«Germany's Next Topmodel»: Honey, woher kommen die guten Quoten?

Die elfte Staffel von «Germany's Next Topmodel» verzeichnet endlich wieder steigende Einschaltquoten. Woher kommt diese Entwicklung? Eine Frage, die schwierig zu beantworten ist.

«GNTM»-Quoten 2016

  • Reichweite 3+: 2,66 Mio.
  • Marktanteil 3+: 8,5%
  • Reichweite 14-49: 1,86 Mio.
  • Marktanteil 14-49: 16,8%
Episode 1 bis 13
Jahrelang hat eines der ProSieben-Flaggschiffe quotentechnisch stetig abgebaut – nicht mal das zehnjährige Jubiläum konnte diesen Trend stoppen – doch in diesem Jahr scheint alles anders. «Germany’s Next Topmodel» zeigt sich seit knapp drei Monaten in einer überraschend starken Verfassung. Im Schnitt erzielte die Model-Castingshow 16,8 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe. Zum Vergleich: die Jubiläumsstaffel 2015 kam zusammengerechnet nur auf 14,8 Prozent. Und auch die Online-Abrufe bei ProSieben.de schweben in Sphären, die sich manch ein anderes Format nur wünschen kann. Alleine die Umstyling-Episode kam auf 1,4 Millionen Abrufe und war damit im ersten Quartal 2016 das erfolgreichste ProSieben-Format im Netz. Man muss sich also fragen: Woher kommt der neuerliche Aufschwung des zuletzt recht geschundenen Formats? Haben sich die Änderungen, die im Vergleich zur zehnten Staffel umgesetzt wurde, wirklich umgesetzt? Können sie die Trendwende bei «Germany’s Next Topmodel» erklären?

Der Neue: Michael Michalsky


Insgesamt gab es zwei wichtige Veränderungen, die das große Schaulaufen angehender Supermodels und Trash TV-Prominenter dieses Jahr erfahren hat. Da hätten wir die teils neubesetzte Jury, da Wolfgang Joop recht öffentlichkeitswirksam aus der Show ausgestiegen ist. Vordergründig war nur der volle Terminplan des Modedesigners Grund für den Ausstieg, doch gegenüber der Gala äußerte er sich deutlich kritischer: „Ich habe versucht, meine Erfahrungen aus dem wirklichen Fashion-Business verstärkt einzubringen, aber es ging eben letztlich um Entertainment.“ Nun, die Erkenntnis, dass es im Privatfernsehen um Unterhaltung geht, ist bei Weitem keine bahnbrechende Neuigkeit. Das sollte allen Beteiligten bewusst sein. Interessanterweise kündigte Michael Michalsky im Vorhinein das genaue Gegenteil an: "Ich möchte den jungen Frauen möglichst real die Anforderungen des echten Modellebens zeigen."

Doch auch Thomas Hayos Stuhl neben Heidi Klum schien zu wackeln. Denn eigentlich stand ein anderer großer Name der Modebranche auf der Liste der deutschen Modelikone: Eva Cavalli wurde als neues Jurymitglied gehandelt und soll sogar fast in die Show gestoßen sein, wenn da nicht das angeblich „unverschämte“ finanzielle Angebot seitens des Senders gewesen wäre – schreibt zumindest die Bild-Zeitung. Wie viel man davon aber wirklich glauben darf - fraglich.

Das Frauen-Doppel sollte dementsprechend von Michael Michalsky verstärkt werden, der nach der Absage von Cavalli aber nur wie die zweite Wahl wirkt. Ganz zu schweigen von Thomas Hayo, der nun als gefühltes neuntes Rad am Wagen doch wieder in die Show zurückgeholt wurde. Doch eines muss man dem Art Director lassen: er ist durchaus selbstironisch und nimmt sich nicht allzu ernst. Das ist vor allem im Vergleich zu Michael Michalsky ein erfrischendes Element. Der Modedesigner musste sich auch erst in seine Rolle finden, die aber bisher ziemlich farblos erschien. Darüber hinaus muss man konstatieren, dass ihm das polarisierende Charakteristikum und die dezenten Star-Allüren fehlen, die Wolfgang Joop immer wieder mit in die Show einbrachte. Als Zuschauer stößt man sich nur selten an Michalsky, was ihn leider austauschbar macht.

