Ein Stoff, der eigentlich ein Sozialdrama sein müsste, wird notdürftig als Krimi erzählt: ein dünnnes Fundament für die neue Folge der ZDF-Reihe
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Senta Berger als Dr. Eva Maria Prohacek
Rudolf Krause als André Langner
Gerd Anthoff als Dr. Claus Reiter
Martin Umbach als Gunter Gentner
Saskia Vester als Monika Weisshaupt
Samuel Finzi als Dmitiar Zvetanov
Bijan Zamani als Metodi Nontchew
Hinter der Kamera:
Produktion: Eikon Media GmbH
Drehbuch: Michael Gantenberg
Regie: Ulrich Zrenner
Kamera: Wolfgang AichholzerDer Bausektor gilt als ein Hort der Korruption. Skandale über Preisabsprachen, gerne mithilfe von korrupten Offiziellen, die ihren Baulöwen-Freunden öffentliche Aufträge zuschanzen. Scheinselbstständige osteuropäische Niedriglohnbauarbeiter, die die Kosten drücken und im Elend hausen müssen. Und Aufsichtsbehörden, die wegen Unterbesetzung, diffus vergebenen Zuständigkeiten oder mangelnden rechtlichen Grundlagen nichts gegen die Missstände tun können.
Als Dr. Claus Reiter (Gerd Anthoff) im Rohbau des Erweiterungsflügels seines Polizeigebäudes beim Richtfest gerade eine kurze Ansprache an die Belegschaft hält, kriegen seine Dienstuntergebenen Dr. Eva Maria Prohacek (Senta Berger) und André Langner (Rudolf Krause) die Leiche frei Haus: Der stellvertretende Bauamtsleiter stürzt aus dem neunten Stock. Ein Freitod ist rasch ausgeschlossen.
Wenige Minuten später stehen Prohacek und Langner schon knietief im Korruptionssumpf: Die Vorgesetzte des Toten, Monika Weisshaupt (Saskia Vester), hatte kurz vor seinem Tod noch eine interne Untersuchung gegen ihren Stellvertreter ins Rollen gebracht, weil sie den begründeten Anfangsverdacht hatte, er habe in der Vergangenheit bei der Verteilung der Bauaufträge gerne im großen Stil die Hand aufgehalten. Die alten Hasen wie Weisshaupt und Konsorten begegnen dem freilich nicht mit allzu konsternierten Blicken: In dieser Branche ist Korruption Usus. Weil sie, so die Logik von «Unter Verdacht», auch aufgrund ihrer Strukturen besonders anfällig dafür ist.
Das zweite dramaturgische Standbein: Die mafiösen Strukturen in den bulgarischen Arbeiterclans, die von den Kapos streng hierarchisch (und äußerst profitabel) geführt werden, worunter die unteren Arbeiter schrecklich zu leiden haben. Ein besonders herausgestelltes Beispiel: der verzweifelte Vater, der Geld stiehlt, um seinem schwer kranken Sohn eine OP zu ermöglichen, und so in einen potentiell tödlichen Konflikt mit dem Ausbeuter-Kapo gerät.
„Betongold“, so der bemüht zweideutige Titel, verliert leider viel seiner narrativen Kraft durch seinen ebenso bemüht wirkenden Duktus, durch die didaktischen Dialogpassagen, in denen Sackladungen allerhand diffuser Hintergrundinformationen über die Armut bulgarischer Billiglohnkräfte und die (vermeintlich) unzulänglichen Kompetenzen der Aufsichtsbehörden vorgetragen werden, und durch die ziemlich mitleidheischende Auswahl der Opfer. Der Krimi wirkt notdürftig um einen Stoff gebaut, der eigentlich ein Sozialdrama sein sollte, aber keines sein darf, weil das Krimi-Genre als eingängiger und zuschauerkonformer betrachtet wird. Ein dünnes Fundament.
Das ist in vielerlei Hinsicht schade: Weil mit Prohacek, Langner und Reiter in vergangenen Folgen schon großartige Krimi-Drama-Genre-Mixe entstanden sind, weil sie durch das starke Spiel von Berger, Krause und Anthoff immer noch viel gewinnen, und ihre Figuren durch ihre unaufgeregte, nicht zu bemüht emotionalisierende und dadurch umso spannendere und auch berührendere Art zu ermitteln einen willkommenen Kontrapunkt zur ubiquitären Heulsusen-Dramaturgie bilden –
auch wenn die Prohacek vielleicht doch bald in Rente geht.
Das ZDF zeigt «Unter Verdacht – Betongold» am Samstag, den 27. August um 20.15 Uhr.