Casting-Shows - eines der Deutschen liebsten Kinder. Staunen, Mitfiebern, Mitleiden und auch gerne Fremdschämen. Diverse Shows bedienen diese Bedürfnisse seit einer gefühlten Ewigkeit äußerst kompetent. Ich habe mal genauer hingeschaut.
Deutschland hat seit zwei Wochen endlich einen neuen Superstar! Wie? Noch gar nicht mitbekommen?
Prince heißt der junge Mann – genau, wie der just verstorbene Weltstar, weswegen RTL ihn dann auch offiziell lieber als
Prince Damien vermarktete. Er ist bereits der 13. in einer langen Reihe von «DSDS»-Superstars, die Castingkönig Dieter der I. für uns gefunden hat – und angesichts der Vielzahl an Formaten alleine im musikalischen Bereich wie «The Voice of Germany», «X-Factor», «Popstars» oder auch «Das Supertalent» natürlich bei weitem nicht der einzige. Kommt doch einfach mal mit auf eine Reise durch das Casting-Dickicht unseres wunderschön musikalischen Landes...
Wenig Popstars, viele Flopstars
Es war bereits im Jahre 2000, als RTL II «Popstars» aus der Taufe hob. Hier wurde im Gegensatz zu vielen anderen Formaten kein Solokünstler gesucht, sondern eine Band zusammengestellt. Die Catchphrase
Du bist in der Band! wurde schnell zum geflügelten Wort.
Mit 15 Ausgaben, die im Schnitt 1,70 Millionen Zuschauer fanden, einer relativ unbekannten Jury und einem dominanten Coach Detlef D! Soost, der schnell zum Formatgesicht aufstieg, stellte man einen der erfolgreichsten Casting-Acts zusammen, den Deutschland bis heute gesehen hat. Die
No Angels existierten vierzehn Jahre, brachten vier Nummer-1-Hits heraus und konnten zudem mit drei Alben den begehrten Platz an der Sonne einstreichen. Über fünf Millionen verkaufte Tonträger sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache.
Auch in Staffel 2 blieb die Show RTL II erhalten – Soost rückte neben den deutlich markanteren Alex Christensen und Noah Snow nun auch in die Jury auf. Am Ende fand man die Band
Bro´Sis - fünf erfolgreiche Jahre, vier Millionen verkaufte Tonträger, sechs Top10-Singles, zwei Top10-Alben - auch hier konnte man nicht meckern. Zudem konnte sich einige Mitglieder (Ross Anthony, Giovanni Zarrella, Indira Weis) konstant in den Medien halten. 1,71 Millionen Zuschauer waren 26 Ausgaben lang dabei.
Da die RTL-Gruppe mit «DSDS» inzwischen andere Pläne verfolgte, wechselte die Show zur dritten Staffel zu ProSieben – und verblieb dort bis zur zehnten Staffel. Nach den Erfolgen mit den Bands der ersten beiden Jahre ein durchaus geschickter Schachzug der ProSieben-Macher – hätte man denken sollen.
An dieser Stelle begann jedoch inhaltlich die Erfolgsgeschichte bereits zu bröckeln – die Bands
Preluders und
Overground (2003) konnten zumindest noch ihre ersten Songs in den Charts platzieren – danach ging es jedoch schnell bergab.
NuPagadi (2004) schaffte mit Album und Single Platz 1, löste sich aber schon nach 12 Monaten auf,
Monrose (2006) hielt sich immerhin fünf Jahre und konnte zwei erfolgreiche Alben und mehrere Singles aufweisen,
Room 2012 (2007) punktete nicht mal mit den Debüt-Releases und gilt seit 2010 inoffiziell als aufgelöst.
Queensberry (2008) konnte wieder einige erfolgreiche Songs aneinanderreihen, war aber durch ständige Umbesetzungen geplagt und löste sich 2013 auf. Richtig schlimm wurde es dann 2009, als
Some & Any überhaupt nicht funktionierte und sich bereits nach sechs Monaten auflöste. Das gleiche Schicksal ereilte
LaVive (2010), die sich aber immerhin ein Jahr zusammenhielten - genau wie die Nachfolgeband
Melouria (2012).