Die Königin: Heidi Klum


Es macht mir sehr viel Spaß, Teil der «GNTM»-Familie zu sein. Das Coaching der Newcomer-Models, das Battle zwischen Thomas und mir sowie die Zusammenarbeit mit Heidi - das alles ist einfach großartig. Für mich ist es eine neue, positive Erfahrung in solch einer wichtigen und erfolgreichen Show mitzumachen.
Der neue «GNTM»-Juror Michael Michalsky über Staffel 11
Jedoch wurde nicht nur an der personellen Schraube gedreht, sondern auch an der konzeptionellen. In der elften Staffel werden die Kandidatinnen zu Beginn in zwei Teams eingeteilt – je nachdem, ob Michael Michalsky oder Thomas Hayo während des Catwalks den Buzzer betätigen und sich dadurch ihr Stuhl umdreht... Oh, entschuldigen Sie bitte. Falsches Format. Nur der Buzzer, ohne Stühle. Team weiß und Team schwarz erhalten dann besondere Betreuung durch ihren jeweiligen Juror. ProSieben versuchte natürlich, dieses Novum im Konzept als Game Changer zu verkaufen – schließlich sollte die Aufmerksamkeit und damit die Quoten nach der schwächsten Staffel aller Zeiten wieder anziehen. Doch der Team-Aspekt geriet sehr schnell zu einer Nebensächlichkeit. Welches der verbliebenen Mädchen nun in welchem Team ist? Keine Ahnung. Einzige Auswirkung des neuen Elements: ein gemeinsamer Final-Walk – schwarz gegen weiß – sowie anfangs noch unterschiedliche Locations für die Teams. Jedoch ist dieser Aspekt der Show auch auf den sozialen Kanälen schnell als unsinnig und unwichtig identifiziert worden.

Was die Team-Einteilung zu Beginn ad absurdum geführt hat: wollten sowohl Thomas als auch Michael ein Mädchen unter ihre Fittiche nehmen, begann kein gewitztes Duell der Juroren à la «The Voice», das die Kandidatinnen zu einer eigenen Entscheidung zwang, sondern ein oktroyiertes Urteil durch Heidi Klum. So viel zum selbstbestimmten Verhalten der Mädchen und der Co-Juroren. Wer die Hosen in dieser Show anhat, ist damit mehr als nur deutlich. Nicht umsonst trägt «Germany’s Next Topmodel» immer noch den Beinamen „by Heidi Klum“. Sie ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt der Sendung.

Der Verlierer: Das Verantwortungsbewusstsein


Doch die Macher werkelten nicht nur an den vermeintlich großen Stellschrauben des Konzepts. Man hat mittlerweile das Gefühl, dass die Tage der großen Verantwortungs-Debatte rund um «GNTM» vorbei sind. Spätestens seit dem Urteil der Kommission für Jugendmedienschutz im vergangenen November scheint der moralischen Diskussion weitgehend ein Ende gesetzt. Sie kam damals nach eingehender Prüfung von Zuschauerbeschwerden erneut zu dem Schluss, „dass [die zehnte Staffel] gemäß den Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) nicht entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche [ist].“ Die vor allem in der neunten Staffel auffällig oft gezeigten Szenen mit essenden Models (Stichwort: Heidis Döner) sind in diesem Jahr völlig von der Bildfläche verschwunden. Natürlich hat man als Zuschauer weiterhin das Gefühl, dass die Show kaum förderlich für das Frauenbild sowie Körperideale junger Mädchen sein kann, doch zumindest von offizieller Seite aus konnte «Germany’s Next Topmodel» diese Vorwürfe erneut abschütteln.

Andererseits haben wir noch nicht über das Thema Product Placement gesprochen. Dass die Werbeplatzierung bei diversen ProSieben-Shows fast schon zum Konzept gehört – siehe das Völkerball-Turnier vor ein paar Wochen, ist nichts Neues. Und auch bei «GNTM» sind diese schon immer fester Bestandteil der Show. Doch die Flut an platzierten Marken und Produkten ist wirklich faszinierend und streckenweise ungewollt komisch. Doch damit verdient die Show weiterhin gutes Geld.

Zuletzt ging das Product Placement der Show sogar der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten (ZAK) zu weit: „Die ZAK stellte in drei Fällen unzulässige Produktplatzierung im Programm ProSieben der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH während der Sendung «Germany’s Next Topmodel» fest. Der Fokus lag in den beanstandeten Sequenzen jeweils nicht auf der Handlung der Show, sondern auf der Produktpräsentation und -inszenierung.“

Die Glaubwürdigkeit der Show leidet darüber hinaus auch in anderen Momenten. Man betont oft das eigene Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kandidatinnen und wagte es sogar zum ersten Mal in der Geschichte von «Germany’s Next Topmodel», ein Mädchen gegen ihren Willen aus der Show zu werfen, da sie an einer langanhaltenden Lungenentzündung erkrankt war. Auf den ersten Blick ein guter Schritt. Doch der fade Beigeschmack bleibt vorhanden, schließlich hat man die Kandidatinnen kurz zuvor noch in einem Eislaster auf Eisblöcken posieren lassen.

