Europa blickt der EM wegen nach Frankreich – und Quotenmeter.de auf das französische Fernsehen. Im dritten Teil: Was tun mit dem Front National beim Polit-Talk?
Weitere Teile unseres Blicks nach Frankreich
In den letzten Monaten haben wir in Deutschland eine lange, leidige Diskussion führen müssen: Was tun mit der AfD? Politisch, strategisch, und nicht zuletzt: medial.
Sollen sie an Elefantenrunden teilnehmen oder nicht? Kann man Frauke Petry, Alexander Gauland und Björn Höcke guten Gewissens in Talk-Shows einladen, ohne Rechtsextremen oder –populisten ein unangenehmes, wenn nicht gefährliches Forum zu bieten?
Das waren unvorhergesehene wie schwer zu beantwortende Fragen: Deutschland ist ein Konsens-Land, und stolz auf seine zurückhaltend-emotionslosen, gerne bemüht abstrakten Polit-Debatten, die maximal im konfusen Durcheinanderreden, aber selten im Eklat oder mit wilden Gesten untermaltem Geschrei enden. Mit dem Einzug der Petrys, Gaulands und Höckes waren die Konsens-Runden, in denen man sich eher um das
Wie denn um das
Was stritt, selbstredend passé.
In Frankreich gibt es mit dem Front National schon deutlich länger eine (erschreckend) starke rechtpopulistische bis rechtsextreme Partei. Dementsprechend ist auch der Erfahrungsschatz der Medien größer, wie mit diesem politischen Phänomen in der medialen politischen Debatte umzugehen ist. Und da Franzosen -
wie bereits an anderer Stelle erläutert - aufgrund ihrer politischen wie gesellschaftlichen Sozialisation leidenschaftliche Debattierer sind, war das naheliegendste Szenario auch das inhaltlich ergiebigste: Man lässt die rechten Hetzer auf die etablierten politischen Kräfte los, und sieht sich an, was passiert.
Dem in die Hände spielt, dass Polit-Diskussionen in Frankreich (anders als in Deutschland) selten im Stuhlkreis geführt werden, sondern lieber in Form eines konfrontativen Forums, in dem sich zwei Seiten gegenüberstehen und hinterher in einer Analyse von Journalisten die Punkte gezählt werden. Bestes Beispiel ist die Sendung «Des Paroles et des Actes», die viele Jahre bei Frankreichs größtem öffentlich-rechtlichen Sender France 2 mit guten Zuschauerzahlen und inhaltlicher Schärfe überzeugte, bis sie im Mai dieses Jahres nach sinkender Resonanz eingestellt wurde.
Moderiert von David Pujadas, der beim selben Sender auch als
Anchorman der wochentäglichen Abendnachrichten auftritt, ging es gerne hoch her. Nicht nur, wenn Gäste vom Front National kamen, obwohl Marine Le Pen sicherlich eine der häufigeren Teilnehmerinnen war, manchmal als Gast, und manchmal um den Gast in einem halbstündigen Rededuell zu provozieren. «Des Paroles et des Actes» zeigte wenig Berührungsängste mit dem rechtsextremen Spektrum – und verlangte von gestandenen Politikern, sich auf dem selben Terrain mit seinen Vertretern zu bekabbeln.
Marine Le Pen durfte sich einmal eine wortgewaltige, polemische Debatte mit dem damaligen Innenminister (und heutigen Premierminister) Manuel Valls liefern. Ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen wurde bei einer anderen Gelegenheit vierzig Minuten lang auf Alain Juppé losgelassen, eine der bekanntesten Figuren des konservativen Spektrums (und derzeit einer der aussichtsreichsten Kandidaten der Republikaner auf das Präsidentenamt). Anders als ihre Tante, die sich trotz aller
Dédiabolisation gerne brachialer Formulierungen und eines aggressiven Duktus bedient, blieb sie in der Diskussion mit Juppé stets höflich, zuvorkommend und argumentativ gemäßigt – was sie zu einer der gefährlichsten Figuren ihrer Partei macht. Und obwohl auch «Des Paroles et des Actes» manchmal aus viel Schall und Rauch und Taktiererei bestehen mag, ist es nicht selten erstaunlich,
auf welch hohem Niveau trotzdem so manche Debatte geführt wurde.
Trotz seiner Aversion gegen Talk-Shows, die ihn einen großen Bogen um das populäre «On n’est pas couché» machen ließ, war auch Nicolas Sarkozy hin und wieder zu Gast. Sonderlich wohl schien er sich bei David Pujadas allerdings nicht zu fühlen. Und wie er
in einem Interview mit „Le Figaro“ erklärte, sehnt er sich in Puncto Polit-Fernsehen eher in die letzten Jahrzehnte zurück, zu leiseren Formaten wie «7 sur 7» oder «Quéstions à domicile». Der aktuelle Trend zu Konfrontation und einer manchmal brachialen
Déstabilisation der Gäste im französischen Fernsehen spricht freilich dagegen, dass ein in solchem Stil gehaltenes Format in der nächsten Saison die Nachfolge von «Des Paroles et des Actes» antreten wird.