Vier Frauen und ihr dummes Blondchen: «Ghostbusters»

Kritik des Monats: Das «Ghostbusters»-Remake startet von einer Flutwelle an Internetdebatten begleitet in den deutschen Kinos. Aber was taugt der Geisterjäger-Spaß eigentlich, wenn man ihn sich einfach mal anschaut?

Er hat es so gut gemeint, und so viele (vermeintliche) Filmfreunde haben es ihm mit Hass und Beschimpfungen gedankt: «Brautalarm»-Regisseur Paul Feig brachte die Filmschmiede Sony Pictures von ihrem verbissen verfolgten Vorhaben ab, irgendwie «Ghostbusters 3» auf die Beine zu stellen. Harold Ramis, einer der Hauptdarsteller und Autoren der Originalfilme, war bereits verstorben. Superstar Bill Murray bezeichnete es mehrmals öffentlich als unsinnige Idee, mit dem alten Ensemble eine weitere Geschichte zu erzählen. Und selbst medial gehandelte Neuzugänge wie Seth Rogen, die den alten, verbliebenen Haudegen unter die Arme hätten greifen sollen, schüttelten den Kopf. Also schlug Feig vor: Statt die alte «Ghostbusters»-Welt bis auf den letzten Tropfen auszuquetschen, sollte man bei Null anfangen. Alte Grundidee, neue Geschichte, neue Figuren. Und damit sich ja keine Vergleiche zwischen den ursprünglichen und den neuen Geisterjägern aufdrängen, sollten Frauen die Hauptrollen übernehmen. Für den zusätzlichen Schub an Frische!

Wenn der für Komödien wie die Agentenfilmparodie «Spy – Susan Cooper Undercover» verantwortliche Filmemacher die Initialzündung seines «Ghostbusters»-Neustarts nacherzählt, so entfleucht ihm dabei nunmehr ein ironisches bis zynisches Grinsen. Denn sein Plan, Sony böse Fanschelten zu ersparen und Filmliebhaber wiederum vor unnötigem Frust zu bewahren, stellte sich als Auslöser für einen der bittersten Feldzüge gegen ein Stück Popkultur heraus, den das Internet je gesehen hat. Feigs «Ghostbusters» verwandelte sich zu dem Zankapfel schlechthin für Remake-Feinde und schlecht getarnte, Frauen geringschätzende Mistkerle.

Die «Ghostbusters»-Debatten haben, leider, ihre medienwissenschaftliche und womöglich gar soziologische Relevanz, da sie Bände über den gemeinen Streithahn 2.0 sprechen. Über die Vorzüge und Schwächen dieses Remakes sagen sie hingegen überhaupt nichts aus. Ebenso wenig wie die vollkommen misslungenen Trailer, die es auf geschafft haben, den Witz dieser die 144-Millionen-Dollar-Produktion komplett zu entstellen. Daher ist es nur vernünftig, die von Feig und Katie Dippold («Parks & Recreation») verfasste, übernatürliche Komödie vor dem Hintergrund zu kritisieren, vor dem sie entstand: Im (offenbar naiven) Glauben, es sei vollkommen selbstredend, dass Frauen lustig und zugleich heldenhaft sein dürfen.

Für Dr. Erin Gilbert (Kristen Wiig) ist der lang ersehnte berufliche Fortschritt zum Greifen nah: Ihr wird eine Festanstellung an der renommierten Columbia-Universität in Aussicht gestellt. Kurz bevor diese in trockenen Tüchern ist, gerät eine Jugendsünde Erins an die Oberfläche. Einst verfasste die Physikerin mit ihrer Jugendfreundin Abby Yates (Melissa McCarthy) ein ausführliches Forschungsbuch über das Paranormale. Da sich Erin mittlerweile von diesem verlachten Wissenschaftszweig distanzierte, geriet ein Keil zwischen sie und Abby, die ebenfalls ihren Doktor gemacht hat und nun mit der ebenso exzentrischen wie brillanten Ingenieurin Jillian Holtzmann (Kate McKinnon) das Übernatürliche auslotet. Die zerstrittenen Weggefährten schließen einen Deal: Abby sorgt dafür, dass Erins peinliche Geisterforschervergangenheit unter den Teppich gekehrt wird, wenn sie dafür bei einem Auftrag aushilft.