Nach der zehnten Staffel war für ProSieben Schluss. Hatte man anfänglich noch 2,52 Millionen Fans versammeln können, waren die Werte danach konstant gesunken und hatten zu nur noch 1,50 Millionen Zusehern in der zehnten Auflage geführt. Drei Jahre Pause für das einstige Vorzeigeformat waren die logische Folge.
2015 wurde dann jedoch noch eine elfte Staffel an den Start gebracht – man fand erneut seine Heimat bei RTL II. Detlef D! Soost war erstmals nicht mehr dabei, auch ansonsten setzte man auf frische Gesichter. Nur 530.000 Zuschauer waren allerdings im Schnitt dabei, was den bei Weitem schwächsten Wert aller Staffeln darstellte – auch wurden aufgrund der insgesamt schlechten Resonanz immer wieder Änderungen am Konzept und Sendeplatzwechsel vorgenommen. Pleiten, Pech und Pannen. Diese betrafen am Ende leider auch die Siegerband
Leandah, die ihre erste Single nicht einmal in den deutschen Top100 unterbringen konnte und sich bereits nach vier Monaten auflöste.
Die «Popstars»-Geschichte scheint somit vorerst auserzählt – wenden wir uns einer anderen, sehr langlebigen Show zu…
Deutschland findet einfach keinen Superstar
Die Mutter aller deutschen Castingshows ist nämlich bis heute RTLs Dauerbrenner «Deutschland sucht den Superstar» – oder wie viele ketzerisch sagen würden:
Dieter sucht den Senderstar. Schaut man sich die Einschaltquoten an, ist dieser Scherz zuminest aktuell nicht ganz von der Hand zu weisen. Mit nur 3,60 Millionen Fans generierte die Finalshow der just zu Ende gegangenen 13. Staffel das schlechteste Final-Ergebnis aller Zeiten. Doch das war eben nicht immer so.
Die erste Staffel 2002/2003 erreichte mit dem Finale sensationelle 12,8 Millionen Zuschauer. Die zweite wurde dann jedoch bereits zur großen Enttäuschung, als das Finale nur 5,33 Millionen Fans fand und auch sonst nie über 6,65 Millionen in der Spitze hinauskam. In Staffel 3 ging es mit 7,04 Millionen durchs Finale, auch insgesamt konnte man die Werte wieder steigern. In Staffel 4 ging es mit 5,99 Millionen beim Finale und den durchschnittlich geringsten Werten wieder abwärts, auch danach blieb dieser Trend erhalten. Erst mit Staffel 7 konnte man mit 6,51 Millionen im Schnitt und starken 7,58 Millionen beim Finale wieder kräftig zulegen. Staffel 6 konnte den Schnitt zwar grob halten, verlor aber zum Finale deutlich (5,23 Millionen). Die Staffeln 9 (um 5 Millionen) und 10 (um 4 Millionen) verloren stetig weiter Zuschauer. Seit Staffel 11 ist der gröbste Verlust offenbar überstanden, man pendelt sich im oberen 3-Millionen-Bereich ein. Dass das aktuelle Finale jedoch das quotenschwächste aller Zeiten war, sollte RTL aber zu denken geben, ob der zuletzt eingeschlagene Weg wirklich zielführend ist. Immerhin befindet man sich nach Jahren der Casting-Marktführerschaft nun bereits auf dem Level eines Konkurrenten, der seit ebenfalls schon fünf Jahren ProSieben und Sat1 glücklich macht.
In Sachen Sieger ist die Geschichte bei «DSDS» natürlich ebenfalls nicht weniger komplex. In der ersten Staffel siegte in einem hochspannenden Finale
Alexander Klaws gegen
Juliette Schoppmann und
Daniel Küblböck. Für Klaws ein wahres Sprungbrett: Neben seinen erfolgreichen Alben und Singles und vielen Auszeichnungen wurde Klaws zum Musicaldarsteller und begeistert in dieser Rolle seitdem in unterschiedlichsten Rollen. Eine Bilderbuchkarriere. Zu den erfolgreichen Vertretern der Show-Historie gehören neben ihm ganz klar noch
Nevio Passaro (4. Platz in Staffel 2),
Mark Medlock (Sieger Staffel 4) und
Beatrice Egli (Siegerin Staffel 10).
