Popcorn und Rollenwechsel: Böhmer filmen
Nachdem die Akte Böhmermann von der Presse nahezu einstimmig zur Staatssache erklärt wurde, ist es wohl unvermeidlich: Dieses Stück Zeitgeschichte muss verfilmt werden. Aber von wem?
David Wnendt
Warum? Wenn die Adaption von «Er ist wieder da» eins bewiesen hat, dann ist es folgendes: Dieser Regisseur versteht es, den Puls der Zeit zu lesen und Deutschland kritisch den Spiegel vorzuhalten. Während er mit Meta-Ebenen spielt sowie profunde Satire mit Quatsch vermengt – und all das ist ganz klar ein zur bildundtonfabrik passender Stil. Somit passt das auch zu Böhmermann.
Was uns erwarten könnte: Ein satirischer Kassenschlager, der mit (vermeintlichen) Tabus bricht – und zweifelsohne ein Loblied auf die Möglichkeiten der Satire.
Uwe Janson
Warum? Weil sich die deutschen Vollprogramme sicher die Hände nach dieser Story reiben und Janson bewiesen hat, effizient in diesem Gebiet Leistung zu vollbringen. Und «Der Minister» hat den Mix aus Süffisanz und Ereigniszusammenfassung mehr als nur respektabel über die Bühne gebracht.
Was uns erwarten könnte: «Der Minister» über einen Satiriker, der in die Schlagzeilen rutscht. Also «Der Satiriker». Vielleicht mit Frau Ferres als Angela Merkel?
Til Schweiger
Warum? Weil er Böhmermann so die ganzen humoristischen Angriffe heimzahlen könnte.
Was uns erwarten könnte: In «Kokowääh 2» gibt es eine amüsante Passage, in der Matthias Schweighöfer als zugedröhnter, abgehobener Promi mal eben die ganze Glamourszene auf die Schippe nimmt. Und «Keinohrhasen» hat so seine Momente, in denen Schweiger weiß, die Boulevardmedien gezielt zu persiflieren. Sollte Schweiger in diesem Modus operieren, könnte eine grelle, mit Seitenhieben gespickte Komödie entstehen. Ansonsten bin ich gespannt, welche romantisch-tragikomischen Wege «KeineZiegenScherze» so zu schlagen weiß.
Gore Verbinski
Warum? Verbinski interessiert sich für das Thema der Meinungs- und Kunstfreiheit, also hat er bereits eine Schwäche für einen der Aspekte des Böhmermann-Falls: Der «Fluch der Karibik»-Regisseur arbeitete vor nicht all zu langer Zeit an dem satirischen Thriller «Pyongyang», in dem ein Künstler ein Animationsstudio in Nordkorea besucht, in dem die Filmadaption seines erfolgreichen Comics gefertigt wird. Dieses Projekt wurde jedoch gekippt, als der Verleih 20th Century Fox nach der «The Interview»-Kontroverse einknickte. Mit der Böhmermann-Geschichte könnte Verbinski doch noch einen Film über die eingeschränkte Freiheit der Kunst drehen – und vielleicht sogar seinem Frust Ausdruck verleihen, dass «Pyongyang» gekippt wurde. Darüber hinaus hat Verbinski ein ganz besonderes Faible, das ihn zu einer kessen Wahl für dieses Thema macht: Der gute Gore liebt es, Ziegen in seinen Filmen zu verstecken …
Was uns erwarten könnte: Ein Film im Stil von Verbinskis melancholisch-zynischer Dramödie «The Weather Man» mit Nicolas Cage, bloß mit einer deutlich größeren Dosis Mediensatire. Und mehr Ziegen.
Alejandro González Iñárritu
Warum? Der mehrfache Oscar-Preisträger würde aus dem viel debattierten Thema einen mehrschichtigen Film kreieren, der einen ganz eigenen Look hätte – und uns somit vor einem alltäglichen „Drama der Zeitgeschichte“ bewahren. Der «The Revenant»-Macher interessiert sich für Pein, würde also weniger Fokus darauf legen, die Newslage der vergangenen Wochen in Filmform zusammenzufassen, sondern in Böhmermanns Seele blicken: Wie stolz ist er auf den Wirbel, den er verursacht hat, wie sehr ist er davon eingeschüchtert? Zieht es ihn herunter, dass Merkel und diverse Medien seine Satire nicht wertzuschätzen wissen? Die polit- und medienkritischen Aspekte der Geschichte liefen eher nebenher, ähnlich wie «Birdman» nur partiell eine Abrechnung mit dem Superheldengenre darstellt.
Was uns erwarten könnte: «Birdman» mit Böhmermann: Ein blasser, dünner Junge irrt grübelnd und entnervt hinter den Kulissen einer bildundtonfabrik umher und reflektiert das Geschehene. Sollte Iñárritu die legendäre Anne-Will-als-Talkgast-Sequenz des «Neo Magazin Royale» gefallen, ist zudem mit dem Verschwimmen der Grenzen von Vorstellung und Realität zu rechnen.