Sex-Shop. Dating. Reisen. Fernsehen.
Eine Frage unseres Kolumnisten: Wenn ProSiebenSat.1 im Fernsehen weiter einen Wachstumsmarkt erkennen will, wieso dann all die Zukäufe außerhalb dieses Segments?
Dass manche Konzernstrukturen für Außenstehende nicht immer sinnig erscheinen, ist allgemein bekannt. Meist gibt es jedoch gute Erklärungen für kuriose Unternehmensbeteiligungen oder wirtschaftlich auf den ersten Blick unsinnige Geschäftsfelder. Dass in Argentinien ansässige europäische Industrieunternehmen dort auch Exportfirmen für Lebensmittel unterhalten, ist etwa den restriktiven Importgesetzen aus der Kirchner-Ära geschuldet. Dass dynamische Internetkonzerne wie Google und Facebook für Unsummen Startups aufkaufen, die noch weit von jedwedem Gewinn entfernt sind, ist derweil nicht nur eine Wette auf die Zukunft, sondern auch eine geschickte Möglichkeit, dynamisches Personal mit gewaltiger Expertise und Entrepreneurial Spirit an sich zu binden – und kann als ein Pars pro toto dafür verstanden werden, wie eine ganze Branche denkt und handelt.
So lässt sich auch der Erwerb der Mehrheitsanteile an den Online-Dating-Plattformen Parship und Elite-Partner durch ProSiebenSat.1 Media interpretieren, mit dem der Anteil des Konzerns am Fernsehgeschäft weiter sinkt. Mit klarer Zielsetzung: Bis 2018 soll die Hälfte der Konzerneinnahmen von außerhalb des Fernsehgeschäfts fließen.
Diese Zukäufe sind freilich nicht neu: Schon länger sind mit dem TV-Business nicht in einem kausalen Zusammenhang stehende Geschäftszweige wie ein Online-Sex-Shop und ein Online-Reisebüro in die Konzernstruktur integriert. Parship und Elite-Partner werden dieses Portfolio weiter ausbauen.
Wenn man sich die englische Redensart Put your money where your mouth is zum Maßstab nehmen will, offenbaren diese Zukäufe freilich eine gewisse Diskrepanz zu den ständigen Bekenntnissen zum (linearen) Fernsehen der Geschäfts- und Konzernleitung. Netflix mag den eigenen Sendern, wie Ebeling gerne beteuert, nur im „homöpathischen Bereich“ Zuschauer abspenstig machen: Doch wenn Fernsehen nicht nur nach wie vor ein profitables Geschäft sein, sondern auch das Potential zu einem renditestarken Wachstumsmarkt haben soll – wieso dann diese Mühen, weit abseits des inhaltlichen Kerngeschäfts zu investieren, und den Anteil des Fernsehgeschäfts durch diese Zukäufe immer weiter zu reduzieren?