Zu den Fehlschlägen muss man jedoch die weitestgehend kommerziell abgesoffenen Gewinner
Elli Erl (Staffel 2),
Tobias Regner (Staffel 3),
Thomas Godoj (Staffel 5),
Daniel Schuhmacher (Staffel 6),
Mehrzad Marashi (Staffel 7),
Luca Hänni (Staffel 9),
Aneta Sablik (Staffel 11) und
Severino Seeger (Staffel 12) zählen. Was aus dem aktuellen Superstar
Prince Damien wird, ist noch nicht abzusehen. Dass seine Single
Glücksmoment auf Platz 1 kletterte, hatte leider auch bei vielen Vorgängern nichts zu sagen.
Andere wiederum konnten kommerziell-musikalisch zwar wenig reißen, benutzten ihren Sieg oder ihre Teilnahme aber immerhin als Sprungbrett ins andere Bereiche.
Anna-Maria Zimmermann (Staffel 3),
Annemarie Eilfeld (Staffel 6),
Thomas Karaoglan (Staffel 7) und
Norman Langen (Staffel 11) gingen zum Beispiel in Richtung Stimmungssänger und konnten sich somit ein neues Betätigungsfeld erschließen.
Marco Angelini (Staffel 8) zog sich ins Privatleben zurück und wurde Arzt - sicher keine schlechte Entscheidung.
Pietro Lombardi und
Sarah Engels (Platz 1 und 2 in Staffel 8) heirateten, wurden Eltern und tingeln seitdem durch diverse TV-Formate und der allseits beliebte aber gesanglich wenig begeisternde
Joey Heindle (Staffel 9) wurde Dschungelkönig.
Genau wie ein anderer Kandidat übrigens:
Menderes Bagci. Der Dauerkandidat, der es tatsächlich geschafft hat, in allen 13 Staffeln in den Castings mitzumischen (und somit sogar mehrfach die Regeln der Show auszuhebeln), dabei viermal den Recall zu erreichen (Staffeln 8, 9, 11, 12) und letztlich - nach seinem Dschungeltriumph - sogar seine Gesangskarriere anzuheizen. Ihm sei es mehr als jedem anderen zu gönnen.
«DSDS» hat eines immer erreicht: Eine breite Aufmerksamkeit für die Kandidaten und das Format zu generieren. Inhaltlich und in Sachen Relevanz befindet man sich jedoch seit Jahren auf dem absteigenden Ast. Die bollerige und oft überzogen inszenierte Präsentation hat auf der langen Strecke immer mehr geschadet und Sympathien gekostet. Die Konkurrenz hat aufgeholt und macht RTLs einstigem Flaggschiff das Leben zunehmend schwer. Doch auch der generelle Overkill in Sachen Castings ist sicher dafür verantwortlich, dass nicht nur «DSDS», sondern auch alle weiteren Formate, inzwischen mit kleineren Stücken vom Zuschauerkuchen zufrieden sein müssen.
Leider am Ende nur ein Satz mit X
Wenig nachhaltiger Erfolg war auch dem VOX-Format «X-Factor» vergönnt. Das von Simon Cowell erdachte britische Konzept stellte den Gedanken der Förderung der Talente klar in den Vordergrund. Die Juroren wurden zu Paten der Künstler und brachten sich durch die Zu- und Einteilung der Kandidaten in Kategorien somit deutlich mehr ein. Mit Jochen Schropp hatte man einen guten Moderator, Sarah Connor, Till Brönner und George Glueck bildeten im ersten Jahr eine starke und sympathische Jury.
