Ein Hauch von «Schlag den Raab» wehte in der Luft, aber eben nur ein Hauch: Beim «ProSieben Länderspiel» wechselten sich Hochs und Tiefs so oft ab, dass eine lange Show entstand, die nur gelegentlich ihrem Potential gerecht wurde.
Die Promis im Team Deutschland / Team ProSieben
- Europameisterin Melanie Leupolz
- Ex-Kicker Thomas Helmer
- Ex-Kicker Mario Basler
- «Germany’s Next Topmodel»-Juror Thomas Hayo
- Comedian Matze Knop
Es war ein ungewöhnlicher Samstagabend in der deutschen Showgeschichte, den vor allem Endemol Shine so schnell nicht vergessen wird. Bei RTL II gaben sich Dokusoap-Star Daniela Katzenberger und Sänger Lucas Cordalis das Ja-Wort. Bei RTL wurden Promis hypnotisiert. Und bei ProSieben ging eine Spielshow an den Start, in der sich Prominente in teils anstrengenden, teils kurios abgewandelten Sportspielen messen mussten. Und all diese Shows stammten aus dem Hause Endemol Shine. Wie geglückt diese Planung aus Quotensicht war, sollte an anderer Stelle diskutiert werden. Eine ganz andere Frage ist: Wie oft sollten sich die am Samstagabend präsentierten Sendungen wiederholen?
Klar: Cordalis und Katzenberger werden so schnell wahrscheinlich nicht mehr heiraten. Und «Schau mir in die Augen – Promis unter Hypnose» empfiehlt sich aufgrund eklatanter Mängel wahrlich nicht für eine zweite Ausgabe (
siehe unsere Kritik zur Show). Das «ProSieben Länderspiel» derweil ist schon ein vergleichsweise kniffliger Fall …
Das Tempo: Als wäre das Gras zu hoch
Es ist eine Grundidee, die auch Stefan Raabs Gehirnwindungen hätte entspringen können: Das «ProSieben Länderspiel» will auf die nahende Europameisterschaft einstimmen, indem Promis in diversen Sportarten gegeneinander antreten – die aber allesamt auf Fußball getrimmt werden. Soll heißen: Tennis, gespielt mit den Füßen. Volleyball, gespielt mit den Füßen. Bowling, mit Fußbällen, die gegen die Pins getreten werden. Fußball, auf einem Rad sitzend. Und so weiter. So hätte auch ein «Schlag den Raab»-Spezial aussehen können, nur dass da sicher auch noch Wissensspiele auf dem Plan gestanden hätten.
Da die von Frank Buschmann kommentierte, von Sky-Gesicht Esther Sedlaczek und «The Voice of Germany»-Mann Thore Schölermann moderierte Show zudem den «Schlag den Raab»-Punktemodus kopiert (Spiel eins gibt einen Punkt, Spiel zwei bringt zwei Punkte, und so weiter, wer zuerst über die Hälfte der möglichen Punkte holt, gewinnt), sind durchaus die Möglichkeiten für eine spannende Spielshow gegeben. Aber wie ProSieben in den vergangenen Monaten lernen musste: Nicht nur der in den Ruhestand getretene Stefan Raab ist ein schwerer Verlust für den Münchener Privatsender, sondern auch der zum ZDF abgewanderte Steven Gätjen. Gätjen war unter den «Schlag den Raab»-Fans als Opdenhövel-Nachfolger zwar nicht unumstritten, er hatte seine lauten Befürworter und seine lauten Kritiker, letzten Endes zeigte er sich aber stets als fähiger Livemoderator, der mit schwierigen Egos und stillen Gemütern gleichermaßen umzugehen wusste. Und zumeist wusste Gätjen, grazil zwischen dem strengen Einfordern der Regeleinhaltung und dem Entertainment förderlichem Scherzen zu tänzeln. Bei der «ProSieben Länderspiel»-Premiere hat Schölermann Probleme, da mitzuhalten – und auch Eltons erste «Schlag den Star»-Moderation war vor wenigen Monaten ausgewogener: Schölermanns Erklärungen der Regeln fällt spröde aus, die ruhigeren Teilnehmer kitzelt er nicht wach, während er sich mit den hitzigeren Teilnehmern rasch in die Wolle kriegt. Sedlaczek wiederum fällt überhaupt nicht auf.
Dadurch, dass das Moderatorendoppel die Promis nicht im Griff hat, und somit im Verlauf des Abends die Ruhigen immer mehr in den Hintergrund geraten, die Anspannungen wiederum immer größer werden, zieht sich die Show. Und das nicht im epochalen «Schlag den Raab»-Sinne, in dem sich Spielverläufe immer wieder drehen und Regeldebatten zu urkomischen, verbalen Schlagabtauschen mutieren. Sondern in dem Sinne, dass zwischen den einzelnen Spielen Stillstand aufkommt: Die Promis, Moderatoren und Schiedsrichter diskutieren, mitunter mit abgeschaltetem oder zumindest sehr leise gedrehtem Mikro. Oder es wird bei voller Lautstärke drei Mal erklärt, wie Billard geht – ohne Steven-Gätjen-hat-es-langsam-satt-und-provoziert-Raab-daher-Humorfaktor. Daher fühlt sich ein «ProSieben Länderspiel» trotz kürzerer Sendezeit und ausgeglichenem Spielverlauf drei Mal länger an als es selbst die längsten «Schlag den Raab»-Ausgaben taten.
