Bereits am Dienstagmittag kündigte die Wochenzeitung
Zeit, die aufgrund des Feiertags nicht wie üblich donnerstags, sondern bereits am Mittwoch erscheint an, das erste Interview mit Jan Böhmermann seit dessen Fernsehpause geführt zu haben
und machte erste Aussagen öffentlich. Mittlerweile ist das Gespräch in Gänze bekannt. Der Moderator des «Neo Magazin Royale» erklärt darin, dass er sich keine Vorwürfe mache: "Künstlerisch war unser humoristisches Proseminar
Schmähkritik ein unglaublicher Erfolg." Persönlich hingegen sei es turbulent gewesen. Selbstmitleid habe Böhmermann aber dennoch nicht. Gerade auch in der Türkei gäbe es viele Kollegen, die mit deutlich härteren Konsequenzen zu kämpfen hätten, meint der Satiriker. Eine Aussage, die auch den
zuvor unter anderem von Medienbeobachter Stefan Niggemeier kritisierten Selbstvergleich von Böhmermann mit dem chinesischen Künstler und Dissidenten Ai Weiwei in ein anderes Licht rücken dürfte.
Von der Politik zeigt sich Böhmermann, der zu Beginn der Affäre um Hilfe von Bundeskanzleramtschef Altmaier gebeten hatte, enttäuscht: "Ich setze inzwischen mehr auf die Justiz", erklärt er. Kritik übt er dabei vor allem an der lange vor der Ermächtigung zur Ermittlung getätigten Aussage der Kanzlerin, das Gedicht sei "bewusst verletzend". Vorwürfe gegen den Hilferuf an Altmaier lässt Böhmermann gleichzeitig nicht gelten: "Diese Nachricht habe ich [...] sicher nicht in einer Situation geschrieben wo Sie noch daran denken, was jetzt besonders cool rüberkommt." Positiv hingegen beurteilt Böhmermann den vielfach geäußerten Zuspruch. Dieser habe ihn sehr gerührt und auch ernsthaft geholfen. An ein gelungenes Gedicht glaubt der auch sonst zu Scherzen aufgelegte Komiker weiter, wenn auch nicht ganz Ernst gemeint. So meint er, dass es sich ganz toll reimen würde. Etwas ernster wird der Satiriker allerdings, bei der Ansage, dass das Gedicht nicht außerhalb des Kontextes betrachtet werden dürfe: "Jeder, der dieses Gedicht aus dem Zusammenhang nimmt und losgelöst von der ganzen Nummer vorträgt, hat nicht alle Latten am Zaun", verleiht Böhmermann seiner Wut offenkundig Ausdruck. Auch viele Medien hatten diesen Rahmen in ihrer Berichterstattung unerwähnt gelassen.
Indirekt weist der Satiriker auch Vorwürfe zurück er habe sich mit dem türkischen Staatschef Erdoğan ein zu einfaches Ziel ausgesucht,
die unter anderem der alfa-Vorsitzende Bernd Lucke geäußert hatte. Es sei um die Grenzen der Freiheit in Deutschland gegangen, Erdoğan zu beleidigen sei ihm zu doof: "Ich denke, das hat man auch dem reichlich bescheuerten Schmähgedicht angemerkt." Daher sei für Böhmermann vor allem die Vorstellung schmerzhaft, man könne ihn nun für einen Rassisten oder Türkenfeind halten. Für diplomatische Missstimmung jedenfalls sieht sich der Moderator nicht verantwortlich: "Dass die Bundesregierung, statt eine langfristige menschenwürdige Lösung für die Flüchtlingskrise zu finden, lieber einen fragwürdigen Pakt mit dem türkischen Unrechtsregime eingeht, ist absolut nicht das Problem eines Satirebeitrags." Seine Arbeit habe die Bedrängnis nur sichtbar gemacht.
Eine Vis-à-Vis-Situation gab es zwischen Jan Böhmermann und den Interviewern Moritz von Uslar und Matthias Kalle übrigens nicht. Die Fragen wurden schriftlich beantwortet, offiziell aus Bequemlichkeit. "Und weil ich gerne der Erste in Deutschland sein möchte, der in einem Zeit-Interview Emojis unterbringt." Gut möglich aber auch, dass Böhmermann nicht mit unüberlegten Aussagen Öl ins Feuer gießen wollte.
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