Die Quoten waren für VOX durchaus ein Erfolg. Mit zumeist um die 2 Millionen Zuschauern und einem Finale vor sogar 2,91 Millionen qualifizierte sich das Format für eine weitere Runde. Siegerin wurde
Edita Abdieski , die leider weder mit ihrem Debütalbum noch danach wirklich von sich reden machen konnte. Auch andere Kandidaten der Staffel (
Big Soul,
Pino Severino) war trotz vorhandenem Talent kein kommerzieller Erfolg vergönnt.
Im zweiten Jahr ersetzte VOX George Glueck durch das Bo, hielt ansonsten aber am Konzept fest. Die Staffel konnte die guten Quoten des Vorjahres trotz wesentlich mehr Ausgaben weitestgehend bei um die zwei Millionen halten, verlor aber zum Finale deutlich, das nur noch vor 1,80 Millionen stattfand. Es gewann der sympathische
David Pfeffer, der allerdings wie alle Mitstreiter der Staffel keinerlei kommerziellen Erfolg verbuchen konnte.
Zum dritten Jahr gab es einige Änderungen: Till Brönner und das Bo verließen die Jury, H.P. Baxxter, Moses Pelham und Sandra Nasic kamen hinzu – allesamt gute Griffe an der Seite der verlässlichen Sarah Connor, die in ihr drittes Jahr ging. Das Interesse war leider deutlich abgeflaut – keine der ausgestrahlten Folgen kam über die 2-Millionen-Grenze, das Finale fand vor 1,66 Millionen Fans statt. Die komplette zweite Hälfte der Staffel lief unter Senderschnitt. Es gewann die Band
Mrs. Greenbird, die mit ihrem ersten Album trotz dieser Quotenprobleme Goldstatus und Platz 1 erreichte und auch danach zumindest auf dem Radar blieb. Aberwitzig, dass somit die quotenschwächste Staffel mit einem Sieger-Act jenseits des Mainstreams den größten kommerziellen Erfolg brachte.
Große Erfolge für die Teilnehmer waren jedoch in der Summe eindeutig Mangelware – und das, obwohl man den Zuschauern ein absolut stimmiges Konzept, eine hochwertige Produktion, starke Juroren und vielfältige Talente präsentieren konnte. «X Factor» war die inhaltlich vielleicht interessanteste Casting-Show im deutschen Fernsehen– ein nachhaltiger Erfolg war ihr jedoch nicht vergönnt. VOX zog 2012 - leider - den Stecker.
This is definately not the Voice of Germany
Auf ein niederländisches und durchaus kreatives Format griffen 2011 ProSieben und Sat.1 zurück, als man mit «The Voice of Germany» an den Start ging. Das Ziel: Ein faires, spannendes Castingformat zu etablieren, das die stimmlichen Fähigkeiten der Kandidaten in den Fokus rückte und nicht mit rührseligen Einspielfilmchen zu den Schicksalen hinter den Menschen zu punkten versuchte. Ein Format, das Talent preisen würde, anstatt Talentfreiheit lächerlich zu machen. Anti-RTL sozusagen.
Für die markanten roten Drehsessel der Jury heuerte man in der ersten und zweiten Staffel durchweg Fachleute an: Nena, Xavier Naidoo, Rea Garvey (von Reamonn) sowie Alec Völkel und Sascha Vollmer (BossHoss) stellten die gewünschten Umgangsformen sicher und boten zudem starken Unterhaltungswert. In der dritten Staffel ersetzen Samu Haber (Sunrise Avenue) und Max Herre Naidoo und Garvey. Zur vierten Staffel nahm das Stühlerücken zu: Stefanie Kloß (Silbermond) ersetzte Nena, Samu Haber kam für Max Herre und Michi Beck und Smudo (Fanta4) sollten die beiden BossHossler vergessen machen. Zur fünften Staffel übernahm Andreas Bourani den Platz von Samu Haber, in der nächsten Staffel wird Haber jedoch erneut zurückkehren und seinerseits Garvey ersetzen – ein Ersatz für die ebenfalls scheidende Stefanie Kloß wurde bisher noch nicht bekanntgegeben. Interessant an all diesen Wechseln ist jedoch, dass der Tenor stets derselbe blieb: Fairness, Humor, Begeisterung. Das gilt im Übrigen auch für das Ablegerformat «The Voice Kids», das auch schon seit vier Staffeln mit viel Charme und wunderbar liebenswerten Coaches (Lena, Sasha und andere) punkten kann.
