Die Kino-Kritiker: «Lights Out»

Das Horrorgenre meint es dieses Jahr gut mit seinen Fans. Nach dem famosen Geisterhaus-Sequel «Conjuring 2» kommt mit «Lights Out» nun der nächste Film in die Kinos, in dem Regievirtuose James Wan seine Finger im Spiel hat. Darin treibt er die Urangst des Menschen vor der Dunkelheit auf die Spitze.

Filmfacts: «Lights Out»

  • Kinostart: 04. August 2016
  • Genre: Horror
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 81 Min.
  • Kamera: Marc Spicer
  • Musik: Benjamin Wallfisch
  • Produzent: James Wan
  • Buch: Eric Heisserer
  • Regie: David F. Sandberg
  • Darsteller: Teresa Palmer, Gabriel Bateman, Maria Bello, Alexander DiPersia, Billy Burke, Lotta Losten
  • OT: Lights Out (USA 2016)
Der aus dem Jahr 2013 stammende, gerade einmal drei Minuten lange Kurzfilm «Lights Out», des bis dato noch weitestgehend unbekannten Horror-Regisseurs David F. Sandberg, ging um die Welt. Darin möchte eine namenlose Frau, gespielt von Sandberg-Gatting Lotta Losten, des Nachts das Licht löschen, um schlafen zu gehen. Als ihre Hände den Schalter berühren und es um sie herum dunkel wird, sieht sie plötzlich die Umrisse einer Gestalt am Ende ihres Wohnungsflures stehen, der sich mit jedem Betätigen des Lichtschalters näher in ihre Richtung bewegt. Ein Albtraum, so subtil und doch greifbar, dass wir an dieser Stelle nicht verraten wollen, mit welcher phänomenalen Schlusssequenz «Lights Out» endet, sollte irgendein Horrorfan diesen international viral gegangenen Mini-Schocker tatsächlich noch nicht gesehen haben. Nun hat David F. Sandberg mit der Unterstützung von Horror-Mastermind James Wan («Conjuring 2») eine Langfilmfassung aus dieser Prämisse gezaubert, die vor allem deshalb so großartig geworden ist, weil die Furcht vor der Dunkelheit für einen jeden von uns greifbar ist. Wenngleich nicht jeder direkt Angst davor hat, wenn plötzlich sämtliche Lichter ausgehen, so müssen wir doch zugeben, dass es sich tagsüber irgendwie entspannter in den Keller oder eine einsame Gasse entlang gehen lässt. Kein Wunder also, dass das Grauen im Horrorfilm generell erst in den späten Stunden über die Opfer hereinbricht. Und genau aus diesem Horror-Grundgesetz macht Sandberg nun einen ganzen Film – und wir geben zu: Das ist ganz schön genial.



Lass das Licht an!


Als Rebecca (Teresa Palmer) ihr Elternhaus verlässt, glaubt sie noch, ihre Kindheitsängste endgültig überwinden zu können. Als Jugendliche konnte sie Realität und Einbildung nie recht unterscheiden, sobald nachts das Licht erlosch. Und jetzt durchleidet ihr kleiner Bruder Martin (Gabriel Bateman) dieselben unerklärlichen, entsetzlichen Vorgänge, die Rebecca einst den Boden unter den Füßen wegzogen und sie an den Rand des Wahnsinns trieben: Wieder taucht das grässliche Wesen auf, das auf geheimnisvolle Weise mit ihrer Mutter Sophie (Maria Bello) verbunden scheint und sich in der Dunkelheit den Weg zu seinen Opfern bahnt. Rebecca versucht, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, doch schnell wird deutlich: die Familie schwebt in Lebensgefahr… sobald das Licht erlischt.

Wer glaubt, Regisseur Sandberg sowie Produzent und Berater Wan würden sich bei der Ausarbeitung der Grundidee für «Lights Out» nun ausschließlich darauf beschränken, dass die vom Bösen gepeinigten Figuren hier eben hauptsächlich das Dunkel meiden sollten, der irrt. Drehbuchautor Eric Heisserer (schrieb auch das «Nightmare On Elm Street»-Remake von 2010) kreiert darüber hinaus ein interessantes Figurenkonstrukt, mit dessen innerer Zerrissenheit der Film steht und fällt. Heimgesucht vom bösen Geist des Mädchens Diana, so heißt das fiese (und nicht animierte, sondern tatsächlich von einer Schauspielerin verkörperte) Ungetüm, wird eine Familie, bestehend aus Mutter, Tochter und Sohnemann. Eigentlich alles wie immer: Die Guten stehen auf der einen, die Bösen auf der anderen Seite. In «Lights Out» hat die dunkle Macht jedoch schon so viel Einfluss auf einen Teil der Familie genommen, dass die Protagonistin Rebecca (stark gespielt von «Warm Bodies»-Star Teresa Palmer) nicht nur sich und ihren kleinen Bruder, sondern auch ihre Mutter vor sich selbst schützen muss. Es geht im Depressionen, Misstrauen und Mutterliebe – klassischer Dramastoff also, der hier als Grundgerüst für einen knackig-kurzweiligen Horrorschocker funktioniert. Und das alles geschieht nicht bloß nebenher: In einem Interview antwortete der Regisseur auf die Frage, was es denn mit dem zentralen Thema Dunkelheit überhaupt auf sich hat, wie folgt: „Ich finde das Thema Dunkelheit deshalb so faszinierend, weil es für mich eng mit dem Krankheitsbild der Depression verbunden ist. Ich habe solche Phasen selbst durchlaufen und weiß, dass sich mit Dunkelheit viel Angst und Trauer ausdrücken lässt.“

