Fußballzeit = Nicht-ins-Kino-geh-Zeit. Oder ist das etwa eine alte, dumme Mär? Die Besucherzahlen vom Wochenende lassen Hoffnungen aufkommen ...
Große Teile der deutschen Bevölkerung mögen es feiern, wenn alle zwei Jahre wieder ein internationales Turnier im Herren-Fußball stattfindet. Doch die Kinobetreiber haben guten Grund, die EM- und WM-Wochen zu fürchten. Wenn der Ball rollt, rollt bei ihnen nämlich nicht weiter der Rubel – um rund 50 Prozent gibt das Geschäft nach. Die Lichtspielhäuser trifft dabei aber keine Schuld – die können ja nur spielen, was ihnen angeboten wird. Es sind die Verleiher, die für eine selbsterfüllende Prophezeiung sorgen: Sie weichen König Fußball wimmernd aus und entlassen nur kleinere Filme in die Kinos. Und diese dann direkt in einer derartigen Menge, dass berufstätige Filmfreunde derzeit hart an ihren Terminplänen arbeiten müssen, wenn sie Kleinode wie «Demolition» und «Everybody Wants Some!!» erwischen wollen.
Das vergangene Wochenende bewies, dass das Märchen vom Deutschen, der während eines Fußballturniers Kinos meidet wie sonst der Teufel das Weihwasser, genau das ist: Ein Märchen. Denn mit der namhaft besetzten, launigen Komödie «Central Intelligence» und der pompösen Horrorfortsetzung «Conjuring 2» (Szenenbilder oben und rechts) liefen sogleich zwei massentaugliche Kinofilme an. Und, tada: Beide Produktionen legten einen beachtlichen Start hin, mit zusammengenommen über 400.000 verkauften Eintrittskarten!
Manche Branchenmitglieder werden das gewiss als Überraschung titulieren, es groß feiern, dass die hiesige Bevölkerung offenbar doch dazu mobilisiert werden kann, ins Kino zu gehen. Ich möchte darauf prophylaktisch antworten. Mit einem: No shit, Sherlock! Natürlich lässt sich die große Masse auch während der EM (und genauso während der WM) zum Kinogang verführen. Alles, was es dazu braucht, ist das richtige Lockmittel.
Wie sah es denn bitte vor zwei Jahren aus? Damals sind zeitgleich mit dem Start der Weltmeisterschaft das humorvolle Drama «Das Schicksal ist ein mieser Verräter» (Szenenbild links) und das Feen-Abenteuer «Tinkerbell und die Piratenfee» angelaufen. Die für Tränenbäche sorgende Romanadaption über krebskranke Teenager kam alles in allem auf tolle 1.194.806 Besucher, was den Stoff in den Top 25 des Jahres platzierte – und damit überbot sie unter anderem den Superheldenhit «X-Men - Zukunft ist Vergangenheit» und David Finchers begnadeten Thriller «Gone Girl – Das perfekte Opfer». Auch die Zahlen der Piratenfee sind beeindruckend: Mit 815.804 gelösten Eintrittskarten übertraf der Film beinahe den gefeierten Superhelden-Actionthriller «The Return of the First Avenger» und stellt den hierzulande gefragtesten Teil der «Tinkerbell»-Reihe dar – und dabei ist er meiner bescheidenen Meinung nach der schlechteste Film über die blonde Fee, der in der Bundesrepublik den Weg in die Kinos geschafft hat.
Zwei Jahre zuvor schwang «The Amazing Spider-Man» während der letzten Atemzüge der Euro 2012 in die Kinos und wurde mit insgesamt mehr als 1,5 Millionen Kinogängern ebenfalls ein Erfolg, zwei Jahre davor sah «Für immer Shrek» trotz WM mit über 2,4 Millionen Besuchern wahrlich nicht alt aus. Es geht also, liebe Verleiher. Etwas mehr Mut ist zweifelsohne angebracht! Diesen Donnerstag läuft ja «Ein ganzes halbes Jahr» an, und ich garantiere: Auch das wird ein Erfolg.
2018 möchte ich also nicht schon wieder das Rumgeheule hören: „Ach, wir stellen uns lieber tot, es geht ja eh niemand ins Kino, wenn WM ist.“ «Toy Story 4», das «Jurassic World»-Sequel und der dritte «Drachenzähmen leicht gemacht»-Teil werden sich schon zu behaupten wissen!