DAZN ist gestartet: Über den Dächern Münchens, in den Kabeln von Norderstedt

Das Netflix des Sports hat Deutschland erreicht. DAZN startet mit einer ganzen Reihe an Fußball-Rechten. Die standen am Mittwoch in München aber gar nicht so sehr im Mittelpunkt. Über eine Launch-PK der anderen Art.

Über die Perform Group

  • 2007: Gründung von SPOX in München
  • 2010: Gründung von Mediasports, Eröffnung zweiter Standort in Hamburg
  • 2011: PERFORM Group übernimmt SPOX und Mediasports
  • 2011: PERFORM Group übernimmt das weltweit größte Fußball-Portal Goal.com
  • 2012: SPOX exklusiver Free-to-Air Broadcaster und Destination-Partner der NBA 2012: PERFORM Group übernimmt Sportal.de, führendes Live-Ticker-Portal in Deutschland
  • 2013: PERFORM Group übernimmt Opta, führender Daten-Dienstleister und DFL- Partner
  • 2013: SPOX als offizieller Broadcaster der Basketball-EM
  • 2014: Eröffnung des neuen PERFORM Deutschland-Büros mit 150 Arbeitsplätzen in München Unterföhring
  • 2015: SPOX wird als „Deutschlands Sport-Website des Jahres“ ausgezeichnet
  • 2015: Goal und FC Bayern schließen Medien-Partnerschaft
Man kann nun wahrlich nicht behaupten, dass die Perform Group den Launch ihrer neuen OTT-Sportplattform DAZN leise, still und heimlich abhielt. Schon seit Wochen spukt der neue Service ein bisschen wie ein Schreckgespenst durch die Sportmedienbranche – vor allem während der Anfang Juni beendeten Bundesliga-Vergabe war es immer ein großes Rätsel, wie groß Perform wirklich in den Markt einsteigen wird. Zuvor hatte die Gruppe schon etliche attraktive Fußballrechte, unter anderem die Premier League exklusiv, eingekauft. Bei der Bundesliga bekam man nur kleinere Krümel ab, Highlight-Rechte im Web-Bereich. Aber immerhin.

Am Mittwoch nun stellte die Gruppe sichtlich stolz ihr neues Baby vor – eben jene Plattform, die auf den prägnanten Namen DAZN (sprich Dazone) hört. Über den Dächern von München fand die Launch-Veranstaltung statt, in einem Bürogebäude, in dem zunächst nicht viel auf die Grundsteinlegung der neuen Art des Sportfernsehens hinwies. Zunächst zumindest. Ein kleiner Aufkleber im Aufzug deutete an, dass im siebten Stock quasi der siebte Himmel für Sportjunkies aufgehen werde. Es war eine herzliche Veranstaltung, eine, die den ganz oberen Chefs der Perform Gruppe auch ganz besonders am Herzen lag. Das war jederzeit zu spüren. Seit zwei Jahren wird in der Chefetage am Produkt gefeilt, die ganz konkreten Planungen liefen seit einem Jahr, hieß es. „Wir gehen mit DAZN einen neuen Weg. Ein Weg, der vieles ändern wird“, sagte Perform-CEO Simon Denyer in einer kurzen Eingangsrede. „Die Mitgliedschaft bei DAZN ermöglicht Fans ein einmaliges Streaming-Erlebnis, das mehr Sportauswahl zu bieten hat, als jeder andere Dienst bisher. Sport bietet täglich unglaubliche Momente, nicht nur bei Großereignissen“, ließ er sich zudem in einer Pressemitteilung zitieren.

Deutschland markiert für DAZN den Startpunkt, in weiteren Ländern – etwa in Japan – folgt der Launch in den kommenden Wochen. „In Deutschland haben wir eine gute Infrastrukur für den Start. Die deutschen Sportfans haben aber nicht die Sportabdeckung, die sie eigentlich verdienen“, meinte der Perform-Chef. Etwas, das sich mit dem Start seines Produkts natürlich verändert. Ändern soll sich auch DAZN in den kommenden Wochen und Monaten noch. Stillstand soll es beim Dienst nicht geben – man möchte fast sagen: Ihn darf es auch nicht geben.

