Die Kino-Kritiker: «Rico, Oskar und der Diebstahlstein»

Dieser Tage startet mit «Rico, Oskar und der Diebstahlstein» der dritte Film, basierend auf den gleichnamigen Romanen von Andreas Steinhöfel in den Kinos. Dieser soll gleichzeitig auch der letzte sein – was wir nicht hoffen wollen!

«Rico, Oskar und der Diebstahlstein»

  • Kinostart: 28. April 2016
  • Genre: Kinderfilm/Abenteuer
  • FSK: 0
  • Laufzeit: 94 Min.
  • Kamera: Felix Novo de Oliveira
  • Musik: Oliver Thiede
  • Buch: Martin Gypkens
  • Regie: Neele Leana Vollmer
  • Darsteller: Anton Petzold, Juri Winkler, Detlev Buck, Karoline Herfurth, Henry Hübchen, Frederike Kempter, David Kross, Heike Makatsch, Ursela Monn, Milan Peschel, Fahri Yardim
  • OT: Rico, Oskar und der DIebstahlstein (DE 2016)
Wer einmal das Glück hatte, den beiden jungen Hauptdarstellern Anton Petzold und Juri Winkler persönlich gegenüber zu treten, der wird im Nachhinein tief durchgeatmet haben. Wird er während des Gespräches doch kaum dazu gekommen sein. Die beiden Schüler, die in ihren Paraderollen als die unzertrennlichen Freunde Rico und Oskar nun schon zum dritten Mal in Folge auf die Leinwand treten dürfen, legen eine solch selbstbewusste Energie an den Tag, von der sich selbst viele ihre erwachsenen Kollegen Dutzende von Scheiben abschneiden könnten und dann immer noch weit von dem Enthusiasmus entfernt wären, mit dem Petzold und Winkler daherkommen. Vermutlich ist diese unbedarfte Attitüde, die sich von den Darstellern zu jeder Sekunde auch auf den Film überträgt, gleichsam das Geheimnis hinter den insgesamt drei, auf den gleichnamigen Romanen von Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel basierenden Filmabenteuern, von denen «Rico, Oskar und der Diebstahlstein» nun das Finale bilden soll. Und es ist ein Jammer: Nachdem «Rico, Oskar und die Tieferschatten» (818.864 Zuschauer) sowie «Rico, Oskar und das Herzgebreche» (547.352 Zuschauer) als so ziemlich einziges, hochwertiges Kinderfilm-Franchise die brachliegende Kinderkrimi-Landschaft am Leben erhielten, wird nach Beendigung der Reihe vermutlich erst einmal wieder gähnende Leere im Kinosaal herrschen. Nicht, weil das Genre des Kinderfilms generell unterrepräsentiert wäre. Sondern weil deutsche Familienproduktionen auf einem derart kreativen Niveau heutzutage kaum noch zu finden sind.

Auf an die Ostsee!


In der Dieffe 93 hat sich einiges getan: Ricos Mutter Tanja (Karoline Herfurth) ist mittlerweile mit dem Bühl (Ronald Zehrfeld) zusammen und Ricos bester Freund Oskar (Juri Winkler) lebt mit seinem Vater Lars (Detlev Buck) nun auch bei Rico (Anton Petzold) im Haus. Also ist eigentlich alles gut und Ricos Laune ist prima. Doch dann stirbt völlig überraschend der knarzige Fitzke (Milan Peschel) und vererbt Rico seine geliebte Stein-Sammlung. Während Oskar überzeugt ist, dass diese Sammlung absolut wertlos ist und eine echte Fitzke-Marotte war, glaubt Rico nun im Besitz eines wertvollen Schatzes zu sein, den er in Gedenken an Fitzke auch würdig bewahren möchte. Als die beiden Jungs feststellen, dass Ricos Lieblingsstein, der Kalbstein, gestohlen wurde, ist ihr Detektiv-Spürsinn geweckt! Sie müssen die Diebe stellen und finden heraus, dass die auf dem Weg an die Ostsee sind. Da passt es prima, dass Tanja mit dem Bühl in den „Knutsch-Urlaub“ geflogen ist und so begeben sich die beiden pfiffigen Jungs allein auf eine spannende Reise an die Ostsee.

