Virtuelle Nachrichtenwelten: Auslaufmodell oder echte Chance?

n-tv hat bei seinem neuen Studio auf eine Mischung aus realem und virtuellem Set gesetzt. Während in den USA die Realität wieder in die Nachrichtenstudios einkehrt, müssen deutsche Sender oft Kosten und Nutzen abwägen. Das hemmt den Vormarsch echter News-Studios.

Am Ende ist es also ein hybrides Modell geworden. Eines, das quasi zwei Welten möglichst gut aufeinander abstimmt und paart. Was man bisher nur von Autos kennt, gibt’s seit einiger Zeit auch im Fernsehen. Das ZDF etwa hat sein reales Fußballstudio, das man in den Katakomben der Champions League-Stadien aufbaut um einen virtuellen Green-Screen im Hintergrund erweitert, um dort stimmungsvolle Bilder zu inszenieren. Beim neuen Nachrichtenstudio von n-tv verhält es sich quasi anders herum. Der zur RTL-Gruppe gehörende News-Sender ist seit Samstag in neuer Optik On Air und berichtet nun aus einem weiterhin virtuellen Nachrichtenstudio, das allerdings um einige echte Flatscreens angereichert wurde, die vor allem bei der künftig häufigeren Schalte zu Reportern nützlich sein sollen.

Wohin geht die Reise?


Dass man sich bei n-tv nicht losreißen konnte von einem virtuellen Studio, mag zunächst überraschen. In der Branche wird schließlich schon seit geraumer Zeit darüber nachgedacht, ob sich die virtuellen News-Sets nicht bald ablösen lassen von wieder echten Sets. RTL II war hier quasi einer der Vorreiter. Aus einer (nicht unbedingt schönen) Nachrichtenumgebung, die bis Ende 2015 im Einsatz war, ist ein echter Newsroom geworden (wir berichteten). N24, der direkte Wettbewerber von n-tv, setzt derweil seit Jahren schon auf ein echtes Set – hatte bisher aber ein in Teilen anderes Konzept. Hier gab es immer schon mehr Gäste im Studio und somit auch mehr (kleine) Talkrunden.

Das will, so zumindest liest sich eine n-tv-Mitteilung von vergangener Woche – nun auch der Kölner Nachrichtensender so übernehmen. Herzstück des neuen Studios ist ein neuer und größerer Tisch, an dem neben den zwei Moderatoren künftig auch zwei Gäste Platz haben. Aus Zuschauersicht rechts davon ist zudem der echte Bildschirm angebracht, über den quasi auch Reporter oder externe Gäste an Debatten rund um aktuelles Geschehen teilnehmen könnten. Dieser Bildschirm ist für n-tv auch wegen des Standorts umso wichtiger. N24 hat es allein wegen seiner Verortung in Berlin fraglos leichter, an Gäste aus dem politischen Berlin zu kommen als n-tv, das aus Köln sendet. Die Farbgebung des Senders wurde derweil noch einmal etwas angepasst. Der vordere Teil des Tisches besteht aus edlem Holz, das das Studio etwas wohlfühliger macht als bisher.

Im Hintergrund sind quasi schwebende grau/silberne Lamellen angebracht, die immer auch einen Blick auf die Redaktion zulassen. Je nach Nachrichtenlage dominieren im Hintergrund aber auch große, virtuelle Bilder. Dass es gut aussieht, wenn solche Fotos sich über die komplette Bildbreite erstrecken, bewies schon die Redaktion von ARD Aktuell mit ihrem (nach Verzögerungen) fertig gestellten neuen «Tagesschau»-Studio. Davon ließ sich recht schnell die ProSiebenSat.1-Gruppe inspirieren, die ihre Hauptnachrichten für Sat.1, ProSieben und kabel eins nachwievor von N24 fertigen lässt.

Zumindest die virtuellen Sets von Sat.1 und kabel eins wurden optisch nachgebessert, fallen nun mit großen Flächen zur Bebilderung im Hintergrund auf. ProSiebens «Newstime», dessen Relaunch noch nicht allzu lange her ist, hatte eine solche Bild-Einbindung ohnehin schon berücksichtigt. So lässt sich also feststellen, dass der Trend hingeht zu Eyecatchern im Hintergrund, nicht aber generell zu realen Sets.

In den USA scheint man Deutschland in diesem Punkt etwas voraus zu sein. Die großen Networks bewegen sich zumeist in realen Sets, die allerdings dominiert werden von großen Bildschirmen. Mitunter laufen die News-Hosts sogar durch ihre Redaktionen. Dort derzeit im Trend: Große Monitor-Walls direkt hinter den Moderatoren, die quasi einen Blick auf belebte Plätze freigeben. Während ein solcher Aufbau den ProSiebenSat.1-Sendern, die Nachrichtenkompetenz eher kleiner schreiben, klar zu teuer sein dürfte und daher die Möglichkeit des Virtuellen gerade recht kommt, stellt sich schon die Frage, ob n-tv mit seiner Green Screen-Lösung mittelfristig nicht ins Hintertreffen gerät. Zumal man schon jetzt den Anschein hat, alle Coins in die Mitte gelegt zu haben. Kann das Studio noch mehr als an den ersten drei Tagen zu sehen war? Gibt es noch versteckte Gimmicks?

Einordnung, bitte!


Inhaltlich ist der Schritt, mehr Erklärstücke und Schalten zu Reportern und Gästen in die Nachrichtensendungen zu integrieren nicht nur begrüßenswert, sondern auch logisch. In Zeiten, in denen das «heute-journal» des ZDF als die beliebteste und vielleicht beste Nachrichtensendung des Landes gilt, kann es auch an Sendern wie n-tv nicht vorbei gehen, über die klassische Nachricht hin in Talks und Aufsagern Hintergründe zu vermitteln. Dafür geht der Schritt in die richtige Richtung.

Bei Nachrichtenstudios bevorzuge ich...
...virtuelle Sets
12,8%
...reale Sets
68,6%
...nichts. Mir ist es schlicht egal.
18,6%
23.05.2016 11:25 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/85750