Entgegen Erins Erwartungen begegnen sie, Abby und Holtzmann bei besagtem Einsatz tatsächlich einem Geist. Das Trio gründet anschließend voller Tatendrang ein Institut für die Erforschung und Bekämpfung paranormaler Erscheinungen. Alsbald erhalten sie dabei zudem die Unterstützung der resoluten, über beachtliche Kenntnisse der New Yorker Geschichte verfügenden U-Bahn-Aufseherin Patty (Leslie Jones). Und auch Sekretär Kevin (Chris Hemsworth), dessen atemberaubendes Aussehen doppelt und dreifach von seiner unfassbaren Dummheit geschlagen wird, versucht zu helfen …

Der Löwenanteil des durch Ivan Reitman («Ghostbusters») und Amy Pascal («Spider-Man: Homecoming») produzierten Geisterjäger-Spaßes geht mit eben jener Selbstverständlichkeit vor, die schon das Original von 1984 ausmacht. In dieser Filmwelt gibt es halt Menschen, die an Geister glauben, und die urplötzlich mit Beweisen für ihre Theorien überhäuft werden. Natürlich bekommen es die Helden hin, mit frisch entwickelter Technik den übernatürlichen Wesen den Garaus zu machen. Und niemand stellte es in Frage, dass im Erstling Männer dem Paranormalen den Kampf ansagen. Wieso sollte es was Besonderes sein, dass nun vier Frauen die Protonenwaffen schwingen?

Einen wandelnden Kommentar auf die standardmäßige Geschlechterrollenverteilung (nicht nur) in Hollywood-Blockbustern gibt es dennoch: Kevin. Das dumme Blondchen vom Empfang. Dabei sollte die „Empfangsdame“ dieser Ghostbusters ursprünglich sehr nah am 1984er-Film angelegt werden und als sarkastisch-desinteressierte Figur auftreten. Dann aber schlossen sich Paul Feig und «Thor»-Darsteller Chris Hemsworth zusammen, der unbedingt eine atmende, wandelnde, muskulöse, aber weiterhin hohle Ken-Puppe spielen wollte. Das Ergebnis ist nicht nur ein unschlagbares Bewerbungsschreiben Hemsworths, häufiger Komödienparts zu übernehmen, sondern obendrein eine von gepfeffertem Timing geprägte, mit ansteckender Spielfreude dargebotene Parodie all jener idiotischen Frauenrollen, die das Kino so häufig zu bieten hat. Hemsworth nimmt das „Sieht gut aus, hat nichts drauf“-Schema, rennt damit dutzendfach improvisierend um den Block und sprengt es schlussendlich glückselig lächelnd in die Luft.

Von Hemsworths Paradedummbeutel abgesehen beschränken sich die Randbemerkungen bezüglich des Geschlechts der zentralen Darsteller auf ein absolutes Minimum. In einem Anflug von neu erworbenem Ego macht sich der (dramaturgisch weitestgehend vernachlässigte) Schurke gen Schluss darüber lustig, dass Frauen ihn ja wohl kaum aufhalten könnten. Und ein den Darstellerinnen zufolge eigentlich als „Tribut“ an YouTube-Nutzer, die alle möglichen Videos als „Fake“ deklarieren, gedachter Wortwechsel wurde während der Dreharbeiten um einen kurzen, pointierten Seitenhieb auf die absurde Kontroverse rund um dieses Filmprojekt erweitert. Diese kleinen Angriffe auf die Beschränktheit der gegen Gleichberechtigung wetternden Männer sind so verdient, wie sie wohl leider unvermeidlich sind.

Daher, dass Feig & Dippold jegliche weiterführende Diskussion außen vorlassen, ob ihre Heldinnen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werden, gewinnt das Autoren-Duo Raum, um allgemeingültigere Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen. Die 1984-Ghostbusters waren klar ein Produkt der Reagan-Ära: Männer, die ein Kleinunternehmen gründen, bei dem es gilt, mit beiden Händen anzupacken, arbeiten sich allen Hindernissen zum Trotz nach oben. Die Ghostbusters von heute, vor allem Erin, treiben Probleme an, die in unserer Zeit stärker diskutiert werden: Sie fühlen sich aufgrund ihres Berufs, ihrer Interessen oder ihrer Ansichten ausgegrenzt und wollen endlich akzeptiert werden.