Um den heutigen Sehgewohnheiten der nachwachsenden Generation zu entsprechen, setzen Kinder- und Familienfilme immer häufiger auf eine hektische Handlung, technische Spielereien und Popkulturanspielung für die älteren, den Nachwuchs begleitenden Zuschauer. Wie schon in den beiden Filmen zuvor ist auch «Rico, Oskar und der Diebstahlstein» in Gänze anders gepolt. Neele Leana Vollmer, die bereits den ersten Teil inszenierte, nimmt sich erneut viel Zeit für die Handlung, die aus den besten Bestandteilen eines klassischen Kinderkrimis besteht. Vom Versuch, in der Bahn nicht beim Schwarzfahren erwischt zu werden, über Verfolgungsjagden am Strang bis hin zu Streits mit Freunden und Familie ist «Rico, Oskar und der Diebstahlstein» gespickt mit unaufgeregten, für das junge Publikum jedoch nicht minder packenden Sequenzen, sofern dieses noch nicht vollständig von den CGI-Schlachten großer Filmschmieden und nervtötenden Zeichentrickserien der nachmittäglichen Privatsender geformt wurde. Daran gemessen wirkten die «Rico, Oskar»-Filme schon immer ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Ohne die Zuhilfenahme von Special Effects oder anstrengende Farbfilter liegt der Fokus auch im Falle des «Diebstahlstein»-Abenteuers ganz auf der Interaktion zwischen den beiden Hauptfiguren sowie deren Umfeld. Und die ist vor allem deshalb so zeitlos schön, weil es dem feinsinnigen Skript von Martin Gypkens (schrieb auch das Drehbuch zu den «Herzgebreche»-Eskapaden) erneut durchgehend gelingt, die kindliche Sichtweise seiner Protagonisten einzunehmen.

Stars so weit das Auge reicht


Ein weiteres Mal versammelt die Regisseurin neben den Stammschauspielern auch eine große Riege an Nebendarstellern um sich. Nach Anke Engelke, Annette Frier, Moritz Bleibtreu, Katharina Thalbach und diversen weiteren Akteuren und Aktricen treten diesmal Heike Makatsch («Alles ist Liebe»), Fahri Yardim («8 Sekunden – Ein Augenblick Unendlichkeit»), Detlev Buck («Bibi & Tina – Mädchen gegen Jungs»), Friederike Kempter («Tatort») und Katharina Schüttler («Elser») in die Fußstapfen ihrer Vorgänger. Auch die wiederkehrende Rolle von David Kross («Boy 7») als homosexueller Nachbar darf diesmal ein wenig mehr tun, als noch in den beiden Filmen zuvor. Die «Rico, Oskar»-Filme scheinen sich als großes Stelldichein der namhaftesten Schauspieler Deutschlands etabliert zu haben; selbst wenn einzelne Rollen nur auf einzelne kleine Szenen ausgelegt sind, ist es doch gerade diese Masse an Stars, die auch «Rico, Oskar und der Diebstahlstein» zusätzlich aufpeppt. Eine Sache ist ihnen allen dann allerdings nicht vergönnt: Die Show stehlen lassen sich Anton Petzold und Juri Winkler auch von ihren berühmten Kollegen nicht.

