Die deutsche Bundesliga ist die beste Liga der Welt! Sie hat die besten Fans! Und seit kurzem auch einen neuen Superdeal bei der Rechtevergabe. Juhu! Doch schleicht sich in das ganze Selbstbeweihräuchern auch zunehmend ein Makel: Ein Gros der Vereine mutiert unbemerkt zu Zombiekonstrukten großer Schattenmänner. Lässt die Fans das kalt?
Welcher eingetragene Verein war der letzte Fußballmeister der deutschen Bundesliga? Der VfB Stuttgart. Und wann war das? 2007. Und wo spielt der VfB aktuell? Richtig – in Liga 2. Ich gebe es zu: Ich bin ein frustrierter VfB-Fan, der den Niedergang seines Vereins lange hat kommen sehen, der nun jedoch trotzdem leidet wie ein Hund. Nicht nur, dass man das bisschen Kohle nach dem letzten Titel in größtenteils untaugliche Blender investierte, danach Trainer, Manager und Konzepte wie Socken wechselte, zunehmend unter klammer Kasse litt und sich schließlich in den verdienten Abstieg sparte. Nein! Auch das sonstige Geschehen in der deutschen Belleetage löst Frust bei mir aus. Mein einstmals so geliebter Sport verkommt zu einer Plastikveranstaltung von Sponsoren und Big Playern, die den Vereinen das Blut aussaugen, wie der berühmte Herr aus Transsylvanien seinen Opfern.
Come to where the money is
Beispiele gefällig? Frei nach dem zitierten - zugegeben leicht veränderten - Werbemotto macht es zum Beispiel seit vielen tristen Jahren der einst so ruhmreiche Hamburger SV. Dort hat man in Papa Kühne einen Mäzen und Gönner gefunden, der den Verein seit Jahren mit ausufernden Finanzspritzen vor dem totalen Kollaps bewahrt. Rein von der sportlichen Kompetenz zwischen Trainerbank und Management wäre die ewige Raute samt protziger Stadionuhr sicher längst zum grauen Zweitligisten verkommen. Dass man im Gegenzug jedoch seit Jahren aus diesen vorhandenen Mitteln nicht mehr als Abstiegskampf oder Mittelmaß zu destillieren weiß, ist genaugenommen die eigentliche Schande. Analog zum VfB Stuttgart, der mit windigen Konzepten, windigen Gestalten und windanfälligen Ideen seine eigene Basis sukzessive zermürbt hat, fließt auch beim Nord-Club das Geld nicht in langfristigen Erfolg sondern in kurzfristige Kurzsichtigkeit. Schade für die Fans, gut für alle, denen das Gelddruckwerk im Hintergrund ohnehin ein mittelschwerer Dorn im Auge ist.
Tradition am Reißbrett
Ein anderes Beispiel sind jene Clubs, die es ohne einen starken Wirtschaftsboss oder gar einen Konzern gar nicht geben würde – oder zumindest nicht in dieser Form. Oder wer würde ernsthaft daran glauben, dass der SSV Markranstädt ab dieser Saison Bundesliga spielen würde? Nein – Zuckerbrauselieferant Red Bull in Person seines Gründers Dietrich Mateschitz übernahm 2009 mir nichts dir nichts das Spielrecht des kleinen Vereins der Oberliga Nordost (Süd-Staffel) und nahm unter dem Namen RasenBallsport (kurz RB wie Red Bull – lustig, lustig) Leipzig nicht nur an dessen Stelle den Spielbetrieb auf, sondern krallte sich auch ein Jahr später gleich noch das traditionsreiche Leipziger Zentralstation und taufte es in RedBull-Arena um. Hach. Ein Jahr Oberliga, drei Jahre Regionalliga, ein Jahr dritte Liga und zwei Jahre zweite Liga später steht man dank millionenschwerer Investitionen dort, wo man die ganze Zeit hin wollte – in der ersten Liga. Dort ist dem Team in der Tat auch einiges zuzutrauen – RB in der Champions-League? Das, was dem Schwesterverein aus Salzburg (den man inzwischen eher nur noch als Ausbildungsverein benutzt) seit Jahren misslingt, wird hier vermutlich umgehend gelingen. Wetten, dass…? Nur eines kann sich RB trotz der Beteuerungen seiner Verantwortlichen und einiger Spieler wie Timo Werner (der vom VfB zu RB wechselte) nicht kaufen: Tradition und Würde.