Dieses unaufdringlich mitschwingende Thema dient nicht bloß als roter Faden der von Kristen Wiig mit Bodenständigkeit gespielten, betont spießig auftretenden Erin, sondern obendrein als ergiebiges Gegengewicht zu den schrägeren Aspekten dieses Films. Und davon gibt es allerhand: Paul Feigs «Ghostbusters» gewinnt viel Humor daraus, anfänglich normale Situationen zu verzerren. Unlustige Tourguides, die ihre eingeübten Gags mit selbstgefälligem Kichern herunterrasseln. Passanten und Konzertbesucher, die in den unpassendsten Momenten Selfies knipsen müssen. Graffiti-Künstler, die sich mit U-Bahn-Mitarbeitern anlegen. Politiker, die absurde Pfade zur Deeskalation beschreiten. Und so weiter, und so weiter.

Dieser situationsbasierte Humor benötigt nicht nur Kontext (weshalb Trailer zu Paul-Feig-Filmen nahezu durchweg für die Tonne sind), sondern zudem auch Zeit. Davon nimmt sich «Ghostbusers» nicht immer die richtige Menge. Trotz des routinierten Schnitts von Melissa Bretherton & Brent White finden manche Einlagen weder auf der Seite „aufhören, wenn es am Schönsten ist“, noch auf der Seite „erst ist es lustig, dann wird es unlustig, dann richtig lustig“ Platz. Somit schleichen sich in dieses Remake vereinzelte Längen und gelegentliche Rohrkrepierer – diese kommen allerdings kaum zur Geltung. Nicht nur, weil die comedyerfahrenen Darstellerinnen eine bestechende Chemie untereinander entwickeln und sich in den spritzigen Dialogszenen sehr gut die Bälle zuspielen. Sondern vor allem, weil «Ghostbusters», vom geradlinigen Prolog und dem einem Farbrausch gleichkommendem, actionbetonten Finale abgesehen, eine äußerst hohe Gagdichte aufweist.

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Filmfacts: «Ghostbusters» 2016

  • Regie: Paul Feig
  • Produktion: Ivan Reitman, Amy Pascal
  • Drehbuch: Katie Dippold, Paul Feig; basierend auf «Ghostbusters» von Ivan Reitman, Dan Aykroyd und Harold Ramis
  • Darsteller: Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Kate McKinnon, Leslie Jones, Charles Dance, Michael Kenneth Williams, Chris Hemsworth
  • Musik: Theodore Shapiro
  • Kamera: Robert Yeoman
  • Schnitt: Melissa Bretherton, Brent White
  • FSK: ab 12 Jahren
  • Laufzeit: 117 Minuten
Neben den Kabbeleien der Ghostbusters untereinander sowie deren sehr unterschiedlichen Reaktionen auf Geister, sind es gerade Hintergrundgeschehnisse oder andere Feinheiten innerhalb des groß gestikulierenden Ganzen, die das Humorlevel nach oben treiben. Meisterin dieses „Eine auf dem Papier normale Szene ins Irrwitzige pushen“ ist «Saturday Night Live»-Veteranin Kate McKinnon, die mit Holtzmann eine der originellsten Leinwandfiguren des Jahres erschafft. Auffällig gekleidet, ungewöhnlich frisiert und stets einen quirligen Spruch auf den Lippen, wenn sie nicht gerade Grimassen zieht, wuselt sich die Waffenexpertin der Ghostbusters unbekümmert durch die Szenerie. Ob sie mit ihrer bizarren „Jack Sparrow trifft Bugs Bunny, gefangen im Körper einer verrückten, zündelnden Wissenschaftlerin“-Attitüde aneckt, ist dieser Figur egal – und ihre spritzige „Leck mich doch!“-Haltung überträgt sich auf den gesamten Film.

Melissa McCarthy («Taffe Mädels») hält sich darstellerisch derweil zurück. Sie spielt gleichzeitig das vernünftige Gegenstück zu Holtzmann und das begeisterungsfähigere Gegenstück zu Wiigs Erin. In dieser Grauzone fällt es McCarthy schwer, ihrer sympathischen Figur ein einprägsames Profil zu verleihen, wenngleich sie in dieser gemäßigteren Art (wie schon in «Spy – Susan Cooper Undercover») ein überaus souveränes Timing zur Schau stellt, welches ihr etwa als ungehobelte «Tammy» verloren ging. Leslie Jones dagegen ist im Film nahezu das komplette Gegenteil dessen, was die Trailer aus ihrer Rolle gemacht haben: Statt eine hysterische Bauernschlaue von der Straße zu spielen, ist ihre Patty eine keinerlei Unsinn verstehende Buchversessene – die keinen erwähnenswerten Handlungsfaden spendiert bekommt.