Während der Schwerpunkt des Films zum Großteil auf den detektivischen Ermittlungen von Rico und Oskar liegt, ist zwischendurch immer wieder Zeit für sehr ruhige, bisweilen äußerst emotionale Töne. Wenn der von Detlev Buck zunächst so knurrig verkörperte Vater von Oskar mit der Zeit auftaut und sich ernsthaft um seinen Sohn sorgt, dann geht das spätestens dann an die Nieren, wenn er Oskar mit Tränen in den Augen eine rührende Liebeserklärung macht. Überhaupt ist Buck trotz seines nur kleinen Auftritts wohl die größte Bereicherung der Reihe; sein Charakter besticht durch eine komplexe Wankelmütigkeit, mit der die «Rico, Oskar»-Filme schon immer gesegnet waren. Regisseurin Neele Leana Vollmer verweigert sich erneut des schlichten Schwarz-Weiß-Denkens, packt Themen wie Tod, Trauer, Nacktheit und Homosexualität wie selbstverständlich an und bereitet sogar ein älteres Publikum damit noch einmal ganz neu aufs Leben vor. Die an die Zeichnungen aus den Büchern angelegten, zwischendurch eingeworfenen Animationen und Kurzfilme runden das Seherlebnis auf urkomische Weise ab (wie Oskar aus dem Off erklärt, was es mit dem Wort Klaustrophobie auf sich hat, hat den Wert eines viralen Onlinesketches).

Fazit


Wir wollen einfach nicht glauben, dass mit «Rico, Oskar und der Diebstahlstein» tatsächlich Schluss sein soll! Erneut liefert Neele Leana Vollmer mit ihrem kurzweilig-geerdeten Kinderabenteuer ganz großes Familienkino ab.

«Rico, Oskar und der Diebstahlstein» ist ab dem 28. April bundesweit in den Kinos zu sehen.

Auf der nächsten Seite geht es zu unserem Interview mit der Regisseurin Neele Leana Vollmer.

Frau Vollmer, immer wieder wurde kommuniziert, die Geschichte um den «Diebstahlstein» sei der finale Abschluss. Ist dem wirklich so? Wird man, sofern dem so ist, nicht ein wenig wehmütig, dass ein solches Projekt nun zuende ist?
Natürlich ist es traurig, dass es nun vorbei ist. Für mich waren es drei ganz besondere Jahre. Obwohl ich Teil zwei nicht inszeniert habe, gab es nicht wirklich eine lange Pause, da die Bucharbeiten zum dritten Teil bereits früh begannen. Rico und Oskar sind mit jedem Film reifer geworden. Und mit ihnen auch ihre Herausforderungen, denen sie in den Filmen begegnen. Im ersten Teil hätten sie sich niemals alleine an die Ostsee gewagt. Für mich ist diese Reise ans Meer ein tolles Ende. Mit ihnen verlassen wir nach nun zwei Filmen in der Dieffe endlich mal die Heimat und fahren mit ihnen ans „Ende der Welt“!

Ich habe Anton Petzold und Juri Winkler letztes Jahr interviewen dürfen und muss sagen, dass mich die beiden echt ins Schwitzen gebracht haben. Ein solches Selbstbewusstsein habe ich bei Kindern in diesem Alter noch nie erlebt. Kann das am Set nicht manchmal ganz schön anstrengend sein?
Nein, es ist toll mit selbstbewussten Kinder zur arbeiten. Anton und Juri sind inzwischen Profis, haben aber trotzdem ihre Leichtigkeit und ihrem Humor am Set und vor allem im Spiel nicht verloren. Es macht Spaß mit ihnen zusammen über die Szenen zu sprechen, mit ihnen an den Worten, die in ihren Mündern manchmal komisch klingen, zu feilen. Wenn ich heute an die erste Begegnung mit Anton und Juri im Februar 2013 denke, bin ich stolz auf die beiden und auf deren Entwicklung. Und vor allem glücklich, sie gefunden zu haben!