Auch die TSG 1899 Hoffenheim unter der Herrschaft von SAP-Gründer Dietmar Hopp ist ein vergleichbares Thema – wenn auch mit Abstrichen. Hopp kombinierte einfach seine Leidenschaft und sein hart erarbeitetes Geld, um dem kleinen Heimatverein eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Klingt übermäßig romantisch? Mag sein. Dennoch muss man Hopp, der als Jugendlicher selber bei seinem Heimatverein stürmte, zu Gute halten, dass er in einer schwierigen Situation – nach dem Abstieg in die Kreisliga A im Jahr 1989 – für seinen Club da war und ihn sukzessive aufbaute. Erst 2005 intensivierte der Mäzen noch in der Regionalliga sein Engagement mit der Zielsetzung Profifußball deutlich. Und tatsächlich erreichte der Club bereits 2008 die höchste Ebene des deutschen Fußballs und ist seitdem konstant dort vertreten – auch wenn der ganz große Wurf bisher ausblieb und zuletzt einige Risse in der Fassade zu erkennen waren.
Die Geduldeten
Und dann gibt es da noch die langjährigen Verdächtigen – Werksteam Bayer Leverkusen fällt dabei allein aus Gewohnheitsrecht fast schon in den Bereich Tradition. Ich zumindest bin mit den Fußballern von Bayer Leverkusen und Bayer Uerdingen (die nach dem Ausstieg der Bayer AG 1995 in den freien Fall übergingen und inzwischen als KFC Uerdingen in der Oberliga Niederrhein beheimatet sind) aufgewachsen.
Ähnliches gilt für den VW-Club aus Wolfsburg, der immerhin 2009 schon einmal Deutscher Meister wurde. Große Tradition ist hier nicht aufzubauen – das latente Gefühl, ein künstliches Konstrukt statt eines echten Fußballvereins vor sich zu haben, bleibt. Und die Millionen, die wahllos in Toptransfers zu fließen scheinen, lassen die Sympathiewerte zumindest in der Causa der Grün-Weißen auch nicht wirklich in den Himmel schnellen.
Groß durch großen Einsatz
Über die Vereine, die seit Jahren und Jahrzehnten die Liga dominieren und in Sachen Kapital eine eigene halbe Liga unterhalten könnten, mag ich mich an dieser Stelle gar nicht groß aufregen. Ein FC Bayern München, so ambivalent man ihm auch gegenüberstehen möchte, hat sich vieles schlicht durch geschicktes wirtschaften und Könner in den richtigen Positionen erarbeitet. Ähnliches gilt für Borussia Dortmund, wo man aus einem arg tiefen Loch samt Fast-Abstieg wieder emporkletterte und dem großen Konkurrenten aus München nun wieder seit Jahren Paroli bietet. Hier gilt: Ehre wem Ehre gebührt. Und all die lautstarken Bayern-Hasser des Landes werden sich vielleicht in der Meisterfrage schon bald zwischen den Münchnern und den Freunden aus dem Brauseladen entscheiden müssen. Pest oder Cholera? Keine leichte Entscheidung. Aber vielleicht hat ja auch ein sympathisch klammer Kleiner wie Werder Bremen mal wieder eine sensationell gute Saison...
Conclusio
Steckbrief
Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für
Rezensionen,
Interviews &
Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne
Sülters Sendepause und schrieb für
Die Experten und
Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen
Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch
Es lebe Star Trek gewann er 2019 den
Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei
SYFY sowie freier Mitarbeiter bei
Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins
TV-Klassiker und des
Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr
hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner
Autorenseite.
Schön ist das alles nicht – da sitzt man nun als Fan in Liga2, hat diesen Zustand in 33 Jahren Vereinstreue vorher noch nie erlebt, verteufelt die böse 1. Kommerzliga und wünscht sich doch nichts sehnlicher, als im Mai 2017 eben wieder genau dorthin zurückzukehren.
Back to where the money is. Back to where the spotlights are. Back to where pure evil is. Muss man nicht verstehen? Nein, vermutlich nicht. Fußball ist und bleibt halt im Kern ein wunderbarer Sport – und solange kleine Vereine wie die Würzburger Kickers mit ihrem familiären Umfeld und wenig Kohle eben doch ähnliche Kunststücke wie die großen Tiere fertigbringen, oder ein SC Freiburg mit Bescheidenheit und Konstanz immer wieder kleine Erfolge feiert, bleibt doch auch die Hoffnung auf eine bessere, heilere und eben romantischere Fußballwelt noch irgendwie erhalten. Und wenn gar nichts mehr hilft, schaut man einfach weiter nach Hamburg oder Schalke – dort wird auch in 100 Jahren trotz Kühne und Gazprom nichts Gescheites bei dem ganzen Aufwand herauskommen. Wort drauf.
Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Macht euch der Fußball noch so viel Spaß wie früher? Verändert die Gemengelage bezüglich der Hintermänner einiger Vereine eure Sichtweise auf den Sport? Wer ist euch ein Dorn im Auge? Wer nicht? Und warum ist das so? Und wir Schalke vielleicht doch irgendwann mal Meister? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.
In 14 Tagen sehen wir uns zur nächsten Ausgabe von «Sülters Sendepause».
Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.
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