Ein intensiver, einnehmender Film über Polizeibrutalität, Korpsgeist und ausufernde Gruppendynamiken. Unsere Kritik:
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Ronald Zehrfeld als Kevin
Misel Maticevic als Mendes
Mohammed Issa als Nasim
Tilman Strauß als Thorsten
Oliver Konietzny als Ioannis
Frederick Lau als Jacek
Hendrik Duryn als Brandes
Hinter der Kamera:
Produktion: Arte, Walker+Worm Film und ZDF - Das Kleine Fernsehspiel
Drehbuch und Regie: Philipp Leinemann
Kamera: Christian Stangassinger
Produzenten: Tobias Walker und Philipp WormDas Sondereinsatzkommando hat schon einiges mitgemacht. Gestählt von jahrelanger Erfahrung, einer Kumpanei, deren zur sinnstiftenden Ideologie erhobener Zusammenhalt schon lange zum Korpsgeist degeneriert ist, der in regelmäßigen Saufgelagen samt misogyner Ausfälle rituell erneuert und gefestigt wird, und der tiefen inneren (und manchmal falschen) Überzeugung, das Richtige zu tun, stürmen sie die Bude eines bewaffneten und gemeingefährlichen Drogendealers. Die Sache eskaliert wie noch nie zuvor: Noch bevor der Rammbock die Tür niedergemacht hat, schießen die Dealer aus der Wohnung und verletzen einen der Polizisten schwer. Als einer der Typen abhauen will, schießt ein anderer Polizist ihm quer über den Innenhof nach. Ein paar weitere Kollegen beginnen zügig nach der Sicherung Schubladen und Schränke zu durchwühlen, und wirken dabei irgendwie nicht so, als wollten sie das, was sie da finden könnten, in der Asservatenkammer registrieren lassen.
Kurz: Es ist was faul im Polizeistaate. Als wenig später zwei Kollegen regelrecht exekutiert werden, geraten die kriminellen Strukturen der Einheit noch weiter aus den Fugen. Bald meinen sie, den Täter erwischt zu haben und richten ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion übel zu. Als der jedoch entkommt und damit die Gefahr besteht, dass er auspackt, beginnt der Korpsgeist zu bröckeln.
Parallel zu diesem Stoff über Polizeibrutalität erzählt Autor und Regisseur Philipp Leinemann die Geschichte zweier rivalsierender Jugendcliquen – der einen um Thorsten (Tilman Strauss) und der anderen um Jacek (Frederick Lau), die in dem Problembezirk hausen, in dem das degenerierte Sondereinsatzkommando für das sorgt, was es für Recht und Ordnung hält. Zwischen die Fronten der beiden gerät ein 13-jähriger türkischer Junge, der in Thorsten ein Vorbild sieht und von der Gruppe Anerkennung wünscht.
«Wir waren Könige» ist – nicht nur bedingt durch sein Sujet – ein rauer Film. Einer, der das misogyn-machohafte Getue des Sondereinsatzkommandos mit klarem Blick zeigt und den ethisch-psychologisch degenerierten Zustand seiner Mitglieder immer klarer herausstellt, ohne diese Abgründe zu verklären oder sie als den unausweichlichen Ausfluss diffuser elender Zustände apologetisch zu begründen. Stattdessen versucht dieser Film zu erklären, die tiefer liegenden Strukturen und Prozesse zu offenbaren, wie es so weit kommen kann.
«Wir waren Könige» lehnt jene Polizistenfiguren, die über die Stränge schlagen, ab, aber verteufelt sie nicht. Aus dramaturgischen Gründen, um sie nicht auf den ersten Blick als die abzulehnenden Rechtsbrecher und (im extremsten Fall) Mörder erkennbar zu machen, die sie sind. Der Zuschauer wird verführt (nicht ganz unähnlich wie in der amerikanischen Über-Serie «Breaking Bad»), das kriminelle Verhalten der Täter zu exkulpieren, bis er das nicht mehr schafft – und darf anschließend hinterfragen, an welcher Stelle die (ethische) Schuld der Charaktere beginnt. Doch statt das – wie es in Deutschland üblicher wäre – als suggestives Lehrstück über abgewirtschaftete Zustände zu erzählen, bleibt Leinemann dichter an seinen Figuren und verweigert klare Trennlinien zwischen den Guten und den Bösen. Das sorgt für eine umso intensivere Wirkung – und macht aus dem Stoff einen sehr gelungenen Film.
Das ZDF zeigt den im Rahmen des „Kleinen Fernsehspiels“ entstandenen Kinofilm «Wir waren Könige» (Kinostart: 27. November 2014) am Freitag, den 17. Juni um 23.30 Uhr.