarant des VOX-Nachmittags, in seiner Primetimeshow «Geschickt eingefädelt» zu sehen. In der Spitze kam die BBC-Adaption auf knapp acht Prozent bei den Umworbenen und erreichte damit nicht das außerordentliche Level von Sängern oder Unternehmern.

«Geschickt eingefädelt»: ‚Wir wollen mehr Guido‘


„Ich bin auch im Nachhinein immer noch sehr froh und stolz, dass aus dem kleinen Nähen - aus dem Vorgang, den man wirklich nur durch die Lupe betrachten kann - zusammen mit Guido Maria Kretschmer tatsächlich eine Primetime-Show geworden ist“, erinnert sich Kai Sturm zurück. Für die zweite Staffel, die VOX recht schnell bestellt hatte, kündigt der Chefredakteur aber Anpassungen an. „Unsere Learnings für Staffel zwei sind: Wir wollen mehr Guido und wir wollen ihn noch mehr so einsetzen, wie die Zuschauerinnen ihn auch von der «Shopping Queen» kennen und lieben. Es gibt außerdem noch ein paar Veränderungen inhaltlicher Natur, in der Setzung der Schwerpunkte, und dann glaube ich, dass wir ganz optimistisch in die zweite Staffel reingehen können.“

Noch nicht entschieden wurde derweil über eine zweite Staffel der Sport-Challenge «Ewige Helden», die im Spätwinter am Dienstag probiert wurde. Hier verlief der Zuschauerzuspruch zunächst ziemlich schleppend, ehe die Werte zur Staffelmitte nach oben schossen und gegen Ende wieder leicht abfielen. „Auch mit der ganz besonderen Atmosphäre bei „Ewige Helden“ bin ich sehr zufrieden und sehr glücklich, vor allem mit den zehn Sportlern, die mitgemacht haben. Das ist ein fantastischer Cast. Und alle Zuschauer, die drangeblieben sind, haben auch gespürt, was für besondere Menschen das sind, die da mitmachen. Dafür wird die Sendung ganz besonders geliebt,“ erklärt Sturm. Nach dem Ende der Staffel könne er sagen, dass es sicherlich einige Punkte gebe, die man verbessern könnte.

Man dürfe, so Sturm, aber nicht außer Acht lassen, dass der Sender mit den Sportlern ein für VOX völlig neues Kapitel aufgeschlagen habe. „Denn Sport hat bei uns bis jetzt gar keine Rolle gespielt. Und man musste sich auch als Zuschauer diese Sportler wieder neu erarbeiten. Man musste überlegen: ,Woher kenne ich den eigentlich?‘ oder ,Kenne ich den überhaupt?‘ Und man musste sich darauf einlassen.“ Entsprechend ist sich Sturm sehr sicher, dass die Zuschauer, die die ganze Staffel gesehen und das ganze Format begriffen haben, mit einer ganz anderen Offenheit und Neugier an eine mögliche zweite Staffel herangehen würden.

Und auch wenn eine Entscheidung diesbezüglich wohl in den kommenden Wochen fallen muss, sind die Blicke in Köln zunächst auf die unmittelbare Zukunft gerichtet: Auf den Start mit «Sing meinen Song» mit Nena in der ersten Folge – und vielleicht auch ein kleines Stück zurück. Auf den Weg, den der Sender in den vergangenen zwei Jahren gemacht hat. Und dann wird der ein oder andere sicher sagen: Und am Anfang stand «Sing meinen Song».
12.04.2016 10:58 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/84790