An der Moderatorenfront ist seit der zweiten Staffel der verlässliche Thore Schölermann dabei, nur beim Auftakt war Stefan Gödde an Bord. An der Seite der beiden Moderatoren wechselten zudem die Assistentinnen. Schölermann ist auch bei der Kindervariante an Bord. In Sachen Dramaturgie, Produktion und Talentdichte machte kaum jemand der Show etwas vor. Die Stimmen waren oft überragend, wurden weiter geformt und boten starke Performances. Die Auditions waren dabei immer stärker als die späteren Battles oder Liveshows – eine Parallele zu «DSDS».
Das größte Problem des Formats war jedoch durchgängig die kommerzielle Verwertbarkeit der Teilnehmer und insbesondere der Sieger.
Ivy Quainoo,
Nick Howard,
Andreas Kümmert,
Charley Ann Schmutzler und
Jamie-Lee Kriewitz – so die Abfolge der leider eher unbekannten Gewinner der bisherigen Staffeln. Quainoos erstes Album und Single waren noch dezent erfolgreich – danach passierte wenig. Howard kann abgesehen von einem 5. Platz für seine Siegersingle
Unbreakable ebenfalls kaum etwas vorweisen. Andreas Kümmert ist noch am ehesten von konstantem Erfolg begleitet – zumindest als Livemusiker. Leider reißt er sich diesen aber auch gerne selber wieder ein, zum Beispiel als er beim ESC-Vorentscheid gewann und danach direkt die Wahl ablehnte. Charley Ann Schmutzler hatte mit Album und Single veritablen Erfolg, danach konzentrierte sie sich jedoch mehr auf eine Schauspielkarriere. Und Jamie-Lee Kriewitz durfte sich zwar über ihren moderaten Hit
Ghost freuen, musste aber beim ESC just einen letzten Platz einstecken und steht vor einer ungewissen musikalischen Zukunft. Eindeutig: «The Voice of Germany» hat viele starke Stimmen gefunden – eine Stimme Deutschlands jedoch leider nicht. Abwarten, was der sechste Anlauf dieses Jahr bringt.
In Sachen Einschaltquoten wird man sich in jedem Fall langsam etwas einfallen müssen: Waren am Anfang noch 4,16 Millionen (1. Staffel) und 4,02 Millionen (2. Staffel) dabei, sackte man danach über 3,67 Millionen (3. Staffel), 3,52 Millionen (4. Staffel) auf zuletzt 3,27 Millionen (5. Staffel) ab. Der Trend ist nicht der Freund der Show. «The Voice Kids» übrigens sank von 3,67 Millionen (1. Staffel) über 2,82 Millionen (2. Staffel) auf 2,66 Millionen (3. Staffel) und landete zuletzt immerhin wieder bei 2,74 Millionen (4. Staffel).
Die Spitze des Eisbergs
Diese Zusammenstellung beleuchtet jedoch nur einen Ausriss dessen, was an der Castingfront – selbst nur auf den musikalischen Bereich konzentriert – in den vergangenen Jahren passiert ist. Ob «Star Search» (das immerhin einen
Bill Kaulitz hervorbrachte) oder das zuletzt krachend gescheiterten «Rising Star», die diversen Inkanationen von «Unser Lied für…» oder Stefan Raabs humorvolle aber absolut ernstzunehmende Persiflagen «SSDSGPS» (2005) oder «SSDSDSSWEMUGABRTLAD» (2007) – es ist seit jeher ein weites Feld mit großer Streuung zwischen
hit and miss. Achja – von den diversen Tanzformaten sowie der Model- oder Illusionistensuche und weiteren Auswüchsen sei an dieser Stelle gar nicht gesprochen.