Keine Vertragslaufzeit - Angebot und Aufgabe zugleich


Wie von Netflix bekannt, haben Kunden die Möglichkeit quasi jederzeit zum Monatsende zu kündigen. Und auch der Preis, nämlich 9,99 Euro (oder 12,90 Schweizer Franken) erinnert an Netflix. Ebenso übrigens die Bedienung wie auch die generelle Erscheinung des Dienstes an sich, die von zahlreichen Mitarbeitern in München im Detail erklärt wurde. Mit der Zeit werde sich der Auftritt von DAZN von Nutzer zu Nutzer unterscheiden, weil der Dienst lernt, welche Inhalte den jeweiligen Nutzer besonders interessieren. Entsprechende Empfehlungen werden speziell auf den Account abgestimmt angezeigt. Der starke Fokus von DAZN liegt, wie der für Rechte und Distribution zuständige Kai Dammholz erklärte, auf internationalem Fußball. Nicht zu kurz kommen sollen aber auch US-Sportarten sowie regionale und Nischen-Produkte.

Ins Detail ging DAZN beim offiziellen Teil der Präsentation nicht – es schien, als solle zunächst einmal die Marke den größten Eindruck machen – und später erst die exakten und durchaus fülligen Inhalte. Wer nämlich Fan von internationalem Fußball ist, der bekommt dort nun die Abdeckung, die er zuvor in Deutschland kaum hatte. DAZN wird aus der englischen, spanischen, italienischen und französischen Liga berichten. Auf Nachfrage von Quotenmeter.de wurde bestätigt, dass man sechs Premier League-Spiele pro Spieltag live übertragen werde. Die restlichen vier Stück gibt es Re-Live zum Abruf. Mehr sei vertraglich nicht möglich, auch eine Konferenz darf daher nicht stattfinden, hieß es. Aus Spanien, Frankreich und Italien sollen sogar alle Spiele live angeboten werden, größtenteils mit deutschem Kommentar.

Reaktionen im Netz

Marco Hagemann: Freu mich sehr auf meine neue Aufgabe bei @DAZN_DE ! Ein spannendes Projekt, ein tolles junges Team.

Frank Buschmann: Freue mich für alle Kollegen, die bei #DAZN Jobs bekommen. Schwieriger Markt für Nachwuchsleute. Macht was draus!

Benni Zander: Viele tolle Kollegen bei #DAZN mit dabei. Das wird groß!

Alex Schlüter: ...Es wird noch größer als hier spekuliert wird... #DAZN

Hinzu kommen lokale Inhalte, wie etwa die Handball-Bundesliga, von der DAZN in der nächsten Saison 60 Spiele co-exklusiv mit Sport1 zeigen wird – und 22 Stück exklusiv. Auch der Deutschland-Cup des Eishockey-Sports aus Augsburg wird neben Sport1 bei DAZN zu sehen sein. Und: Schon ab Ende August die Highlights der Bundesliga: Möglich macht es eine Zusammenarbeit mit Axel Springer. Der Verlag hält die Clip-Rechte noch für eine Saison, ab 2017 ist DAZN dann selbst Inhaber dieses Pakets. Heißt: In diesem Jahr bekommt DAZN die Clips von Springer, zwischen 2017 und 2021 wird DAZN das selbst produzieren (und Springer anliefern). Produktionschef Michael Bracher sprach schon mal davon, die Clips „anders“ aufziehen zu wollen als aktuell die Bild. NBA-Liebhaber kommen mit über 250 Spielen, inklusive aller Partien der Conference Finals und NBA Finals bei DAZN voll auf Ihre Kosten. Und in Sachen NFL wartet auf Football-Fans ein ganz besonderes Highlight: Neben 50 Spielen der „Regular Season“ sowie allen 10 Playoff Spielen und dem Super Bowl bietet DAZN die „NFL Red Zone“: Die legendäre Konferenz am NFL-Sonntag und das wohl bekannteste Sportformat in den USA. Da kommt also einiges zusammen: Regelmäßig wird es 20 Sportevents live parallel geben, kündigt der Dienst vollmundig an.