Es ist toll mit selbstbewussten Kinder zur arbeiten. Anton und Juri sind inzwischen Profis, haben aber trotzdem ihre Leichtigkeit und ihrem Humor am Set und vor allem im Spiel nicht verloren. Es macht Spaß mit ihnen zusammen über die Szenen zu sprechen, mit ihnen an den Worten, die in ihren Mündern manchmal komisch klingen, zu feilen.
Neele Leana Vollmer über die Arbeit mit den beiden Jungdarstellern
Schon die ersten beiden Teile haben sich dadurch ausgezeichnet, dass Sie auch Themen anpacken, mit denen sich andere „Kinder“- und Familienfilme eher weniger befassen. Homosexualität, die Arbeit von Ricos Mutter in einem Nachtclub und in diesem Film spielen Nacktheit und der Tod eine wichtige Rolle. Worin liegt das Geheimnis, derartige Themen so aufzubereiten, dass man sich als Zuschauer (insbesondere als kleiner Zuschauer) nie pikiert oder überfordert fühlt?
Das sind die tollen Bücher von Andreas Steinhöfel. Ihm ist es gelungen, Themen anzusprechen, die ungewöhnlich sind, diese dann aber völlig natürlich zu behandeln. Ich liebe seine Sprache und seine besondere Gabe, Figuren extrem vielschichtig zu erfinden. Bevor die Dreharbeiten zu Teil 1 begannen, habe ich ihn gefragt, ob es eine Sache gäbe, die ihm besonders wichtig sei. Er antwortete: Nimm die Kinder ernst. Und das habe ich dann auch getan. Die Balance zwischen Abenteuer und auch emotionalen Momenten war mir immer besonders wichtig. Es muss nicht ein Witz dem anderen folgen, Kinder sind extrem empfänglich – auch für traurige und ernste Themen. Ich liebe an den Rico-Filmen, dass es neben dem Abenteuer immer noch eine zweite Ebene gibt.

Wie gehen Sie derartige Szenen beim Drehen an? Stichwort: FKK-Strand? Kostete das die kleinen Darsteller (ausnahmsweise) dann doch mal Überwindung?
Das war auf jeden Fall die schwierigste Szene im Film. Lange vor Drehbeginn habe ich die beiden gefragt, ob es für sie ok sei, im Film ihren Popo zu zeigen. Beide waren sofort einverstanden, doch wenn man dann am Set steht, wird einem erst wirklich bewusst, was das in der Realität bedeutet. Es waren schwierige und sensible Tage, wir haben versucht, das Team zu verkleinern und zudem mit gebastelten Unterhosen ihnen das Gefühl zu geben, nicht ganz nackt zu sein.Sie haben es toll gemacht, doch wenn man sie nach ihrer Lieblingsszene beim Dreh fragt, werden sie ganz bestimmt nicht diese nennen.

Sie haben erneut eine große Menge neuer namhafter Darsteller für den Film gewinnen können. Das hat auch bereits die ersten beiden Filme ausgezeichnet. Müssten Ihnen die Schauspieler und Schauspielerinnen nicht mittlerweile die Tür einrennen, in einem der Filme mitzuspielen? Die Kritikerreaktionen waren schließlich großartig!
Die Rico-Bücher sind einfach besondere und außergewöhnliche Bücher, und auch die Drehbücher haben sehr gut funktioniert. Schon in Teil 1 haben sich fast all unsere Besetzungswünsche erfüllt. Unsere Begeisterung für die Projekte steckte sofort auch die Darsteller an. Zudem sind es dankbare und facettenreiche Figuren, die Andreas erfunden hat. Auch wenn die Rollen klein sind, gibt es viel darin zu entdecken.

Was man von den Zuschauerzahlen – einzig und allein die Entwicklung betreffen – ja leider nicht behaupten kann. Teil zwei hat leider deutlich weniger Zuschauer in die Kinos gelockt, als Teil eins. Und auch, wenn Sie den zweiten nicht inszeniert haben, drückt eine solche Entwicklung auf’s Gemüt, oder muss man da drüber stehen?
Davon muss man sich lösen. Natürlich wünsche ich mir, an den Erfolg des ersten anknüpfen zu können. Man weiß nie genau, was den Erfolg eines Filmes begründet. Doch ich bin optimistisch und die ersten Screenings waren ein großer Erfolg. Also: Daumen drücken!

Unser Dank geht an Frau Vollmer für dieses sehr nette Gespräch!
27.04.2016 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/85201