Und selbst beim zweiten großen Bohlen- und RTL-Vehikel «Das Supertalent» schlägt das Pendel immer wieder in Richtung Gesang aus. Hier gewannen zwar in bisher neun Staffeln immerhin zwei Hundedressur-Nummern, ein (bis heute sehr erfolgreicher) Mundharmonika-Spieler (
Michael Hirthe) und ein Panflöten-Act – die restlichen fünf Sieger punkteten jedoch mit ihren Stimmen – großer kommerzieller Erfolg blieb jedoch durch die Bank weg auch hier aus.
Das wundert jedoch kaum – ist «Das Supertalent» doch von allen großen Casting-Formaten am ehesten das, was auf reinen, schnell vergänglichen Unterhaltungshype setzt. Das beginnt bei der oft überzogenen Inszenierung, der mit der Brechstange gecasteten Jury (Bohlen, Darnell, Gottschalk, Bause, Mabuse und andere), der eher comedylastigen Moderation (seit Staffel 2: Dauerwaffe Daniel Hartwich) und den vielen schicksalhaften Einspielern, die wenig Zweifel daran lassen, dass man es hier mit einem von A bis Z durchgestylten RTL-Produkt zu tun hat, das Fiction letztlich immer Fact vorzieht. Unterhaltsam durchaus, wirklich ernst zu nehmen selten. Dafür kann man dort zumindest in Sachen Quoten kaum meckern: Mit glatt 5,00 Millionen gestartet, schwang man sich zwischenzeitlich zwar sogar zu 7,93 Millionen im Schnitt auf (4. Staffel), danach sanken die Werte aber wieder. Stand heute befindet man sich jedoch mit zuletzt 4,49 Millionen (9. Staffel) auf einem gleichbleibenden Level.
Conclusio
Seit sechzehn Jahren wird in Deutschland die Musikszene hoch und runter gecastet. Quer durch verschiedene Sender, mit wechselnden Jurys, Moderatoren und Konzepten und Dauer-Dieter auf RTL fand man haufenweise Sternchen und potentielle Kandidaten für Ablegerformate wie Z-Promi-Veranstaltungen im australischen Regenwald oder am heimischen Herd.
Steckbrief
Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für
Rezensionen,
Interviews &
Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne
Sülters Sendepause und schrieb für
Die Experten und
Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen
Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch
Es lebe Star Trek gewann er 2019 den
Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei
SYFY sowie freier Mitarbeiter bei
Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins
TV-Klassiker und des
Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr
hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner
Autorenseite.
Nachhaltigen Erfolg hatten nur wenige (Medlock, Egli, Klaws, No Angels, Bro´Sis), das Gros entpuppte sich als Sternschnuppen am schnell vergänglichen Himmel genannt TV-Szene. Doch ist das Interesse dennoch ungebrochen – eine zähe und gar nicht so kleine Gruppe von Zuschauern konsumiert fröhlich weiter die verschiedenen Formate und garantiert, dass schulisch unmotivierte Teenager weiterhin ihre Anlaufstellen für schnellen Ruhm behalten dürfen und – ganz ohne Zynismus – die Sender uns auch weiterhin zeigen können, was es in Deutschland in der Tat für große Talente gibt. Dass es damit nicht zwingend für die große Karriere reicht, ist vielleicht auch zweitrangig. TV-Castings waren und bleiben reine Unterhaltung – und wenn der eine oder andere es zusätzlich als kleines Sprungbrett für ein wenig Medienpräsenz nutzen kann: Warum nicht? Auf die nächsten anderthalb Jahrzehnte.
Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Welche Shows schaut ihr und welche sind ein No-Go? Welche Stars sind euch im Gedächtnis geblieben? Welche Formate haben die besten Talente? Welche die stärksten Konzepte? Stehen Einschaltquote und Qualität in einer angemessenen Relation? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.
In 14 Tagen sehen wir uns zur nächsten Ausgabe von «Sülters Sendepause».
Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.
Für konkrete Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.