Mit «Homeland», «The Affair» und «Billions» zeigt der Sender mittlerweile drei der besten Drama-Serien aktuell. Über die neue Marketing-Strategie des Senders und den großen Dämon «Twin Peaks».
Alle aktuellen Showtime-Dramen
- «Shameless» (seit 2011)
- «Homeland» (seit 2011)
- «Ray Donovan» (seit 2013)
- «Masters of Sex» (seit 2013)
- «Penny Dreadful» (seit 2014)
- «The Affair» (seit 2014)
- «Billions» (seit 2016)
„Du musst dir deine Zuschauer Monat für Monat neu verdienen“, sagte Showtime-Boss David Nevis vor ein paar Monaten auf einer Presseveranstaltung. „Es gibt mittlerweile den Druck, regelmäßig abzuliefern.“ Man könnte es auch übersetzen mit: Die Konkurrenz zwischen den großen Entertainemnt-Anbietern ist so groß wie nie, und sie wird weiter wachsen. Neben Showtime, HBO und Co. – den klassischen amerikanischen Pay-TV-Anbietern also – sind in den letzten Jahren die Internet-Streamer wie Netflix, Amazon und Hulu dazugekommen. Alle kämpfen sie um das Geld und die Treue potenzieller Kunden. Wie man diese gewinnt angesichts einer solchen Marktlage, ist ebenfalls klar: Preise und Verfügbarkeit sind wichtig, noch wichtiger aber sind die exklusiven Inhalte. Je besser und größer dieses eigene Portfolio an eigenen Serien, Dokus, Filmen, vielleicht auch Shows ist, desto eher bleiben Kunden dem Angebot treu.
Showtime beobachtet die Marktlage schon lange, das eigene Angebot ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Ganz im Gegenteil beispielsweise zu HBO, das seine Anstrengungen im Bereich Drama zurückgefahren hat und vor Problemen steht. Sieben Drama-Serien produziert Showtime, mehr als jeder andere Pay-TV-Anbieter in den USA. Und es sollen noch mehr werden, selbstverständlich. David Nevins ändert dafür sogar die langjährig bewährte Marketing-Strategie, die sogenannte „Arche-Noah-Formel“ ist passé: Bisher startete man seine Neustarts einmal im Quartal gebündelt, meist in derselben Woche. Das hatte den Vorteil, eine Art Event-Marketing zu veranstalten und die Aufmerksamkeit auf gleich zwei neue Formate – und auf die Marke Showtime selbst – zu lenken. Oft profitierte der eine Neustart durch eine Art Cross-Promotion vom anderen.
Von diesem Modell wird Showtime sich nun lösen. Das eigene Angebot, vor allem an Serien, hat eine kritische Masse erreicht, mit der man öfter als einmal im Quartal auf Zuschauerfang gehen kann. Neustarts und neue Staffeln sollen dann monatlich anlaufen, verteilt über das gesamte Jahr. Es ist der nächste logische Schritt in diesem Markt. Ein weiterer ist die Flexibilisierung des Angebots: Immer mehr Menschen kündigen in den USA ihr Kabelfernsehen, weil ihnen On-Demand-Angebote über das Internet genügen. In der Branche nennt man sie deswegen „cord cutters“. Sie wollen kein lineares Fernsehen mehr, sondern ihre Lieblingsprogramme auf Knopfdruck.
"2016 wird das Jahr der Auswahl werden"
Für David Nevins erscheint die Situation nicht ganz so schlimm, die „cord cutters“ bezeichnet er deswegen auch lieber als „cord cobblers“. „2016 wird das Jahr der Auswahl werden – die Menschen stellen sich ihre Angebote bestmöglich für sich selbst zusammen. In den meisten Fällen heißt das, dass sie traditionelle Anbieter mit ein paar Add-Ons kombinieren.“ Beispielsweise Netflix. Ob Nevins‘ optimistische Prognose eintrifft, wird sich noch zeigen. In jedem Fall hat er vorgesorgt für den Kunden, der die traditionellen Verbreitungswege trotzdem nicht mehr braucht: 2015 hat man einen Streaming-Service gestartet, mit dem man das Showtime-Programm ohne Kabel-Abo empfangen kann.
Auch hier geht man einen Schritt weiter als der Konkurrent HBO, der ein ähnliches Angebot auf den Markt brachte: Dort aber gibt es, anders als bei Showtime, keinen Livestream des Fernsehprogramms, außerdem ist man immer noch nicht auf Plattformen wie PlayStation oder Hulu präsent. Einer der großen Vorteile bei der Distribution, auch international: Showtime gehört CBS, das ohnehin gute Netzwerke mit anderen Anbietern besitzt und seine Serien in größeren Rechtepaketen anbieten kann. Die Verfügbarkeit wird dadurch besser.
Dies wirkt sich auch auf die Bekanntheit der Serien aus – ein nicht zu unterschätzender Faktor im heutigen Markt, der auch stark von der Diskussion über Formate online oder im Bekanntenkreis geprägt ist. Stichwort „watercooler“-Effekt. Mittlerweile sind Showtime-Programme wie «Homeland» oder «Shameless» ähnlich bekannt wie viele von HBO. Zuletzt machte «Billions» von sich reden, eine geniale Story über zwei verfeindete Alphatiere in den Nachwehen der Finanzkrise. Ein echter Geheimtipp ist währenddessen «The Affair» geworden, das sensationelle Kritiken bekam. «Homeland» hat sein hohes Niveau auch nach der einschneidenden dritten Staffel gehalten und sich quasi neu erfunden. Ein Spagat, den nur die wenigsten Serien meistern. Und dann wären da noch: «Ray Donovan», «Masters of Sex», «Penny Dreadful», «Shameless». Alle Serien haben große Qualität, keine fällt bei Kritikern ab. Selbst wenn die Quoten nach mehreren Staffeln wie bei «Masters of Sex» sinken, werden neue Folgen bestellt. Der letzte Flop im Drama-Bereich ist daher sechs Jahre her - es war «Look».
Man plant intensiv für die Zeit nach «Masters of Sex», «Ray Donovan» oder «Shameless», und das mit absoluten Hochkarätern: Ben Stiller, Leonardo DiCaprio und Jim Carrey entwickeln derzeit Serien für den Sender. Und dann wäre da noch «Twin Peaks». Nach den prägenden ersten beiden Staffeln Anfang der 90er führt man die Serie nach 25 Jahren fort. Von 18 und mehr Episoden ist die Rede, viele aus dem alten Cast sind wieder dabei. Es wird viel geschrieben werden über die Rückkehr, und es lässt sich schwer abschätzen, wie groß der Hype um die Kultserie ausfallen wird. In jedem Fall aber fühlt es sich an wie ein Kreis, der sich schließt: Mit «Twin Peaks» begann das Zeitalter neuer Qualitätsserien, oder anders gesagt: Es war ein wichtiger Grundstein für das sogenannte „golden age of television“ in Sachen Storytelling, Genremix, Charakterisierung, Regie. Dass David Lynch und seine Crew bei Showtime aufschlagen und nicht woanders, kommt wenig überraschend. Es zeigt, welches Standing die Marke nicht nur beim Publikum hat, sondern auch in der Branche. «Twin Peaks» Staffel drei hat das Zeug dazu, Showtime nach oben zu hieven. Aber das Risiko ist gleichzeitig hoch: Wir alle erwarten eine legendäre Rückkehr, wir erwarten vielleicht zu viel. Eine qualitative Enttäuschung würde dem Sender stark schaden. 2017 werden die Karten also neu gemischt: Der Titel als wichtigster, als bester Serienanbieter – er ist zumindest möglich.