Vom Kurzfilm zum Langfilm


Auch für die Backgroundgeschichte von Figuren und Prämisse nimmt sich Sandberg genügend Zeit, sodass «Lights Out» im Kern logische Grundsätze verfolgt, ohne dass das Grauen durch zu viel Information Gefahr laufen würde, demaskiert zu werden. Mit geschickt gestreuten Hinweisen gibt das Skript nach und nach preis, wodurch es Dianas Präsenz einst in die Familie schaffte, wo die Faszination der Mutter für die finstere Kreatur herrührt und macht damit auch die nur schleppenden Fortschritte im Kampf gegen Diana glaubhaft. Da werden Erinnerungen an den J-Horror-Klassiker «Ring» wach, der sich vor allem durch die ausführlichen Ermittlungsarbeiten rund um die grauenvollen Geschehnisse drehte und damit gleichsam Horrorelemente mit menschlichem Drama und einer Krimi-Handlung verknüpfte. Ähnlich verhält es sich hier auch; insbesondere das familiäre Konstrukt, einhergehend mit dem seelischen Zustand der von Maria Bello («Prisoners») ergreifend-bodenständig verkörperten Mutter hat die emotionale Wertigkeit eines klassischen Familiendramas. Überhaupt haben die Charaktere in «Lights Out» nicht nur Einiges im Köpfchen und agieren nicht so weltfremd wie es gerade Teenies in Horrorfilmen immer wieder tun, auch die Akzeptanz gegenüber den Ereignissen zeichnet Rebecca und ihren kleinen Bruder aus. Damit gelingt Sandberg das große Kunststück, das Leinwandgeschehen bei aller Übernatürlichkeit fest im Hier und Jetzt zu verankern; kein Wunder also, wenn einem das Schicksal der Figuren hier besonders nah geht. Das ist eine inhaltlich wirklich schöne Leistung, die es verschmerzen lässt, dass der Regisseur hier und da ein wenig zu oft auf Jump-Scares baut.

Wenn Sandberg sein Publikum dann aber doch ein ums andere Mal vor Schreck aus den Sitzen hüpfen lässt, haben es solche Momente auch wirklich in sich. Immer wieder betonte der Langfilm-Debütant in Interviews zum Film, kein Freund von „falschen Jump-Scares“ zu sein und zog dafür das bewährte Beispiel einer hinter einem Schrank hervor springenden Katze zurate. Und tatsächlich: Wenn Sandberg abliefert, dann richtig. Mit einem perfekten Timing-Verständnis, unter Zuhilfenahme eines nervenzerfetzenden Scores (Benjamin Wallfisch), der vielmehr an eine wahllose Klangkulisse erinnert, und einem, für diesen Film besonders wichtigen Einsatz von Licht und Schatten kreiert der Regisseur eine Atmosphäre permanenter Anspannung, die innerhalb der knapp 90 Minuten nie abbricht. Das beginnt schon mit der Anfangssequenz, einer ehrwürdigen Reminiszenz an die Kurzfilm-Vorlage, in der auch Lotta Losten einen Kurzauftritt hat. Innerhalb der ersten drei Minuten etabliert der Filmemacher das Konzept: Wann immer in «Lights Out» das Licht ausgeknipst wird, ist eine gewisse Unbehaglichkeit nicht zu leugnen. Das liegt zwar schon in der Natur der Sache, wenn man weiß, dass im Dunkeln tatsächlich auch das Böse lauert. Doch auch die Tatsache, dass man es im Film nicht mit den typischen Teenie-Vollidioten zu tun hat, sondern mit klugen, sich und die Situation reflektierenden Opfern, erhöht den Spukfaktor enorm. Wenn die schon Schiss haben, dann wir erst recht. Und so muss es in diesem Film dann auch gar nicht mehr wirklich blutig zugehen, damit sich der Zuschauer vor Angst am liebsten unter seinen Sitz verkriechen würde.

Fazit


David F. Sandbergs «Lights Out» funktioniert nach einem simplen Grundkonzept. Was der Regisseur und sein Berater James Wan aus diesem machen, ist in Spannung, Atmosphäre und Psychoterror allerdings kaum zu überbieten. Dazu trägt nicht zuletzt auch das clevere Skript bei. Dieses ist nicht bloß auf den schnellen Schock ausgelegt, sondern stellt Figuren und zwischenmenschliche Dramen in den Mittelpunkt, die das auf der Leinwand Gezeigte noch schlimmer machen, als es ohnehin schon ist. Ihr werdet das Licht nie wieder ausmachen wollen!

«Lights Out» ist ab dem 4. August bundesweit in den Kinos zu sehen.
02.08.2016 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/87208