Popcorn und Rollenwechsel: Who you gonna watch? «Ghostbusters»!

Internetpromi James Rolfe wurde zum Mittelpunkt einer Kontroverse: Er weigert sich, den neuen «Ghostbusters»-Film zu gucken. Ja, geht denn sowas?!

Es ist ein bedauerliches Webphänomen, das Social-Media-Analysten und Medien- sowie Gender-Studies-Studenten wohl noch für Jahre beschäftigen wird: Das diesen Sommer anstehende «Ghostbusters»-Reboot weckt einen giftig-garstigen Hass, der selbst an Internet-Standards gemessen lachhaft ist. Obwohl: Eigentlich ist alles, was über Paul Feigs Komödie mit Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Kate McKinnon und Leslie Jones geschrieben wird, eher erschütternd. Klar, es gibt User, die die bisherigen Trailer etwa aufgrund des durch den Schnitt eher holprigen komödiantischen Timings kritisieren. Und das ist annehmbar. Doch die Mehrheit der Galle speienden «Ghostbusters»-Gegner reitet ununterbrochen darauf herum, dass die Hauptdarsteller allesamt weiblich sind. Weil … Äh … Das ist ja schlimm … Denn …

Gut, ich gebe es zu: Sonderlich informativ wird diese Kolumne nicht, denn ich kann partout nicht begreifen, was das Problem der laut zeternden, allesamt männlichen Hater ist. Ich weiß nur, dass ich mich gehörig für diese Geschlechtsgenossen schäme und mir nicht vorstellen kann, wie ich mich als eine der «Ghostbusters»-Darstellerinnen fühlen würde. Ich fände es jedenfalls angemessen, wenn sie fortan nur noch mit Eierschneidern in ihrem Handgepäck verreisen würden.

Und dann kam James Rolfe. Seit einigen Tagen hat sich dank ihm die Debatte um die «Ghostbusters»-Reaktionen intensiviert, womit wir nun eine Debatte über eine Reaktion auf die Debatte rund um die Reaktionen auf einen noch nicht veröffentlichten Film haben. Oder sowas in der Art. Bis es so weit ist, dass Christopher Nolan aus diesem Gezeter-im-Gezeter-im-Gezeter einen Oscar-tauglichen Kinostoff spinnt (Drehbuch: Aaron Sorkin?), knöpfe ich mir diese Sache einfach mal vor …



Ich, ganz persönlich, teile Rolfes Sentiment nicht. Der für seine Webshow-Kunstfigur 'Angry Video Game Nerd' berühmte Internetstar weigert sich, den neuen «Ghostbusters»-Film zu sehen, schwört gewissermaßen, ihn zu boykottieren. Als Filmnarr ticke ich nicht so. Hätte ich alle Zeit der Welt, würde ich irgendwann förmlich alles aus dem großen cineastischen Archiv gucken. Und da ich nicht alle Zeit der Welt habe, habe ich sozusagen eine „Prioritätenliste“. Natürlich gibt es Filme, auf die ich gar keine Lust habe, aber ich würde nie schwören, mich ihnen für immer und ewig zu verweigern. Denn schon oft genug habe ich Kleinode dort entdeckt, wo ich sie aufgrund der allgemeinen Rezeption oder meiner üblichen Vorlieben nicht erwartet habe. Und für die filmische Konversation braucht es dann und wann auch Wissen über Totalausfälle.

Jedoch tickt nicht jeder so wie ich, was auch absolut in Ordnung ist. James Rolfe hat jedes Recht der Welt, einen Film nicht sehen zu wollen. Als Privatperson darf er in seiner Freizeit liebend gern anderen Tätigkeiten nachgehen, und beruflich darf er den neuen «Ghostbusters»-Film aussitzen, weil er nicht etwa Filmkritiker ist, sondern ein auf Videospielen basierender Komödiant.

Was mich dennoch gegen sein Video aufbringt, ist seine Attitüde. Er setzt sich nicht hin und sagt: „Leute, ihr solltet nicht gebannt auf eine Review von mir warten, denn ich finde die Trailer ganz grausig, außerdem ärgert es mich, dass ich nicht meine alten Heldenfiguren in ihm sehen werde. Deshalb ist nicht damit zu rechnen, dass ich den Film in naher Zukunft schaue.“ Er setzt sich hin, spricht in absoluten Aussagen und begründet seine angeblich für immer und ewig geltende Entscheidung damit, dass er sich ja jahrelang einen ganz anderen Film ausgemalt hat.

Ganz davon abgesehen, dass sich Rolfe in den Hintern beißen wird, wenn «Ghostbusters» anläuft und möglicherweise alle Welt von ihm schwärmen wird, und er ihn dann in einem schwachen Moment sehr wohl schaut: Das Argument „Oh, ich hätte den Film aber so und so gemacht und zwar dann und dann“ ist ein sehr, sehr schwaches. Man kann einen bestehenden Film sehen und sagen: „Hier und da und dort lässt er nach, so und so und so wäre es vielleicht besser geworden.“ Aber: „MEINE Story und MEINE Darstellerwahl wäre SO UND SO, und weil dem nicht so ist, ist das alles ganz schlimm“? Das ist reines Wunschdenken, und zwar in arroganter Form. So, wie manche Serienfans plötzlich durchdrehen, weil ihr (in der Logik der Serie nur mühselig zu konstruierendes) Traumpärchen nicht zusammenfindet.

So albern ich Rolfes Begründung auch finden mag: Liebes Internet. Ein Typ hat beschlossen, in seiner Freizeit sein Geld für etwas anderes auszugeben als für «Ghostbusters», ohne dass er dabei in die frauenfeindliche Kerbe geschlagen hat. Das ist okay! Das ist absolut erlaubt. Hasst also nicht ihn, der seine Prioritäten anders setzt. Erzieht lieber die Frauen an den Herd wünschenden Hater um.

Ich wünsche euch/uns viel, viel Erfolg dabei!
23.05.2016 13:06 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/85741