Wer führt durch die Sendungen?


Dafür wurde in den letzten Monaten ein über 100 Mann starkes Redaktions-, Kommentatoren- und On-Air-Promotion-Team am Produktionsstandort München-Ismaning aufgebaut. Die Namen dieser will man, wie es heißt, gar nicht so sehr in den Fokus rücken – es ist eine Mischung aus jungen Kennern der Szene und erfahrenen Hasen. Als Aushängeschilder dürften Marco Hagemann, Markus Götz und Uwe Morawe dienen. Aber auch Uwe Semrau, Gari Paubant (ehemals Sky), Uli Hebel, Alex Schlüter und Franz Büchner werden in den Dienstplänen von DAZN auftauchen.

Was – zumindest im ersten Schritt – wie Bracher erklärte, nicht geplant ist, sind ausführliche Rahmenberichte. Man müsse keine zwei Stunden vor einem Spiel mit der Übertragung anfangen, um sieben Werbeblöcke zu integrieren, sagte er schmunzelnd. Werbung nämlich soll es bei DAZN überhaupt nicht geben. „Wir stellen den Sport in den Mittelpunkt und nicht die Berichte drumherum“, erklärte Bracher. Von daher wird man bei der Premiere League immer eine Viertelstunde vor Anpfiff den Stream starten – und einige Minuten nach Abpfiff „Auf Wiedersehen“ sagen. Hergestellt werden die deutschen Signale übrigens allesamt über den Dienstleister Plazamedia, jenem Unternehmen, das im kommenden Jahr seinen bisher größten Kunden Sky verlieren wird. Entsprechend wird DAZN hier als Segen angesehen. Olaf Schröder, Vorstand Sport der Plazamedia-Mutter Constantin Medien AG: "Mit DAZN konnte Plazamedia einen neuen namhaften und international agierenden Kunden gewinnen, der den Sportfans hochattraktiven Live- und On-Demand-Content anbieten wird. Die Partnerschaft mit DAZN ist für die weitere Entwicklung der Plazamedia ein wichtiger Meilenstein und wir freuen uns, dass DAZN bei der Realisierung dieses spannenden Projekts der Kompetenz unseres Produktionsunternehmens vertraut."

Empfangbar ist DAZN natürlich über alle möglichen Wege einer OTT-Streaming-Plattform – unter anderem über Fire TV, auf PC’s, Smart-TVs, via Android und iOS. Einen Support auf Chromecast soll es erstmal nicht geben. Anfang der Woche aufgekommene Beschwerden, DAZN würde mit Silverlight einen Dienst benutzen, der nicht das Neueste Modell ist, wollte man im Gespräch mit Quotenmeter.de derweil nicht sehen. Und auch Befürchtungen, ob DAZN einem eventuellem Ansturm am Wochenende zum Premier League-Start wird standhalten können, sah man gelassen. Man habe bei den spox-Streams der NBA bereits viele Erfahrungen mit hohem Traffic bravurös gemeistert.

Eine besondere Ehre wird übrigens Bürgern im der Stadt Norderstedt (nahe Hamburg) zuteil. Denn ganz ausschließlich wird und kann DAZN nicht die neuen Wege bestreiten. Wer sein Fernsehprogramm über den kleinen Kabelanbieter Wilhelm.Tel bekommt, kann DAZN dort auch als linearen Sender sehen. Dass auch der klassische Verbreitungsweg über Kabel genutzt werden muss, sehen die Verträge zwischen Perform und der englischen Liga vor. Auch wenn es zu konkreten Plänen eines Ausbaus dieses Verbreitungswegs am Mittwoch nichts zu sehen gab, erklärte Bracher, dass es "noch nicht das Ende der Fahnenstange sei". Lineares Fernsehen aber - und das war ebenfalls deutlich - hat nicht oberste Priorität für das neue Netflix des Sports.
10.08.2016 14:02 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/87390