Die gefeierten Comicgeschichten rund um Charlie Brown wurden zum Leben erweckt – zu einem erschreckend lieblosen Leben. Und das, obwohl das Skript 1:1 aus den Comics gerissen wurde.
Ende 2015 startete mit «Die Peanuts – Der Film» eine charmante Kinoproduktion, die Charles M. Schulz‘ unvergesslichen Kreationen mittels Computeranimation zum Leben erweckt hat – und dabei, der modernen Technologie zum Trotz, den warmen, krakeligen Stil der Vorlage traf. Gewiss, Puristen durften sich wundern, weshalb die Blue Sky Studios neue Programme entwickelten und umständlicherweise mit bewusst limitierten, digitalen Modellen der «Peanuts»-Figuren arbeiteten, um mit dem Computer einen simplen Zeichentricklook zu imitieren. Wäre es nicht einfacher gewesen, schlicht mit Stift und Papier zu arbeiten? Doch der Gedanke hinter dem Film und der besondere Funke in der gebotenen Animation ist warm genug, um diese Frage zur Fußnote zu degradieren.
Dass der 99 Millionen Dollar teure Film eine bessere Repräsentation von Charlie Brown und seinen Freunden darstellt, als eine vorlagengetreue Adaption in 2D-Optik, lässt sich nun bei Amazon Video überprüfen. Denn dort steht, momentan exklusiv in Deutschland, die erste Staffel der 2014 gestarteten Serie «Peanuts» zum Abruf bereit. Anders als der Kinofilm, der weltweit 246,2 Millionen Dollar generierte und somit bestenfalls einen kleinen Achtungserfolg darstellt, versucht diese Gemeinschaftsproduktion von Peanuts Worldwide, Normaal Animation und France Télévisions gar nicht, die Ästhetik der «Peanuts»-Comics und -Trickspecials ins Heute zu übertragen. Stattdessen versteht sich die 500 Kurzfilme umfassende Adaption der Schulz-Comics als absolut vorlagengetreue Adaption völlig ohne Modernisierung.
Zumindest in der Theorie. Denn auch wenn die Standbilder den Eindruck erwecken, als hätten die Verantwortlichen 1:1 Schulz‘ Comicbilder genommen und ihnen das Laufen beigebracht, handelt es sich bei «Peanuts» um ein Paradebeispiel für die übereilte Verwendung filmtechnologischer Werkzeuge. Denn das Format wurde mit standardisierter, vektorbasierter Animation verwirklicht – unter anderem mit dem nicht für diesen Comiclook gedachten Programm After Effects. Kurzum: Anders als etwa beim «Peanuts»-Kinofilm von Blue Sky Studios, bei dem die Animatoren noch immer für jeden einzelnen Frame verantwortlich waren, ist hier viel automatisiert – und das auf einem so rudimentärem Niveau, dass es spürbar wird und lieblos wirkt. Da ist es dann auch nahezu vollkommen egal, dass in dieser Serie die Schulz-Comics ohne inhaltliche Veränderungen verfilmt werden, und zudem die Hintergründe einen angenehmen Wasserfarben-Look imitieren.
Wenn Snoopy auf seiner Hundehütte mit seinen typischen, großen Gesten Ideen ausheckt oder Woodstock mit seinen kleinen Tippelschritten durch die Luft wandert, geht trotz der im Standbild gegebenen, großen Nähe zu Schulz‘ Zeichnungen die Lebendigkeit verloren. Die alten Charlie-Brown-Fernsehspecials, die in den USA praktisch zum Kulturgut erhoben wurden, waren in ihrer Umsetzung zwar sehr simpel und die niedrigen Budgets sind ihnen klar anzusehen. Aber die charakteristischen Figuren erhielten ein ausdrucksstarkes, sympathisches, schlichtes Leben. Hier hingegen fallen die Bewegungen ungeheuerlich steril und steif aus – und dabei sind Snoopy und Woodstock noch die Figuren, die es in der Serie besser getroffen haben.
Wenn die zahlreichen Kinderfiguren ihre kugeligen Köpfe zu sehen sind, zeigt sich, dass am falschen Ende gespart wurde. Obwohl die Figuren auf schlichten, bewusst makelbehafteten Modellen basieren, bewegen sich ihre kugeligen Köpfe, allen Inperfektionen imitierenden Filtereffekten zum Trotz, perfekt von A nach B. Sie bleiben starr. Und diese Diskrepanz „es sieht handgezeichnet und hingekritzelt aus, aber die Bewegung ist berechenbar, da perfekt“ mag zunächst nur Animationsliebhaber auffallen, weil sie sofort auf diese Details achten. Aber man muss als Zuschauer kein Experte sein, damit es immense Auswirkungen auf einen hat. Es wirkt billig. Anstrengend. Es bewegt sich kaum und es bewegt gar nicht. Es ist leblos.
Wen soll das für sich erwärmen? Wer Schulz‘ Comics leblos erleben möchte, kann die Comics lesen. Als Druckerzeugnis sind diese still, es nervt keine ausdrucksarme Musik, die versucht, die Einfachheit der alten Specials zu imitieren. Und es lenken keine starren Animationen von den liebenswerten Zeichnungen ab. Und wer Charlie Brown und Konsorten in Bewegung erleben will, der ist deutlich besser mit den zahlreichen Specials und Filmen bedient, die verstanden haben: Eine Adaption muss die Vorlage in ein neues Medium
übertragen. Statt sie ins neue Medium rein zu klatschen.
Fazit: Die «Peanuts»-Serie hat eine denkbar kleine Zielgruppe. Schulz-Fans, die die Comics nicht zur Hand haben und generell zu faul zum Lesen sind – und sich nicht durch die sterile Animation vom Inhalt ablenken lassen. Wer Snoopy, Charlie Brown und Co. liebevoll zum Leben erweckt sehen will, greift derweil zu anderen Adaptionen. Und wer die Comics erneut 1:1 erleben möchte, nun, der greift halt zu den Comics.
«Peanuts» steht bei Amazon Video zum Abruf bereit.