Von einem durch die Bank weg engagierten Nebendarstellerensemble begleitet, dem die Liebe zum «Ghostbusters»-Franchise anzumerken ist und diverse alte Bekannte angehören, schlägt sich dieses Quartett durch die bislang eindrucksvollsten Bilderwelten Paul Feigs. Feig ist seit jeher ein mehr an der Komik seines Casts interessierter Regisseur, als ein inszenatorischer Maestro. Auch mit seiner sechsten Leinwand-Regiearbeit verwandelt sich Feig nicht schlagartig in einen gänzlich neuen Filmemacher, jedoch variiert er die Kameraeinstellungen in Gruppenszenen behände und den Pointen zuarbeitend. Außerdem erschafft er mit Kameramann Robert Yeoman («Moonrise Kingdom») und dem Design- sowie Effektteam einige bildhübsche Geistersequenzen. Überhaupt erklären die unwirklichen, gleichwohl greifbar erscheinenden Geister das fürs Komödienfach atypisch hohe Budget – und rechtfertigen den 3D-Zuschlag. Wer sich nicht vollständig gegen dieses Format verschworen hat, erhält für seinen Aufpreis zahllose gut eingesetzte Pop-Up-Effekte, die (auch dank cleverer Manipulation des Bildformates) aus den Geisterjagd-Szenen eine scheinbar in den Saal hineinragende Gaudi machen.

Der besagte, wilde Kampf gegen Geister greift trotz neuer Figuren und Storybögen wiederholt auf die Originalfilme zurück, was ihm in der gebotenen Ausführlichkeit aber ein Stück weit die Eigenständigkeit raubt. Zwar baut Feig ikonische Bilder, Wesen und Zeilen aus den Vorlagen so funktionabel ein, dass Novizen nicht vollkommen ratlos dastehen, während «Ghostbusters»-Experten erfreut grinsen dürfen. Trotzdem könnte das eine oder andere Wiedersehen knackiger verlaufen.

Komponist Theodore Shapiro gelingt auf musikalischer Seite dagegen ein formidabler Spagat: Sein Score würde einem strikten Actionfilm sehr gut zu Gesicht stehen und lässt beispielsweise diverse Marvel-Instrumentalstücke alt aussehen. Mit gezielten Rückgriffen auf alte, akustische Gruselfilm-Klischees sowie mit ebenso bewusst gewählten wie abwechslungsreichen Varianten des Ray-Parker-Junior-Titelsongs verpasst Shapiro dieser Klangwelt dessen ungeachtet einen überdeutlichen, kräftigen und markanten «Ghostbusters»-Stempel. Bei der Songauswahl Feigs andererseits wechseln sich launige Einfälle und schnell vergessene Lückenbüßer ab.

Unterm Strich ergibt all dies einen Film, der zwei Dinge auf einmal ist: Eine spürbar liebevoll-ehrfürchtige Neuinterpretation des Originals, die Teile der Fanbase partout nicht haben wollen. Sowie eine bunte Neuerfindung der 80er-Gruselkomödie als turbulente, übernatürliche Actionkomödie für die «Avengers»-Kinogängergeneration. Ein gewagter, allerdings selbstbewusst vollführter Drahtseilakt, der hauptsächlich mit gelegentlichen Längen zu kämpfen hat. Und mit der gehässigen Welt da draußen. Aber die wollten wir an dieser Stelle ja vergessen. Wobei dieser Gute-Laune-Budenzauber äußerst hilfreich ist!

Fazit: Wer Remakes/Reboots aus Prinzip hasst, den wird «Ghostbusters» nicht bekehren. Wer generell ein Problem mit Frauen hat, der braucht einen Psychiater. Wer aber eine bunt durcheinander gewürfelte Truppe an Heldinnen sehen will, die mit Situationskomik, coolen Gadgets und frechen Kommentaren bewaffnet Jagd auf stylische Geister macht, sollte den ganzen Onlinefrust über diesen Film vergessen. Und ab ins Kino!

«Ghostbusters» ist ab dem 4. August 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
02.08.2016 11:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/87211