Die starke Konstante: Die Shootings


«GNTM»-Siegerinnen

  • 2006: Lena Gercke
  • 2007: Barbara Meier
  • 2008: Jennifer Hof
  • 2009: Sara Nuru
  • 2010: Alisar Ailabouni
  • 2011: Jana Beller
  • 2012: Luisa Hartema
  • 2013: Lovelyn Enebechi
  • 2014: Stefanie Giesinger
  • 2015: Vanessa Fuchs
Nicht zuletzt sind es aber solch abwechslungsreiche Shootings, die «Germany’s Next Topmodel» auszeichnen und sogar aus konzeptioneller Sicht ihr bestes Element sind. Auf der einen Seite Klassiker wie Nackt- oder Tier-Shootings, auf der anderen Seite interessante Aufnahmen im Zwanziger-, Puppenspiel- oder Horror-Ambiente. Am grundlegenden Konzept ist dabei natürlich nichts neu, doch der Kreativität bei den Shootings sind keine Grenzen gesetzt, auch wenn man manchmal bezweifeln darf, dass diese wirklich etwas mit dem Modelalltag zu tun haben. Zusätzliche Abwechslung brachte in dieser Staffel der Besuch der Partner der Mädchen – vor allem der Freund von Kim, Alexander alias „Honey“, glänzte mit Sätzen wie: „Ich kann mit dominanten Frauen umgehen. Man muss einfach dominanter sein.“ Über solche Protagonisten kann man sich als Zuschauer wunderbar das Maul zerreißen, was der Show Zulauf bescheren kann.

Leider zerstört sich die Sendung jedoch oft den eigenen Spannungsbogen. Beispiel: als die bereits erwähnte Dame mit der Lungenentzündung rausgeworfen wurde, war jener entscheidende Moment der Verkündung völlig seiner Spannung beraubt, da man als Zuschauer bereits durch Vorblenden den Ausgang kannte. Darüber hinaus hat «Germany’s Next Topmodel» nach dem recht vollgepackten Auftakt eindeutig seine Längen. Zwei Stunden und fünfzehn Minuten sind in den meisten Fällen nicht ausreichend mit interessantem Material gefüllt – vor allem die letzte halbe Stunde wurde im Lauf der Staffel zunehmend zur Qual. Auf die Quoten aber hat alles das überhaupt keine Auswirkung - im Gegenteil.

Die große Frage: Warum steigen die Quoten?


Was den Produzenten wiederum gut gelingt: ein Drama künstlich zu erzeugen. Bereits einfache Mittel wie ein Schlafraum im Stile einer Jugendherberge tragen zur allgemeinen Missstimmung unter den Mädchen bei. Zu Beginn der Staffel war noch zu befürchten, dass sich die Kandidatinnen zu sehr mögen – ein absolutes No-Go für eine unterhaltende Show mit Trash-Elementen. Doch Jasmin und Elena C., Tochter von Mathieu Carrière, haben das Ruder mithilfe ihrer Streitigkeiten doch noch herumgerissen. Aussagen wie „Sie ist ein Mensch mit mehreren Gesichtern. Beziehungsweise zwei Gesichtern. Man könnte schon fast sagen: drei.“ gehören einfach zum Standard-Repertoire einer solchen Sendung. Anders ausgedrückt: RTL sollte auch in diesem Jahr keine Probleme haben, geeignete Kandidatinnen für das Dschungelcamp zu finden. Ansonsten findet sich in diesem Jahr der gewöhnliche Mix an Kandidatinnen, der sich nicht von bisherigen Staffeln unterscheidet. Schade ist nur, dass die etwas verrückte Fred mit ihrer knallbunten Glückhose bereits früh ausgeschieden ist.

Die gestiegenen Quoten der elften Staffel «Germany’s Next Topmodel» bleiben also ein kleines Rätsel. Die großen Veränderungen im Vergleich zum vergangenen Jahr – Michael Michalsky und die Team-Einteilung – können aus den oben genannten Gründen eigentlich kein Pulling-Factor sein. Auch die Streitigkeiten unter den Kandidatinnen, in vielen Trash-Formaten gerne mal ein Zuschauermagnet, lassen sich nicht zur Erklärung heranziehen, da sie zwar vorhanden, aber nicht wirklich ausgeprägt sind. Oder vielleicht ist es gerade das, was die Zuschauer goutieren? Haben sie genug von überdramatisch inszeniertem Zickenkrieg? Mögen sie Kim, Honey und Tochter Carrière einfach einen Tick lieber als ihre Vorgängerinnen? Oder: Vielleicht muss man sich damit abfinden, dass die Zuschauer in diesem Jahr auch mal grundlos zu «Germany’s Next Topmodel» zurückgeströmt sind – wie auch immer: ProSieben wird's freuen. Eine Staffel im Jahr 2017 ist damit sicher wie das Amen in der Kirche.

Warum hat die elfte Staffel der ProSieben-Show in diesem Jahr die Trendwende geschafft? Was war das Besondere an ihr? Falls Ihr Ideen habt, so hinterlasst doch einen Kommentar.
29.04.2016 12:05 Uhr  •  Robert Meyer Kurz-URL: qmde.de/85262