Zweikampf ist eben doch der schönste Kampf
Die Promis im Team Weltauswahl
- Weltmeister Paulo Sergio
- „Kugelblitz“ Ailton
- Filiz Koc, Model und ehemalige türkische Nationalspielerin
- Sänger Pietro Lombardi
- YouTube-Ikone KrappiWhatelse
Was «Schlag den Raab», «Schlag den Star» und auch «Teamwork» etwa dem ProSieben-Völkerballdesaster voraus haben: Die Abwechslung in der Spieleauswahl. Und den Duellcharakter. Ersteres hat das «ProSieben Länderspiel» ebenfalls zu bieten, der zweite Aspekt kommt hingegen nur gelegentlich zur Geltung. Die spannendsten Spiele sind nämlich die, in denen zwei Promis direkt gegeneinander antreten. Das Paradebeispiel: Matze Knop gegen Pietro Lombardi im Fußball-Tennis. Dadurch, dass das gesamte Spiel gegenüber nur zwei Promis zu Wort kommen, und so ihre eigene sowie die gegnerische Leistung kommentieren können, entwickelt sich selbst für Zuschauer, die keinen der beiden Promis vorziehen, eine spannende Dynamik. Lombardi outet sich als völliger Tennis-Ignorant, der die Regeln nicht kennt und nicht sofort versteht – und beweist sich als Tennis-Fußballnaturtalent. Das gibt der Runde Pepp, insbesondere, da Lombardi ein sehr dankbarer Kandidat ist: Über seine eigene Leistung staunend, intensiv mitfiebernd und dennoch nicht überheblich, sondern sportlich und dem Kontrahenten Komplimente gebend, wenn er sie verdient. Wenn Lombardi dann noch nach dem Spiel über eine Zeitlupenwiederholung staunt, die ihn bei einem Fallrückzieher zeigt, den er im Eifer des Gefechts nicht mitbekommen hat, wünscht man ihn sich glatt für weitere solcher Sendungen in den Kandidatenkader.
Teamspiele, in denen mehrere Mitglieder der beiden Mannschaften abwechselnd antreten, erweisen sich indes als zäh. Billard wird mangels dem Zuschauer offengelegter Kommunikation und angestrengter Blickwechsel zwischen den Teammitgliedern trotz der launigen Grundidee zur Geduldsprobe, auch Fußball-Volleyball gerät nicht so unterhaltsam, wie es angesichts des halsbrecherischen Spiels sollte. Nur Basketball weiß, obwohl alle zehn Promis mitkicken, Spannung zu entwickeln – aber auch nur, weil jeder Treffer den Gesamtsieg bringen könnte. Der (Anti-)Held des Abends ist daher der ambitionierte, launische Mario Basler, der das gegnerische Team immer wieder neckt, sogar gegen die eigenen Leute wettert, wenn sie in seinen Augen versagen – und der sich mit Frank Buschmann einen wahren Kleinkrieg leistet. Nachdem Buschmann zwei, drei schlechte Kicks Baslers in seiner typisch-launigen Art kommentierte, war Baslers Beschwerde nicht fern – aber ein Buschmann lässt sich bekanntlich nicht das Wort verbieten, so dass sie sich gegenseitig hochschaukeln.
Wenn Baslers augenzwinkernden Egospielereien dann gelegentlich doch in Zorn übergehen und er sich mit Schiedsrichtern anlegt oder dicke Luft zwischen ihm und den Moderatoren entsteht, dann wünscht man sich aber einen Gätjen oder Opdenhövel her, der das Ganze in die komödiantische Schiene zurückdrängt. Sowie eine Tonregie, die es besser hinkriegt, die einzelnen Mikros abzumischen – denn das «ProSieben Länderspiel» mündet gelegentlich dann doch in reines Kauderwelsch.
Fazit
Das Potential für große Samstagabendunterhaltung ist da, doch durch die Mannschaftsdynamik ziehen sich einige Spiele zu sehr in die Länge, ohne den spaßigen «Schlag den Raab»-Charakter zu gewinnen, und technisch besteht auch Luft nach oben. Da obendrein die Moderation zwischenzeitlich eher den Spaß ausbremst, statt ihn anzufeuern, lautet das Urteil: Wenn es ein zweites «ProSieben Länderspiel» gibt, dann bitte mit einigen Änderungen (etwa mit kleineren Teams, kürzer angelegten Runden, launigerer Moderation). Ansonsten warten wir alle einfach auf «Schlag den Star: Basler vs. Buschmann».